Geschrieben: 24 Apr 2022 19:11
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Als Michael Bays erster abendfüllender Spielfilm mit dem
Titel Bad Boys- Harte Jungs, 1995 das Licht der Cineplex erblickte,
erschien im selbigen Michael Manns Master Peace: Heat. Damals war
Michael Bay 30, ebenfalls fast 30 Jahre später viel irgendwann in
Bays Hirnwindungen die Entscheidung, das jenem vor langer Zeit
gedrehtem Film mit Robert de Niro, indem der legendärsten Shootout
in einer Innenstadt zelebriert wurde noch etwas Entscheidendes
fehlte. Etwas aufregendes Neues um ihn in die heutige Zeit zu
transformieren. Etwas was zu dieser Zeit nur schwerlich umsetzbar
war. Etwas dachte sich Michael Bay was diesen Shootout noch runder,
fantastischer und spannender machen würde. Was dieses etwas war ist
schon nach wenigen Sekunden in Ambulance als etabliertes Stilmittel
zu identifizieren: Der Drohnenflug.
Baymania Overkill
Doch nur weil man etwas Stand der Technik kann, muss man es nicht
gleich tun. Die Drohne, mit derer Augen wir die Welt des Michael
Bay erforschen, entpuppt durchaus als erfrischendes Gimmick.
Wandelt sich im Laufe der fortschreitenden Filmlänge zur
überdrüssigen Spielerei ohne Mehrwert für den Zuschauer. Den
Überblick des Geschehens den der Zuschauer allzu oft in seinen
früheren Werken verliert bleibt in Ambulance dankenswerterweise
erhalten. Warum aber eine gut gewählte Kamera Positionierung, so
essentiell für das unterstreichen von Stimmungen und bilden einer
Atmosphäre ist führt uns Ambulance mit aller Gewalt brutal vor
Augen. Hier verkommt die Kameraführung zum Spektakel für die Augen.
Was anfänglich noch Interesse weckt ob der neuen Möglichkeiten
gerät schnell zu nervigen oder ermüdenden Begleiterscheinung. Die
Dosis der Droge macht das Erlebnis, hier steht sie in einem
unangenehmen Verhältnis von rotierender wilder Kamerafahrten und
Bildern die allein für sich sprechen. Wie man eine mobile, sich
ständig bewegende, Hochhaus runter, Hochhaus runter Kamera mit
Emotionen verknüpft wird am deutlichsten spürbar in Gaspar Noes
Irreversible. Tony Scott hätte seine wahre Freude am immer
wiederkehrenden heran und rauszoomen. Es stellt sich nun die Frage
was vorher da war, Die Drohne oder die Idee zu einem Film dieser
Art. Der Verdacht legt nahe: Die Drohne.
Dauerwerbesendung
Ob sich Michael Bay die zu Anfang erwähnte Shootout Szene nun
wirklich selbst neu zusammenbasteln wollte mit seiner ganz
persönlichen Note oder bleibt Spekulation, sicher ist nur das
Ambulance lose auf einem dänischen 75 Minüter basiert. Indem es
sich um zwei Bruder handelt, die eine Bank überfallen, um mit dem
geraubten Geld ihrer Mutter eine lebenswichtige Behandlung zu
ermöglichen. Geflüchtet wird in einem Krankenwagen. Diese Idee des
dänischen Regisseurs Laurits Munch-Petersen dehnt Michael Bay in
seinem quasi Remake auf 136 Minuten aus. Was natürlich nicht ohne
Folgen bleibt denn die lange Laufzeit will mit Leben gefüllt
werden. Hier entstehen Probleme die Bay mit Drohnentechnik oder
allerlei technischen Equipment nicht vertuschen kann. Die Grund
Prämisse, Verfolgungsjagd bietet wenig Überraschendes. Mitte des
Films entsteht ein Vakuum, das immer mit denselben Bildern von
zugegebenermaßen schick in Szene gesetzten Dodge Polizeiwagen
handelt die einen Krankenwagen verfolgen. Scheinbar ist die Anzahl
der in LA verübten Delikte, die eine Verfolgungsjagd nach sich
ziehen dermaßen in die Höhe geschossen, dass sich das LAPD
gezwungen sah eine Sonder Abteilung zu gründen die sich nur mit
solchen Delikten befasst. Mit einer Armada an PS starken Dodge die
nicht besser in einem Werbespot erstrahlen könnten platziert hier
Bay wieder einmal mehr eine prominente amerikanische Automarke.
Hier zeigt sich das Händchen des Bay für Werbeclips.
