Geschrieben: 27 Juli 2022 00:50
Blu-ray Starter
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Angesprochen, auf den am
Unterarm tätowierten Namen und dessen Geschichte entgegnet Ryan
Gosling kühl, dass dieser wohl nicht glücklich gewesen sein müsse
in der Situation, in der er sich befände. Würde diese Frage Albert
Camus gestellt werden wäre mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit die Antwort eine ganz und gar andere. In Camus
Vorstellung ist der auf den Unterarm aufblitzende Name Sisyphos ein
glücklicher Mann gewesen, nicht zuletzt stammt von ihm der Satz
„Der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen.“ Der
Streaming Dienst Netflix welcher es mit The Gray Man geschafft hat
seinen eigenen Produktionsbudget Rekord mit unglaublichen 200
Millionen Dollar zu knacken hat mehr gemein mit Camus als den
Aussagen ihres eigenen Bond Abklatsches im 2022er The Gray Man.
Nach „Red Notice“ mit The Rock, Gal Gadot und Ryan Reynolds, „The
Power“ mit Jamie Foxx und „6 Underground“ ebenfalls mit Haus und
Hof Harlekin Reynolds ist nun „The Grey Man“ mit nicht weniger Star
Power auf der Streaming Plattform erschienen. Doch muss man Albert
Camus Werk „Der Mythos des Sisyphos“ gelesen haben um Netflix zu
verstehen?
Wir müssen uns Netflix als ein glückliches Unternehmen
vorstellen…
Sisyphos dazu verdonnert immer und immer wieder denselben riesigen
Stein auf den Gipfel eines Berges zu rollen, der stets auf der
Spitze des Berges nach unten ins Tal rollt, könnte an dieser
Situation verzweifeln. Doch tut er es nicht in den Augen Camus und
dafür gibt es gute Gründe wie der 1933 geborene Camus weiss.
Sisyphos muss jene Gegebenheiten akzeptieren, die er nicht ändern
kann. Er sucht vergeblich nach einem Sinn, kann die ewig gleiche
Handlungsabfolge jedoch hinnehmen und so ein Stück weit seine
Freiheit zurückerobern. Freiheit heißt bei Camus also, über Revolte
gegen die Sinnlosigkeit zu einer Akzeptanz zu finden – und das
Sosein des Lebens anzunehmen. Wer dies verstanden hat kann auch das
absurde handeln des Streaming Riesen verstehen. Immer und immer
wieder versucht das Unternehmen mit viel Geld in der Hand und
vermeintlichen Stars in Hauptrollen etwas sehenswertes, nie
Dagewesenes oder vielleicht sogar als minimal Ziel gutes zu Stande
zu bringen, doch am Ende rollt der Stein wieder zum Anfang zurück.
Als Sinnbild des Scheiterns, dass diese Filme auch immer wieder
tun. Die Häufigkeit mit dem dieser Vorgang wiederholt wird mit dem
immer gleichen Ergebnis muss also zwangsläufig damit zusammen
hängen das Camus wohl auch in der Vorstandsetage von Netflix
gelesen wird
.Der Stein, den die beiden Brüder Russo hier versuchen auf den
Gipfel zu rollen beginnt dabei klassisch mit einer 10-minütigen
Vorstellung des Hauptakteurs Court Gentrys von Ryan Gosling
gespielt. Dem eine zweite Chance in Aussicht gestellt wird ein
neues Leben zu beginnen außerhalb der Gefängnismauern im Falle CIA
Beitritts um von nun an ein Leben im Schatten zu führen. Soweit so
unspektakulär. 18 Jahre später passiert was passieren muss- Gentry
fällt in Ungnade, wird fortan von Lloyd Hansen (Chris Evans) um die
halbe Welt gejagt, achso ja und Tiefe Wasser Ana de Armas ist auch
noch neben diversen schicken Audis in einer Nebenrolle zu
entdecken…
Geographische Irrungen und Wirrungen
Dabei werden mehr Länder im Minuten Takt bereist als Länder bei
einer Fußball Weltmeisterschaft teilnehmen. Von London über Baku
hin zu Bangkok und wieder nach Washington retour. Visualisiert
durch Tafeln fett im Bild. Wobei das Ganze auch keine besondere
Rolle zu spielen scheint wo genau auf der Welt sich unsere
Geschichte gerade abspielt hat der Zuschauer doch eher damit zu
kämpfen was im Detail sich in den einzelnen Ländern überhaupt
zuträgt. Zu schnell verliert man nicht nur den Überblick über all
die Länder, welche bereist werden, sondern auch im Detail ist oft
nicht zu ermitteln wo genau Gosling steht und aus welche Richtung
Gegner oder Verbündete kommen. Orientierungslosigkeit ist die
Folge. Da dies sehr davon abhängt wie die Kamera das menschliche
Auge führt und sich daraus eigentlich eine Orientierung ergeben
müsste ist der Zuseher unfreiwillig Opfer dieser Schlamperei ohne
die Chance sich zu wehren, aber auch hier gilt alles anzunehmen um
nicht zu verzweifeln. Übersichtlichkeit oder der geographische
Standpunkt zahlen sich immer aus. Wenn es dann doch dazu kommt,
dass sich Menschen gegenüberstehen passiert nicht viel was über
Steven Segal Spätfilme hinausgeht, schnelle Schnitte, Schläge, die
nicht spürbar sind, mancher Schlag sogar zudem noch die Frage
aufwirft ob eine Bud Spencer Schlägerei realistischer wirkt. Wenn
John Wick in seiner ganz eigenen Kampf Ästhetik noch den versuch
unternimmt das Genre über die Grenzen hinweg den üblichen
Faustkampf zu revolutionieren ist in The Gray Man weder der Versuch
unternommen worden eine gewisse Ästhetik zu etablieren noch macht
das Gekloppe Spaß beim Zusehen. Hier Schmerzen nicht Hiebe im
Nahkampf, sondern die unambitionierte Choreographie die zum
Lückenfüller zwischen immer wiederkehrenden Straßen Schießereien
die wie die halbfett varianten klassischen Vorbilder wie Heat
wirken.
