Geschrieben: 24 Dez 2021 22:36
Blu-ray Starter
Aktivität:
Follow the white
Rabbit
Die Story hier kompakt sowie
spoilerfrei wieder zugeben macht aus zweierlei Blickwinkeln wenig
Sinn. Da wäre zum einen der Umstand, dass Morpheus und Gefährten
allein schon ein und halb Stunden brauchten für Exposition Reden um
den dem Zuschauer zu veranschaulichen was gerade jetzt, davor und
in Zukunft passieren wird .Sowie der am schwersten wiegende Grund:
Man sollte sich die Frage stellen worum geht’s in Matrix
Reserrections von Lara Wachowski denn Konkret? Zwischen Bullet
time, Rückblenden und explodierenden Gebäuden an der Oberfläche
steckt viel mehr als das was man sieht darunter. Als Zuschauer
steht man wie Neo vor der Wahl, zwischen Realität und Simulation.
So entscheidet man selbst was man aus Matrix 4 machen möchte oder
eben auch nicht. Spannend wird’s dabei aber erst wenn entscheidet
man sich die rote Pille zu nehmen um aus der Simulation
herauszubrechen, hinein in den Kaninchenbau…
Die 3 Säulen der
Wachowski
Intelligentes Blockbuster Kino ist
wohl an jenem Tag gestorben als Captn Amerika und Konsorten
anfingen die Lichtspielhäuser zu fluten, mit einem Konzern im
Rücken der weniger auf Kopfkino setzte als gewinnbringende
Einheitsware, die möglichst gut verdaulich für jedermann sein
sollte. Bloß nicht zu sehr anecken, bloß nicht den Zuseher zu sehr
mit Fragen belästigen, die ihn womöglich noch nachdenken lassen.
Und genau hier setzt Lara die Rote Linie. Denn das Blockbuster Kino
mehr sein kann/muss zeigt sie hier mit aller Entschlossenheit. Hier
liegt es an jedem einzelnen selbst aus der Masse auszusteigen, die
rote Pille zu nehmen. Beim nächsten Kinobesuch sich zu entscheiden.
Womit wir bei Säule Nummer Eins wären: Der freie
Wille.
Gibt es ihn überhaupt? Sind die Dinge
vorherbestimmt? Kann man ihn beeinflussen? Zentrale Fragen des
Determinismus spannend verpackt in einer Romneo und Julitty
Liebesgeschichte. Lara Wachowski nimmt klar Stellung zur freien
Entscheidung. Mag ihre persönliche Geschichte hier mitschwingen,
tut es den grundsätzlichen Diskurs keinen Abbruch. Matrix
kommentiert dies mit einem klaren Bekenntnis dazu. So begegnet uns
dieses Leitmotiv unentwegt im gesamten Film. Wachsowski gibt sogar
im letzten Drittel dieser Frage so viel Bedeutung, dass sie dem
Ausgang des Films alles vorhergesehen, der Antwort darauf
unterordnet.
Was ist das
Ich?
Einfach gesagt bedeutet das Ich,
viele Eigenschaften zusammen, die zu einer Person werden, ein
Sammelsurium, diese Person dann wiederum nach dem Ich frägt. Doch
wer bin ich, wer will ich sein? Dabei besteht wie auch der Blick in
Neos Spiegel verrät eine Diskrepanz wie wir unser Selbstbild war
nehmen gegenüber dem wie uns andere sehen. Wie wollen wir gesehen
werden und wie ist das in Einklang zu bringen mit unserem
Selbstbild. Befrei deinen Geist weiß Morpheus. Wer wie Neo sich in
der Matrix diese Frage im eigenen realen Leben stellt wird erstaunt
sein wie schwierig dies zu beantworten ist. Mit der klassischen
Heldenreise in Matrix ein erfahren wir viel über Neos Ich. Mit
Matrix 4 geht Wachowski noch einen Schritt weiter und durchbricht
die 3. Wand. Spricht den geneigten Zuseher direkt an um ihn
aufzufordern, das Ich zu befreien.
Nostalgie
Nostalgie bringt Sicherheit. So sind
die vielen Rückblenden mit Original Szenen aus der Matrix Trilogie
ein Zweischneidiges Schwert. Denn zum einen leben die meisten gerne
in ihren alten Zeiten, hier ist es kuschlig, warm und vertraut. Was
wiederum konträr zum Matrix Narrativ steht. Hier ist es ja genau
das alte aus welchem es auszubrechen gilt, Alte Muster, alte
Gedanken weißer Männer im Capitol oder an den Geldmärkten dieser
Welt. Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Hass gegenüber
Andersdenkenden. Die Kurve kriegt Matrix dann doch noch, wenn man
bei fortschreitender Laufzeit erfährt das jene Rückblenden, dem
Verständnis dienen und nicht zum reinen Fanservice verkommen. So
entkommt man dann doch noch den Selbstauferlegten Dogmen um
Haaresbreite.
Metaphysik
Harald Lesch resümierte über die
Grundprinzipien des Seins „Ich muss mich entscheiden, wenn ich über
mich spreche also über meine Innenwelt, die ich ständig neu
konstruiere, weil ich nur so Informationen von der Welt bekomme,
ich aber ständig damit beschäftigt bin, mein Ich zu konstruieren,
wer bin ich denn eigentlich? Dann muss ich voraussetzen das
außerhalb von meinem Ich, eine vom Bewusstsein unabhängige Welt
existiert.“ Matrix oberstes Prinzip war es seither dies zu
hinterfragen. Dies zu codieren überlässt Wachowski gerne dem
Zuseher. Garniert mit den oben bereits erwähnten Fragen, bekommt
man am Ende einen Blockbuster garniert, für den es sich lohnt über
2 Stunden im Kino zu sitzen. Ein wenig Einbußen hat man jedoch auch
zu beklagen, zum einen wirkt so manche Actionsequenz nicht mehr so
ambitioniert inszeniert wie aus den vorherigen Teilen. So wie sich
Stellenweise bei Reeves Darbietung die Waage zwischen absurdem und
routiniertem Schauspiel hält. Dagegen wirkt Neil Patrick Harris wie
eine Neuentdeckung. Vom Dauergeilen Barney Stinson zum Matrix
Piiiiiip war es eine lange Reise.
Schlussendlich liegt es am
Kinopublikum oder späteren Netflix Abonnenten wohin sich das
Blockbuster Kino entwickelt. Entscheidungsmöglichkeiten bietet
dieses Genre mit Vertretern wie Blade Runner, Dune und eben Matrix
Resurrections zu Hauf. Filme die mehr zu bieten haben, die mehr
wollen, die beim Zuschauer im Kopf einen Prozess in Gang setzen.
Leider fehlt den Filmproduzenten oft der Mut diesen Schritt zu
gehen, weswegen Matrix bedingt als Beispiel dienen kann, denn so
ganz stimmt es hier nun auch nicht. Matrix ist eine Franchise,
somit weniger Risiko als etwas Neues. Aber jedem Franchise geht ein
Erstling hervor. Matrix, seinerzeit bahnbrechend anders, dies
schafft 20 Jahre später Matrix Reserrections nicht mehr, aber jeder
sollte den Mut honorieren, dass solche Filme gemacht werden. Am
Ende des Tages ist nur eins wichtig wie Neil Patrick Harris verrät:
„Fakten sind scheissegal, es geht nur um Fiktion, die einzige Welt
die wichtig ist, ist die Welt in eurem Kopf...“ Macht was
draus.