Gefühlskino
Am besten wird deutlich welche Atmosphäre hier kreiert wird, wenn
man es wie ein Protagonist im Film schon anmerkte mit einer GTA
Verfolgungsjagd auf 5 Sterne vergleicht. Immer den Fuß auf dem
Pedal, keine Verschnaufpausen, keine Gnade. Erfrischend neu scheint
in Bays Repertoire die eingeflochtene Sozialkritik an den
Verneigten Staaten von Amerika, So ist es die vom Staat im Stich
gelassene Arbeiterklasse denen er die Daumen festdrückt. Jene die
sich von ihrem, per Grundgesetz verankerten Versprechen des
American Way of life, veräppelt fühlen. Aufrechten Menschen, die
ohne viel Pathos versuchen das Richtige zu tun. Hier scheint es so
als hätte Bay auf seine alten Tage noch etwas mit seinen Filmen zu
sagen, abseits des so gerne von ihm propagierten American Way of
life, der immer im Subtext seiner Filme mitschwingt. Oder dies nur
Fassade? Um uns auf der Gefühlebene auf die falsche Fährte zu
führen? Den Falschen die Daumen zu drücken?
Nehmen wir den angeschossenen Polizisten, der mit den Brüdern,
gespielt von Jake Gyllenhaal (skurril drüber) und Yahya
Abdul-Mateen II (menschelnd) und Eiza González (unterkühlter Megan
Fox Ersatz) der Krankenschwester im Krankenwagen festsitzt. Der
einzige Grund warum die Entführung nicht schon längst gewaltsam
beendet wurde ist jener Polizist, der Kollege. Sein Leben gilt es
zu retten, zu schützen, koste es was es wolle von Seiten der
Polizei aber auch auf Seiten der Entführer Brüder ist man erstrebt
am Überleben des Staatsbeamten, da der Tod Ärger bedeuten würde.
Kollateralschäden wie die von umherfliegenden Autoteilen
getroffenen Passanten oder im Verkehrschaos verletzte
Verkehrsteilnehmer werden dafür gerne in Kauf genommen. Ist das
Leben dieses einen Individuum schützenswerter als das der Passanten
aus Sicht der Polizei? Oder das Leben der auf der Verfolgungsjagd
verstorbenen Polizisten? Hat man als Entführer seine
Daseinsberechtigung als Mensch verwirkt und wird nur noch als
Kollateralschaden verbucht. Als bloße Zahl in einer Datenmenge? Wer
entscheidet zwischen Menschen als Datensatz und dem Menschen aus
Fleisch und Blut? Der menschliche Anker in Ambulance mit dem man
sich identifizieren soll, mitfühlen soll, ist die von Yahya Abdul
gespielte Figur des Kriegsheimkehrers, die scheinbar einem höheren
Ziel dient, der krebs Behandlung seiner Frau. Doch sind es falsche
Gefühle, die uns Bay hier unterjubelt. Es gibt nichts Richtiges im
Falschen. Ein Banküberfall ist niemals eine adäquate Lösung,
leichter fällt scheinbar das Urteil über den manischen Jake
Gyllenhaal zu fällen. Der erst gar nicht darauf hofft das der Staat
im hilft sondern die Dinge selbst in die Hand nimmt. Aber ist es so
einfach mit der Unterscheidung, wer Böses tut, wer nicht? So muss
man doch sehr aufpassen welche Gefühle man entwickelt, Richtig und
Falsch hängt eben nicht an Gefühlen, wie es Bay verkaufen möchte.
So ist das im Film als Manko gekennzeichnete kühlheit der Ärztin
ihrer Professionalität geschuldet. Ohne Distanz oder der
scheinbaren Gefühlskälte wäre sie kaum in der Lage ihren Job zu
tun. Also wohin mit den Gefühlen in Ambulance?
Ambulance ist nicht der schlechteste Film in Bays Oeuvre. Es ist
einmal mehr ein bisschen zu viel des Guten auf einer technischen
Ebene. Als könne er einmal angefangen zu spielen nicht mehr Inne
halten mit technischen Spielereien. Wenngleich hier im Gegensatz
zum üblichen Bayschen CGI Gewitter, hier erfreulicherweise wieder
viel Handarbeit angesagt war. Bay zitiert sich sogar mehrmals
selbst in Gesprächen zweier Polizisten um auch nochmal die Boomer
Generation mit ins Boot zu holen die vor 30 Jahren im Kino The Rock
erleben durften. Jenem Film mit Sean Connery, der wenn man es nicht
besser wüsste einen gealterten FSK 18 Bond zeigt den es leider nie
gab in der offiziellen Reihe. Am Ende bleibt die Erkenntnis die
schon Robert de Niro in Heat und Al Pacino hatten welche auch für
Michael Bay gilt: "Ein ziemlich wildes Leben, oder?" - "Es ist nun
mal wie es ist. Entweder so, oder wir müssen uns nach was anderem
umsehen." - "Ich habe nichts anderes gelernt." - "Ich auch nicht."