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Michael Speier youtube.com/MichaelSpeier
Story:
7/10
Bild:
6/10
Ton:
8/10
Ausstattung:
1/10
Einleitung:
Christopher Lee war für viele
Filmfreunde die ultimative Inkarnation des Grafen Dracula. Nach
seinem ersten Auftritt als Vampirfürst in „Dracula“ (The Horror of
Dracula) im Jahr 1958 schlüpfte der hochgewachsene Mime noch sechs
weitere Male für Hammer in diese Rolle, war aber nie wirklich
glücklich damit. In „Draculas Rückkehr“ aus dem Jahr 1968
verweigerte er sich sogar irgendwelche Dialoge zu sprechen, weil
sie ihm angeblich zu dümmlich erschienen. 1970 kamen sogar gleich
drei Filme mit ihm in der ikonischen Rolle in die Kinos: „Wie
schmeckt das Blut von Dracula?“, Nächte des Entsetzens“, beide von
Hammer produziert, und ein weiterer, der allerdings nicht in
England von Hammer, sondern in Spanien produziert wurde. Regie
führte Vielfilmer und Regielegende Jess Franco. Franco orientierte
sich, im Gegensatz zu Hammer sehr freien Interpretationen, deutlich
mehr an der Vorlage von Bram Stocker und lieferte die bis dato
Werkgetreueste Verfilmung des berühmten Romans ab. Diese Verfilmung
erscheint nun bei Wicked Vision digital remastert mit restauriertem
deutschen Lichtton und üppig ausgestattet als europäische
HD-Premiere in verschiedenen Mediabook-Varianten. Was der Film zu
bieten hat und wie sich die Blu-ray Disc in technischer Hinsicht
schlägt, klärt die nun folgende Rezension.
Film:
Nachdem der angehende Anwalt Jonathan
Harker bei seinem Aufenthalt im Schloss des Grafen Dracula die
schreckliche Identität seines blutsaugenden Gastgebers erkannt hat,
stürzt er sich in panischer Angst aus dem Fenster. Wieder bei
Sinnen findet er sich in der Klinik des Dr. Van Helsing wieder.
Dieser hat bereits nach Jonathans Verlobter Mina geschickt, die in
Begleitung ihrer Freundin Lucy anreist, um ihrem Liebsten bis zur
Genesung beizustehen. Weder Jonathan noch Van Helsing ahnen, dass
sich der Vampirgraf in dem alten Gemäuer gegenüber der Klinik
eingenistet hat und die Ankunft der jungfräulichen Damen kaum
erwarten kann … (Pressetext Wicked Vision)
Unter Cineasten ist der Filmemacher
Jesús Franco Manera, kurz Jess Franco, berühmt und berüchtigt.
Seine oft in kürzester Zeit und mit geringem Budget abgedrehten
Genrefilme bedienten nicht selten niederste Instinkte und geizten
weder mit „nackten Tatsachen“ noch mit Gewaltausbrüchen. „Nachts,
wenn Dracula erwacht“ hingegen ist ein klassisches Schauerstück,
welches sich – im Gegensatz zu den meisten anderen Verfilmungen des
Stoffes – sehr nah an der Vorlage orientieren. Ja, auch hier merkt
man das minimale Budget an, aber Franco holt das Beste aus seinen
Möglichkeiten heraus. Die Kostüme und Kulissen sind zwar nicht so
ausschweifend wie bei Hammer, die Nebenrollen sind mit Darstellern
besetzt, die direkt dem Laien-Volkstheater entsprungen zu sein
scheinen, und die „Spezialeffekte“ lassen einen eher schmunzeln als
zurückschrecken (Stichwort Fledermaus) aber alles in allem gelingt
Franco ein atmosphärisch dichter, in den Hauptrollen ideal
besetzter und vor allem mit viel Leidenschaft gedrehter
Gothic-Horrorfilm, der vorherige Produktionen weit hinter sich
lässt.
