Wilde Kerle in fliegenden
Hightech-Kisten
Wer denkt sich eigentlich Spieletitel aus? Gibt es da kreative
Arbeitsgemeinschaften bei den Entwicklern oder den Herstellern, die
tolle Backronyme wie „S.T.A.L.K.E.R.“ und „F.E.A.R.“
zusammenbasteln. Falls ja, würden wir diese Menschen gerne
kennenlernen. Es scheint keine leichte Aufgabe zu sein, sich
Abkürzungen auszudenken und ihnen im Nachhinein eine Bedeutung
aufzuzwingen. Titel wie „High Altitude Warfare – Experimental
Squadron“ („H.A.W.X.“) entstehen sicher nicht in irgendeiner
Mittagpause. Und Tom Clancy wird sich diesen Namen wohl auch nicht
ausgedacht haben. Aber sei´s drum: Diesem Thema werden wir uns bei
Gelegenheit mal in einem zehnseitigen Special widmen. Jetzt steht
„H.A.W.X. 2“ auf dem Programm, das kürzlich eine Zwischenlandung im
Krawall-Büro einlegte.
Im zweiten Teil verschlägt es die Helden mit ihren fliegenden
Hightech-Kisten in den Mittleren Osten. Vor Ort sollen sie einige
Rebellenführer samt Anhängerschaft beseitigen und dem mysteriösen
Verschwinden nuklearer Sprengköpfe auf den Grund gehen. Dieses
hanebüchene Bedrohungsszenario erlebt ihr aus der Perspektive
dreier Fraktionen. Neben den H.A.W.X. betreten noch russische und
britische Fluggeschwader die Himmelsbühne.
Auf eine besonders packende Dramaturgie solltet ihr auch beim
zweiten Teil nicht hoffen. Wie beim Vorgänger scheint das Team von
Ubisoft Rumänien lediglich auf ein paar mickrige Zwischensequenzen
zu setzen, die die einzelnen Kapitel lose miteinander verknüpfen.
So gesehen ist also alles beim Alten geblieben.
Weiterhin leichtgängig, aber schwieriger
Das lässt sich auch von der eingängigen Arcade-Steuerung des
Sequels behaupten, die sogar Genre-Noobs schnell beherrschen
dürften: In Windeseile schaltet ihr den nächstgelegen Feind per
Zielsuch-System aufs HUD, egal ob dieser sich am Boden oder in der
Luft befindet.
Anschließend nehmt ihr den Feind genauer ins Visier, wartet, bis
das Fadenkreuz sich rot färbt, und feuert die ausgewählte Waffe ab.
Doch ganz so leicht wie im Vorgänger gestaltet sich diese Prozedur
in „H.A.W.X. 2“ nicht.
Die gegnerischen Fliegerasse ergreifen häufiger Gegenmaßnahmen,
indem sie Tauschkörper einsetzen, um eure Lenkraketen vom rechten
Pfad abzubringen. Die beste Taktik gegen derartige
Täuschungsversuche stellt natürlich eine saftige Salve aus dem
Bordgeschütz eures Jägers dar. Aber selbst der Umgang mit diesem
todbringenden Instrument ist nicht mehr ganz so einfach, weil die
Fortsetzung auf die nützliche Vorhalte-Anzeige des Vorgängers
gänzlich verzichtet. Selbst auf normaler Schwierigkeitsstufe muss
man ein Gespür für die feindlichen Flugmanöver entwickeln, um die
Bewegungen der Rivalen vorauszuahnen und das Fadenkreuz
dementsprechend auszurichten.
Etwas mehr Eigenständigkeit ist auch bei den Ausweichmanövern
erforderlich. Das optionale ERS-System kann nicht mehr eingesetzt
werden, um feindlichen Lenkraketen zu entwischen. Stattdessen müsst
ihr nach eigenem Ermessen enge Kurven, Steil- oder Sturzflüge
starten und so Gefahren umgehen. Die Stützrad-Funktion der ERS-Tore
besteht also nur noch darin, euch den Weg zu wichtigen Boden-
beziehungsweise Luftzielen zu weisen. In „H.A.W.X. 2“ muss es sich
dabei allerdings nicht zwangsweise um gegnerische Einheiten
handeln. Bei einer Mission im verschneiten Gebirge des
Nord-Kaukasus dirigierten uns die ERS-Tore direkt ans Heck eines
Tankflugzeugs. Von dort aus mussten wir die MiG-29 zentimetergenau
an den Tankschlauch heranführen, um die luftige Paarung
einzuleiten.
