Geschrieben: 07 Juli 2022 16:11
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Michael Speier youtube.com/MichaelSpeier
Film: 7/10
Bild: 8(10
Ton: 10/10
Ausstattung: 7/10
Nach dem folkloristischen Horrorfilm „The VVitch – A New England
Folktale“ und dem lovecraftesken Schauerstück „Der Leuchtturm“
widmet sich Ausnahmeregisseur Robert Eggers nun den nordischen
Mythen und Sagen der Wikinger. Was das mit Alexander Skarsgård,
Anya Taylor-Joy, Nicole Kidman, Willem Dafoe und Ethan Hawke
hochkarätig besetzte Historienepos, welches sowohl in HD-Auflösung
auf Blu-ray Disc, sowie obendrein auf 4k-UHD-Blu-ray in den Handel
kommt, inhaltlich zu bieten hat, und wie sich die uns überlassene
Testdisc in technischer Hinsicht schlägt, klärt die nun folgende
Rezension.
Film:
Island um das Jahr 1000. Wikingerprinz Amleth (A. Skarsgård) musste
einst die Ermordung seines Vaters (E. Hawke) durch seinen Onkel
Fjolnir (C. Baeng) mit ansehen. Er schwor Rache und plante von
Kindheit an seine Rückkehr in seine Heimat. Nun ist es so weit und
gemeinsam mit der mysteriösen Kriegerin Olga (A. Taylor-Joy)
versucht er seinen Schwur einzuhalten und zudem seine Mutter Gudrun
(N. Kidman) zu retten ...
Sowohl die Inhaltsangabe als auch der Name der Hauptfigur lässt den
Verdacht aufkeimen, dass es sich hier um eine Abwandlung von
Shakespeares klassischem Drama „Hamlet“ handelt, allerdings ist
dies nicht die ganze Wahrheit. Die Grundidee von Robert Eggers
neuem Werk fußt auf den Niederschriften des Historikers Saxo
Grammaticus, welche zwar auch Shakespeare inspirierten, allerdings
entstand die Geschichte um den Dänenprinzen deutlich später und ist
– nicht nur in der Menge an Dialogen, Wendungen und Tragik –
deutlich ausufernder als die hier vorliegende Geschichte.
Nichtsdestotrotz ist der Grundstein der Gleiche. Darüber hinaus
sind auch deutliche Parallelen zur ersten Filmadaption von Robert
E. Howards „Conan“ nicht von der Hand zu weisen. Und alle drei
Geschichten haben eine große Gemeinsamkeit, denn überall geht es im
Kern nur um eines: Rache! So verhält es sich auch hier, denn, wenn
man die Handlung von „The Northman“ auf das wesentliche
herabbricht, dann bleibt nur dieses eine Wort übrig. Wer also eine
ausgefeilte Story, tiefgründige Dialoge oder gar einen tieferen
Sinn erwartet, der wartet vergeblich.
Darin unterscheidet sich „The Northman“ von Eggers bisherigen
Werken, denn dort wurde dem Zuschauer nur ein Teil von dem gezeigt,
was wirklich passierte, oder eben nicht. Sowohl „The VVitch“ als
auch „Der Leuchtturm“ verstanden sich eher als Kunstwerke, die dem
Zuschauer selbst überließen, was sie glauben wollten und was nicht.
„The Northman“ bleibt derweil sehr deutlich und lässt kaum
Möglichkeiten etwas falsch zu verstehen. Vielmehr zeigt er ein sehr
authentisches Bild der damaligen Verhältnisse. Der Glauben, die
Ethik und auch die Lebensweise der Wikinger werden hier, besser als
jemals in irgendeinem Film vorher, in schonungslosen Bildern auf
die Leinwand gebracht. Das bedeutet auch, dass die gezeigten
Bilder, trotz wunderschöner Kulissen, überwiegend ungemütlich,
beklemmend und mitunter sehr brutal und blutig ausgefallen sind,
und dass die Protagonisten, sofern man Amleth als solchen
bezeichnen möchte, eine andere Wertvorstellung und Weltanschauung
haben, in der das Leben von anderen quasi nichts wert ist, während
man das Leben der seinen bis aufs Blut verteidigen und notfalls
rächen muss. Aus heutiger Sicht zumindest ambivalent, aber wie sagt
man so schön: Die Zeiten ändern sich. Obendrein bemüht sich Eggers
nicht genug, um seinen Figuren Persönlichkeit oder Charakter zu
verleihen, was eine Identifikation nur bedingt zulässt. Allerdings
lässt er sich viel Zeit, um seine Geschichte zu erzählen, und
dadurch kommt es hie und da leider zu einigen Längen, die zwar mit
herrlichen Bildern aufwarten, aber dem Publikum auch einiges an
Geduld abverlangen.
Neben der sehr authentischen Inszenierung (wie authentisch wird im
Bonusmaterial veranschaulicht), welche die dargestellte Zeit bis
ins Detail genau wiederzugeben versucht, sind vor allem die
darstellerischen Leistungen hervorzuheben. Hauptdarsteller
Alexander Skarsgård macht zum einen körperlich eine verdammt gute
Figur (und empfiehlt sich hiermit als legitimer Nachfolger für
Arnold „Conan“ Schwarzenegger), ist zum anderen aber auch ein
hervorragender Mime, womit er in einem Atemzug mit seinen ebenfalls
im Filmgeschäft tätigen Familienmitgliedern genannt werden muss.