&Auch wenn Christopher Lee zeit
seines Lebens nicht gerne auf die Rolle des Dracula angesprochen
wurde, sind sein Schauspiel und seine Ausstrahlung phänomenal und
stilprägend für viele Nachahmer gewesen. Oft kopiert doch nie
erreicht strahlt Lee in der Rolle eine Bedrohlichkeit und Bosheit
aus, die einem das Blut in den Adern gefrieren lässt. Allein seine
Augen bereiten Alpträume, und Jess Francos Kameramann Manuel Merino
wusste diese gut einzufangen, was er bereits Jahre zuvor in den Dr.
Fu Man Chu Filmen oder dem Inquisitions-Historiendrama „Der
Hexentöter von Blackmoor“ unter Beweis gestellt hatte. Hier läuft
der Lee zur Höchstform auf, und man merkt ihm an, dass er diesmal
mit Leidenschaft bei der Sache war, während seine Darstellung in
den Hammer-Filmen, speziell den späteren, eher den Eindruck
erweckten, er mache dies nur um Rechnungen bezahlen zu können.
Allein die Monologe des adligen Aderlassers, die nahezu 1:1 aus dem
Roman übernommen wurden, liegen dem Darsteller und werden mit viel
Inbrunst und Leidenschaft vorgetragen, dass er jeden anderen
Schauspieler, der diese Rolle bekleidete, blass aussehen lässt. Als
Gegenspieler fungiert Herbert Lom als Professor Van Helsing, der in
seiner Rolle allerdings ein wenig unauffällig bleibt. Ursprünglich
wollte Franco hier Vincent Price besetzen, der allerdings
vertraglich bedingt nicht zur Verfügung stand. Schade, denn hätte
man neben Lee auch noch Price vor der Kamera gehabt, wäre kaum
auszudenken, was dies für ein Grandioser Film geworden wäre. Auch
Klaus Kinski, den man vermutlich primär wegen seines Namens und der
damit verbundenen Skandalwirkung besetzt hatte, bleibt als Renfield
weit hinter seinen Möglichkeiten zurück, zumal seine Leinwandzeit
und seine Dialoge sehr knapp angelegt sind.
Der Film punktet also mit einer
packenden Atmosphäre der permanenten Bedrohung, herrlichen Bildern
und einem Titeldarsteller, der seine Rolle hier besser spielt als
jemals zuvor oder danach. Man sollte sich allerdings immer vor
Augen halten, dass dieser Film nicht mit den zahlreichen
Hammer-Produktionen zu vergleichen ist, die mehr auf ein Mainstream
Publikum abzielten und deutlich bunter, schneller und lauter
inszeniert wurden. Francos „Nachts, wenn Dracula erwachte“ ist im
Vergleich schon fast Arthouse-Kino – langsam, düster und dreckig –
und sollte, wenn überhaupt, eher mit Werner Herzogs
„Nosferatu“-Version mit Klaus Kinski und Bruno Ganz verglichen
werden, doch auch hier ist ein Vergleich nur bedingt zutreffend.
Francos Film steht für sich selbst, und ist – trotz einiger
Unzulänglichkeiten – ein filmhistorisches Schmuckstück, dass man
sich als Cineast nicht entgehen lassen sollte.
Bildqualität:
Das körnige Bild liegt im
Ansichtsverhältnis von Wenn man einen Film wie diesen in den Player
legt, der von einem bekannten Low-Budget-Filmer vor mehr als einem
halben Jahrhundert und suboptimalen Bedingungen auf Zelluloid
gebannt wurde, sollte man nicht erwarten, dass dieser wie ein
großer Studio-Blockbuster von Heute aussieht. Das Bild wurde zwar
hervorragend restauriert, erreicht aber erwartungsgemäß „nur“ Werte
im oberen Mittelfeld. In gut ausgeleuchteten Nahaufnahmen bekommen
wir mitunter einige Details zu sehen, aber alle anderen Bilder sind
eher ein wenig unscharf, aber nie wirklich schlecht. Wenn wir die
rasanten Kamerazooms betrachten, die von etlichen Metern Entfernung
plötzlich bis ganz nah ins Gesicht hineinfahren, dann sehen wir
auch schon, wo der Hund begraben liegt. Die Farben sind ebenfalls
sauber und ordentlich, allerdings ein wenig zurückhaltend und nicht
immer ganz natürlich. Auch wenn die Bildqualität nicht immer ganz
optimal ist, wurde mutmaßlich das Beste aus dem Ausgangsmaterial
herausgeholt, aber man kann einen Kuchen nun einmal nicht neu
backen, ohne dessen Rezeptur komplett zu verändern. Altersbedingte
Mängel wurden nahezu komplett entfernt. Die Einzige Ausnahme bilden
hier einige Szenen, die hier nachträglich wiedereingeführt wurden.