Das Enhanced Reality System erwies sich darüber hinaus noch als
nützliche Hilfe bei Landungsmanövern. Wir mussten beispielsweise
kurzfristig einen Beschützer-Auftrag unterbrechen, um den Jet auf
einem Flugzeugträger zu landen und ihn mit neuen Raketen zu
bestücken.
Anschließend brachten wir die millionenschwere Kriegsmaschine
wieder eigenständig in die Luft. Allzu simulationslastig fiel die
Sache allerdings nicht gerade aus: Triebwerk zünden, beschleunigen
und die Nase hochziehen.
Altbackene Genrekost
Am Himmelszelt verlief dann wieder alles nach dem gewohnten Plan.
Die vier Missionen der Preview-Fassung überraschten uns nicht
gerade mit genre-untypischen Aufgaben. Im mittleren Osten
erledigten wir einen Aufklärer-Job und schalteten Luft- sowie
Bodenziele aus. Beim nächsten Auftrag zerstörten wir feindliche
Bohrinseln samt Verteidigungsstellen. Für Abwechslung sorgte eine
Nachtmission, bei der uns gleißend helle Flugabwehrgeschosse nur so
um die Ohren flogen. Auf einer Höhe von 22.000 Fuß aktivierten wir
den Autopiloten und setzten die Präzisionsraketen ein. Wie in den
AC-130-Missionen von „Modern Warfare“ visierten wir die markierten
Ziele an und schickten die todbringenden Geschosse auf ihren
Weg.
Treffer sehen in „H.A.W.X. 2“ merklich spektakulärer aus als im
Vorgänger. Angeschlagene Jets rasen beispielsweise mit brennenden
Triebwerken zu Boden, bevor sie ihre Einzelteile in einer hübschen
Explosion am Himmelszelt verteilen. An den Gebäudetexturen scheinen
die Entwickler ebenfalls gearbeitet zu haben. Beim niedrigen Flug
über die Städte fielen uns deutlich mehr individuell modulierte
Häuser und weniger detailarme Betonklötze ins Auge als im ersten
Teil. Die Bodentexturen glänzten nicht auf diesem Niveau und
krankten zuweilen an denselben Macken wie im Vorgänger.
Die Wüstenlandschaften im Mittleren Osten sahen aus ein paar
tausend Metern Entfernung noch knackig aus, matschten allerdings
aus nächster Nähe ordentlich den Bildschirm zu. Übersichtlicher,
oder sagen wir eher eingeschränkter wirkte hingegen die Menüführung
von „H.A.W.X. 2“. Die drei Modi Freiflug, Überleben und Arcade
waren in der Preview-Fassung gesperrt, und bei den vier
Story-Missionen mussten wir mit vorgegebenen Flugzeugtypen wie der
FA-18E Super Hornet und der F-35 Lightning II vorliebnehmen.
Außerdem war es unmöglich, zwischen den Aufträgen die hart
verdienten Erfahrungspunkte, die man für Abschüsse und erfüllte
Missionsziele kassiert, in neue Waffensets zu investieren. Bei der
finalen Verkaufsversion wird dies mit Sicherheit anders sein. Wir
verwetten unsere zuckersüßen Knackärsche darauf, dass Ubisoft
Rumänien das Belohnungs- und Rangsystem aus dem Vorgänger in
„H.A.W.X. 2“ übernehmen wird. Falls nicht, dann werden wir ab dem
Release Anfang September wohl häufiger mit dem Rücken zur Wand zur
Arbeit gehen müssen.
Bis jetzt erfüllt „H.A.W.X. 2“ die Anforderungen an eine
verbesserte und aufgebohrte Fortsetzung größtenteils. Zugegeben,
die Story rührt nicht gerade zu Tränen und wird gewohnt hölzern
präsentiert, aber am Spielkern hat das Bukarester Team die
passenden Veränderungen vorgenommen. Die Möglichkeit zu landen und
zu starten ist eine nette Dreingabe, ohne aus dem arcadigen
Action-Titel gleich eine Simulation zu machen. Die verbesserte
Gegner-KI und die Limitierung der ERS-Funktionen machen die
Dogfights spürbar anspruchsvoller.
Lediglich in puncto Missionsdesign sind wir noch skeptisch. Nur
einer der vier Aufträge stellte uns vor eher untypische Aufgaben.
Der Rest entsprach biederen Genrekonventionen à la „Schalte so und
so viele Gegner aus“ oder „Beschütze dieses Objekt“. Doch um sich
von der überschaubaren Konkurrenz abzusetzen, muss „H.A.W.X. 2“
schon etwas mehr Kinnlade-runter-Momente auffahren.
Quelle/Artikel
© Cyber Research Systems Corporation