Ohne viele Worte (wie einst Arnie) versteht er es, mittels Mimik
und Körpersprache keine Zweifel an seinen Gefühlsregungen zu
lassen. Fantastisch. Auch Nicole Kidman punktet mit der seit Jahren
besten darstellerischen Leistung ihrerseits, und auch Eggers
frühere Stars Willem Dafoe und Anya Taylor-Joy brillieren wieder in
außergewöhnlichen Rollen, wobei speziell Dafoe seinem Affen
ordentlich Zucker gibt. Kurz gesagt: The Northman bringt das
Arthouse-Kino mit Blockbuster-Elementen zusammen und ist deutlich
gemeinverträglicher als seine früheren Werke, allerdings bedingt
dadurch auch wesentlich weniger tiefgründig und interessant. Wer
damit klarkommt, und die Gewalt nicht scheut, der kommt hier
absolut auf seine Kosten. Trotzdem sollte man stets im Hinterkopf
behalten, dass auch "The Northman", trotz der Thematik, kein
Mainstream-Film ist.
Bild:
Das Bild liegt im Ansichtsverhältnis von 2.00:1 vor, womit Robert
Eggers und sein Stammkameramann erneut ein nicht unbedingt gängiges
Format wählten, dass sich primär nach der erzählten Geschichte
richtet. Während „Der Leuchtturm“ noch, passend zur
klaustrophobischen Handlung, in engem, fast quadratischem 1,19:1
über die Leinwände und Bildschirme flimmerte, breitet sich „The
Northman“ auf dem Bildschirm aus. Die Schärfe ist recht wechselhaft
und punktet vor allem im Nahbereich mit einer enormen
Detailsichtbarkeit, in Landschaftsaufnahmen, in der Halbtotalen und
in dunklen Szenarien wird es hingegen schon mal etwas weicher und
hin und wieder sogar „matschig“. Die Farben sind überwiegend sehr
zurückgenommen, im Vergleich zu „Der Leuchtturm“, der komplett auf
Farbe verzichtete, bekommen wir hier aber immer wieder mal starke,
kräftige Zwischentöne zu sehen, welche aufgrund des recht grauen
Gesamtbilds umso mehr ins Auge fallen. Der Kontrast ist überwiegend
gut eingestellt, kränkelt allerdings in dunklen Bereichen mit einem
nicht immer ganz optimalen Schwarzwert. Grundsätzlich kann man
sagen, dass der Film, trotz einiger unter Umständen subjektiv
wahrgenommener Mängel, hervorragend ist und perfekt zum Film passt,
der sich ebenfalls in einer etwas anderen Art präsentiert.
Ton:
Während das Bild aus rein technischer Sicht noch etwas zu wünschen
übrig lässt, kann die blaue Scheibe in puncto Akustik vollends
überzeugen. Sowohl die englische Originaltonspur als auch die
deutsche Synchronfassung liegen in Dolby Atmos (Dolby TrueHD 7.1
Kern) vor und klingen phänomenal. Die Dynamik ist hervorragend und
bringt selbst dezente Nebengeräusche gut zur Geltung, während es in
den Kampfszenen ordentlich zur Sache geht und eine Soundkulisse
geboten wird, die ihresgleichen sucht. Dabei werden sämtliche
Kanäle in einem ordentlichen Umfang und sinnvoll ins Geschehen
integriert, ohne dass der Eindruck entstehen würde, man wolle nur
sinnlos die Muskeln spiele lassen. Wenn hier das sprichwörtliche
Unwetter aufzieht und der Donner mächtig aus allen Boxen grollt,
dann schaut man unweigerlich aus dem Fenster um nachzusehen, ob
nicht wirklich die Welt untergeht. Untermalt wird das Ganze von
einem beeindruckenden Soundtrack, der ebenfalls sehr authentisch
und mit entsprechenden Instrumenten eingespielt wurde. Hier ist es
ein wenig tragisch, dass man keine Soundtrack-Only-Tonspur als
Bonus mitgegeben hat, wie es bei manchen Filmen oder Serien der
Fall ist.
Ausstattung:
Das Bonusmaterial besteht aus einem sehr informativen
Audiokommentar mit Regisseur Robert Eggers, sowie einigen
Featuretess, welche zum einen anschaulich machen, welche Mühen man
auf sich genommen hat, um den Film so realistisch und authentisch
zu machen wie er ist, und zum anderen verschiedene Aspekte der
Drehorte, der Figuren und der Hintergründe näher beleuchten.
Abgerundet wird das ganze durch ein paar entfernte Szenen, die man
zwar auch gut im Film hätte lassen können, allerdings wäre er
dadurch noch länger und möglicherweise zäher geworden.
Fazit:
Dass Roger Eggert keine Filme für die Allgemeinheit macht, dürfte
inzwischen hinlänglich bekannt sein. Dennoch präsentiert sich „The
Northman“ deutlich eingängiger als seine vorherigen Filme. Die
Handlung ist simpel aber mitreißend, wenn auch im Mittelteil etwas
zu lang und ohne echte Identifikationsfigur. Ausbrüche brutaler
Gewalt treffen auf langsame, gemächliche Kamerafahrten – Arthouse
trifft auf Mainstream. Wer einen authentischen und realistischen
Wikingerfilm sucht, der wird vermutlich keinen besseren finden als
diesen hier. Technisch sieht es ähnlich aus, denn das Bild ist
nüchtern-technisch betrachtet nicht optimal, passt aber perfekt zum
Thema und soll mutmaßlich genauso aussehen wie es aussieht. Die
Akustik ist hingegen über jeden Zweifel erhaben und punktet auf
ganzer Linie und auch das umfangreiche und informative
bonusmaterial kann sich sehen lassen. Dennoch sei an dieser Stelle
nochmals explizit darauf hingewiesen, dass der Film sich für den
Durchschnittsgucker nur bedingt eignet, da Eggers Herangehensweise
nicht nur sehr realistisch, sondern eben auch sehr ruhig und
bedächtig ist.