So ist etwa die Szene relativ am Anfang, in der eine Mutter flehend
die Herausgabe ihres Kindes von Dracula erbittet, sofort vom
restlichen Bildmaterial zu unterscheiden. Die Farben flackern hier
minimal und wir bekommen Kratzer und Beschädigungen zu sehen,
allerdings halten sich diese in Grenzen und Stören nur wenig. Die
Gesamtwertung dieser Rezension wurde durch diese Szenen auch nicht
beeinträchtigt.
Tonqualität:
Die deutsche Synchronisation sowie
der englische Ton liegen jeweils in dts-HD Master Audio 2.0 auf der
Disc vor. Optional lassen sich deutsche und englische Untertitel
hinzuschalten. Kommen wir zunächst zur deutschen Synchronfassung.
Hier wurde der deutsche Lichtton verwendet und die Qualität ist
grundsätzlich sehr gut. Die Dialoge sind jederzeit glasklar zu
verstehen, die Musik klingt harmonisch und die Hintergrundgeräusche
sind in einem sehr guten Verhältnis abgemischt. Die Tonspur ist
zwar etwas leise, aber das lässt sich ja problemlos mittels
Lautstärkeregler einstellen und stellt daher kein nennenswertes
Manko dar. Auch hier gibt es keinerlei Altersmängel wir Knarzen
oder Rauschen zu bemängeln, und die deutsche Synchronisation, die
unter der Regie von Dietmar Behnke nach einem Dialogbuch von Fritz
A. Koeniger bei der renommierten Berliner Synchron GmbH Wenzel
Lüdecke in Berlin angefertigt wurde, lässt viele bekannte und
beliebte Sprecher seiner Zeit erklingen. Friedrich W. Bauschulte
lieh Paul Muller in der Rolle des Dr. Seward seine Stimme, Klaus
Miedel spricht Herbert Loms Part als Professor Van Helsing und für
Fred Williams als Jonathan Harker ergriff Joachim Kemmer das Wort.
Über Christopher Lee als Dracula erklingt Wilhelm Borchert, der
zwar eine hervorragende Synchronarbeit leistet, aber wenn wir hier
aus Interesse oder Leidenschaft einmal auf den Originalton
schalten, fährt uns Lees Originalstimme, welche ihren Text mit so
viel Leidenschaft vorträgt, in Mark und Bein, dass wir kaum noch
zur deutschen Synchronfassung – so gut sie auch sein mag –
zurückkehren möchten. Qualitativ ist die englische Fassung auch ein
wenig besser, oder zumindest klarer und lauter, abgemischt, hat
allerdings ein paar Probleme mit den hohen Tönen, die mitunter ein
wenig zu spitz klingen. Dafür sind die Dialoge hier ebenfalls
glasklar verständlich, was bei Filmen aus dieser Zeit fast schon
eine Seltenheit ist. Zur Hilfe lassen sich ja auch noch die
deutschen Untertitel hinzuschalten, die sich übrigens nach dem
Originaltext und nicht nach der Synchronisation richten. So spielt
die Handlung nach Jonathans Flucht aus dem Schloss nicht in
Budapest, sondern in London – auch wenn einige Fragen aufkommen,
wie Harker dort hingekommen sein mag.