Das Echte
Vieles das beim vermeintlichen eindreschen auf Männerkörper schon
unangenehm ins Auge sprang setzt sich beim explodieren von
Flugzeugen, dem Zerstören von Häuserwänden oder zerbersten von
Inneneinrichtungen fort. Es fühlt sich immer unecht an. Im Laufe
der Handlung wird in einem Flugzeug randaliert, geschupst und
geballert bis schlussendlich sogar Turbinen platzen und Seitenwände
fehlen. Nur wirkt alles nicht greifbar, nicht gefährlich genug um
den Adrenalin Spiegel des Zusehers eine wenig in die Höhe zu
treiben weder wie schon anfangs erwähnt gut choreographiert, am
Ende nimmt man es hin, weil einem wie Camus Sisyphos wohl nichts
anderes übrig bleibt um noch halbwegs gute Laune für die zweite
Stunde zu haben und nicht abzuschalten. Wenn im großen Set Peace in
Prag Häuserwände und Menschen in Mitleidenschaft gezogen werden
bessert sich weder Adrenalin Spiegel noch Laune- so vermag das Auge
die meiste Zeit nicht zu erkennen was im CGI Gewitter Phase
ist.
Gosling vs. Evans. Stellt euch vor was wir daraus alles zaubern
können? So oder so ähnlich wohl die Anfangsidee einiger findiger
Schreiberlinge im Netflix Ideenhaus, doch nun weicht der
anfänglichen Euphorie das blanke Grauen. Gosling mit Drive, Only
God Forgives oder auch Blade Runner 2049 auf dem Berg angekommen
erlebt hier sein persönliches Sisyphos Dilemma ohne dabei glücklich
sein zu können. Die Figuren die er stehts mit Leben zu füllen
vermag leben vom Ausdruck oder wie Camus sagen würde „Sogar das
Schweigen ist sinnvoll, wenn die Augen sprechen.“ Wortkarge aber
dafür unter der Oberfläche prodelnden Charaktere die immer wieder
die Kinolandschaft bevölkern. In den falschen Händen besser gesagt
gefangen im falschen Drehbuch wirkt selbst Gosling wie ein
verzweifelter Versuch Bond für die Greta Generation etablieren zu
wollen. Wobei Evans in den Händen der Russo Brüder keine bessere
Figur abgibt, was nicht allein Evans Schuld zu scheinen ist, den
sichtlichen Spaß an der Rolle ist ihm anzumerken. Darf er hier auch
mal anders wie in den Russo Captain Amerika Filmen auch mal
grinsen. Bei aller Hingabe zur Rolle macht ihm das Drehbuch einen
großen Strich durch die Rechnung. Zu anfangs eingeführt als
grenzüberschreitender Irrer ohne Moral und Anstand degradiert ihn
das Drehbuch dazu ständig aus irgendwelchem Kommando zentralen,
irgendwelchen Bounty Huntern Formationen befehle zu geben. Das
zuvor an allerorts verhallendes Gerede vom üblen Zeitgenossen mit
Hang zum Narzissmus bleibt bloße Behauptung bis zum Schluss.
Schnauzbart und farbige Polos als Standard Accessoires in allen
Ehren aber ein Bärtchen macht noch keinen Irren!
Am Ende des Tages bereiten die vielen kleinen Ungereimtheiten in
The Gray Man einem ein so großes Ärgernis, das sich ein ständiges
Augenrollen zum Begleiter über die Filmlänge hin etabliert. The
Grey Man hegt nicht den Anspruch an sich selbst im Realismus
verankert zu sein, so ist man Fine damit, dass Gosling auf gut
Glück ohne Fallschirm aus einem Flugzeug springt um es James Bond
gleich zu tun (Da is er wieder der Vergleich) einem anderen, jenen
im Sinkflug abzunehmen. Der Suspension of disbelief stellt sich
dennoch ein, wenn Sätze fallen wie „Warum hast du mir eine
ungeladene Waffe zugeworfen, ich hätte ihn erwischt!“ „Wer wirft
den eine geladene Waffe.“ Fallen. Oder ein als Lebensversicherung
gepanzertes Vehikel zur Flucht ausgerechnet in den auffälligen
Farbe Rot lakiert sein muss, ja schon klar ein roter Audi sieht
besser aus als ein grauer Volvo. Böse Buben Einheiten die Häuser
nur von einer Seite umstellen nur damit Gosling die Flucht gelingen
kann. All das mag nicht in diese behauptete Welt passen. So halten
wir nach den Endcredits am besten in Erinnerung das „die höchste
Form der Hoffnung die überwundene Verzweiflung ist“ um weiter zu
hoffen das Netflix eines Tages sehr unglücklich wird mit dem was
sie und Sisyphos tun. Sich von Camus Sichtweisen abkehren und etwas
erschaffen welches sich nach 200 Millionen Dollar anfühlt und
aussieht. Der Zuseher sich nicht fragen muss, wo das Geld denn hin
sein, im Film sieht man es nicht. Die Netflix Formel, viel Geld
plus Starpower ist ein weiteres Mal furios gescheitert, wenn man
kein Anhänger Albert Camus ist.