&
Ausstattung:
Kaum zu glauben, aber wahr: knapp 15
Stunden Bonusmaterial warten bei dieser Veröffentlichung auf den
interessierten Kunden. Und dabei handelt es sich keineswegs um
irgendwelche überflüssigen Clips und Filmchen, sondern um
informative, teilweise exklusives Material, welches dem Zuschauer
tiefe Einblicke in den Film, dessen Entstehung und den
Nachwirkungen erlaubt. Den Anfang machen gleich drei
Audiokommentare, von denen gleich zwei in deutscher Sprache
vorliegen. Zum einen philosophieren die beiden Filmwissenschaftler
Dr. Rolf Giesen und Dr. Gerd Naumann über den Film, die anderen
Filme Francos und die weiteren Dracula-Adaptionen, schweifen aber
auch hin und wieder ein wenig ab. In einem weiteren, ebenfalls
deutschsprachigen Kommentar kommen Jonathan Harker Darsteller Fred
Williams und Peter Blumenstock zu Wort. Williams gibt in dem
Featurette „Handsome Harker“ darüber hinaus auch ein ausführliches,
fast halbstündiges Interview zu seinen Erfahrungen. In einem
weiteren, englischsprachigen Kommentar erzählen Mina Darstellerin
Maria Rohm und David Del Valle, was ihnen zu dem Film einfällt. In
„Stake Holders“ würdigt „Pakt der Wölfe“ und „Silent
Hill“-Regisseur Christophe Gans dem Film. Ein weiteres Highlight
ist das von Christopher Lee phänomenal vorgelesene und mit Musik
und Geräuschen unterlegte „Hörbuch“ von Bram Stockers Roman,
welches sich ebenfalls als Audiospur über dem Film abspielen lässt
– allerdings passt der Ton leider nicht zu dem, was wir zu sehen
bekommen. Ideal wäre gewesen, wenn man dieses Feature anders
gestaltet hätte, etwa mit Bildern aus dem Film oder einer Art
„Kaminfeuer“ als Hintergrund. So lenken Bilder und Worte ein wenig
voneinander ab. All diese Boni finden sich sowohl auf der Blu-ray
Disc, als auch auf der DVD mit dem Hauptfilm. Darüber hinaus liegen
dem Set noch eine weitere Bonus-DVD, welche weitere Interviews mit
Jess Franco, Jack Taylor, die Super-8-Fassung des Films und
haufenweise Werbematerial enthalten. Die vierte Disc beinhaltet den
während der Dreharbeiten entstandenen Semi-Dokumentarfilm „Cuadecuc
Vampir“, sowie die spielfilmlange Dokumentation „Dracula Barcelona“
im Originalton mit optionalen deutschen und englischen Untertiteln.
Ein Rundum-Sorglos-Paket das für sich genommen bereits den Kauf
rechtfertigt.
Fazit:
Das 4-Disc-Mediabook von Wicked
Vision präsentiert den Film von Jess Franco ist bestmöglicher Bild-
und Tonqualität – was nicht bedeutet, dass man hier ein Wunder
erwarten sollte. Es wurde das Optimum aus den Möglichkeiten
herausgeholt, allerdings sollte man auch immer im Hinterkopf
behalten, dass der Film vor über einem halben Jahrhundert mit
geringem Budget unter nicht ganz optimalen Bedingungen entstanden
ist. Mehr darüber erfährt der geneigte Cineast im mehr als
umfangreichen Bonusmaterial, welches wirklich überhaupt keine
Wünsche mehr offenlässt.
Die Verfilmung des berühmtesten
Vampirromans aller Zeiten ist selten so werkgetreu und unheimlich
inszeniert worden wie hier von Jess Fraco. Mit Christopher Lee
steht zudem DER Dracula vor der Kamera, und er liefert hier seine
beste Leistung innerhalb dieser Rolle ab, die er für Hammer so oft
gespielt hatte und spielen würde. Atmosphärisch dicht, packend und
unheimlich – dieser Film ist der Stoff aus dem die Alpträume sind
und nicht nur Vampir-Liebhaber kommen hier voll auf ihre Kosten.
Mit den zahlreichen Hammer-Verfilmungen kann man Francos Werk
allerdings nicht einmal ansatzweise vergleichen. Wenn Hammer
Mainstream war, ist Franco Arthouse.