Fortsetzung:
Gameplay:
Nachdem das Gameplay in diesem Spiel nur als Metapher eingesetzt
wird und weit höheren Zwecken dient, müsste eine Wertung an dieser
Stelle eigentlich entfallen. Und dennoch: wer Death Stranding als
beispielsweise Wandersimulator abtut, hat das Spiel nicht mal
ansatzweise kennengelernt. Schon im kleinen Open World-Arreal der
östlichen Region kann mittels eines Generators ein Motorrad
freischalten. In der zentralen Region kann man schliesslich sich
über den Strassenbau das Leben erleichtern und Mules die Trucks
klauen und schliesslich kommen ab Mamas Labor noch Selrutschen mit
ins Spiel, mit denen man - entsprechendes Verständnis für deren
strategischen Wert vorausgesetzt - die meisten Missionen in der
Luft abwickeln kann.
Für mich zerfällt das Gameplay in zwei klare, völlig ungleiche
Hälften: das während der Story, in der das simple Spielprinzip als
so etwas wie Urlaub für die geplagte Spielerseele angelegt ist, und
den freien Modus nach der Story bei Erspielen der Platintrophäe,
für die man noch weitere 125-175 Stunden einplanen kann. Während
man bei ersterem zwar alle Tools in die Hand bekommt aber meistens
wegen fehlender Eigeninitiative nicht darauf kommt, sie
einzusetzen, sieht die Sache für Trophäenjäger auf einmal völlig
anders aus, wenn alle Stationen der UCA beitreten müssen, die
Spielschwierigkeit auf schwierig umgestellt werden muss und es
verpflichtend wird, Missionen mit "S Legend Of Legends"-Rang
abzuschliessen.
Plötzlich spielen unzählige, sich gegenseitig beeinflussende
Faktoren eine Rolle: baue ich eine Schutzhütte, um dorthin
schnellreisen zu können, was aber stark zu Lasten der chiralen
Bandbreite geht? Rüste ich eine Seilrutsche mit Chemikalien und
speziellen Legierungen auf, um deren Haltbarkeit und Reichweite zu
erhöhen oder verwende ich die Materialien lieber für den Bau für
die für den Kampf gegen die GDs benötigten Raketen- und
Granatwerfer? Welche UCA-Station levele ich zuerst auf, welches
Seilrutschennetzwerk oder welche Missionen bringen erstmal den
grössten Nutzen? Und so weiter und so fort, man kommt in jedem Fall
vom hundersten ins tausendste und hat fast immer alle Hände voll zu
tun.
Kojima ist in jedem Fall nichts vorzuwerfen: während im Verlauf der
gesamten Story das Gameplay quasi nicht vorhanden ist, um dem Gamer
stattdessen so etwas wie einen leeren Spiegel zu präsentieren, in
den er alle seine Wünsche, Ängste und Hoffnungen hineinprojezieren
kann, gibt er ihm währenddessen dennoch alle Tools in die Hand, um
ab Kapitel 15 voll durchzustarten, natürlich nur gesetzt den Fall,
dass man sich selbst so einer Herausforderung stellen will. Ich
denke, viele werden nach dem entspannten, urlaubhaften Charakter
des Story-Gameplays die einen nun erwartende harte Arbeit scheuen,
während andere es begrüssen werden, endlich eine würdige
Herausforderung gefunden zu haben, an der sie wachsen und sich mit
anderen messen können.
Dass das nur dann unglaublich komplexe und fordernde Gameplay
seinerzeit aufgrund der knapp bemessenen Zeit zum Testen nicht den
Weg in die meisten Kritiken gefunden hat, ist natürlich
bedauerlich, aber es zeigt sich einmal mehr, dass eine echte Kritik
von Kojimas Games eigentlich nur nach mehrmaligem Durchspielen
möglich ist.
100 / 100
Umfang:
Mit circa 50 Std Spielzeit, zwei Open-World-Arrealen und knapp 10
Stunden Cutscenes natürlich enorm. Dennoch haben sich Freunde bei
mir beklagt, dass das Game so kurz sei, und dass es maximal 5
Stunden gedauert haben soll. Mithilfe eines kurzen Klicks auf
Brückenlinks und dann der X-Taste konnte ich sie dann doch eines
Besseren belehren, dort ist neben umfangreichen Statistiken auch
die Gesamtspielzeit verzeichnet. Und vor allem wieviele der
insgesamt 70 Missionen für Sam und den 500 Standardaufträgen
überhaupt abgeschlossen wurden und auf welchem Rang. Ich denke
dieser interessante Effekt ist neben des verträumten Charakters des
Games auf die absichtliche, völlige Unterforderung beim Gameplay
zurückzuführen und spricht einmal für Kojimas Stategie dem Gamer
nicht das zu geben, was er will, sondern das was er braucht.
Einfach mal abschalten, die Seele baumeln lassen und die Landschaft
geniessen, sind ihm viel mehr wert, als das übliche "Kämpfen um zu
überleben"-Prinzip.
Bei Erspielen der Platintrophäe wächst der Umfang übrigens um das
Drei- bis Vierfache. Es sind längst nicht alle UCA-Stationen
erschlossen worden, und die meisten, die bereits erschlossen wurden
sind ebenfalls nicht auf das maximale Verbindungslevel gebracht
worden. Hat man dieses erreicht, trudeln übrigens nach und nach
vermehrt E-Mails ein, die auf merkwürdig leuchtende Objekte
hinweisen. Dieses sind über beide Maps verstreute Speicherchips,
mit denen u.a. ein spezielles Motorrad freigeschaltet werden kann,
dass sowohl über einen grossen Akku als auch über eine Ladefläche
verfügt. Alle, die es partout nicht mögen, Trophäen zu erspielen,
können sich auch einfach selber über die eingangs erwähnte
Brückenlinks/X-Tasten-Kombination Herausforderungen suchen, die sie
interessieren.
Der Wiederspielwert ist abgesehen von der hochkomplexen Story
allein schon deshalb enorm, da man beim ersten Durchspielen nur an
der Oberfläche kratzt, während die Trägheit der eigenen Wahrnehmung
darüber entscheidet, ob man die zur Verfügung stehenden
Gameplayoptionen überhaupt in Anspruch nimmt. Warum eine
Antimateriebombe zu Fuss nach Mountain Knot City tragen, wenn man
auch eine Strasse dort hinbauen kann? Warum sich den gleichen
Abhang nochmal runterquälen, wenn per Seilrutsche drüberschweben
kann? Warum in Gebieten mit starkem Zeitregen gegen GDs kämpfen,
wenn man unter einem Zeitregenunterstand das schlechte Wetter
einfach abwarten kann?
Mal abgesehen davon, dass das Game von Kojima so angelegt ist, dass
man sich den Weg von einer UCA-Station zur nächsten soundso kaum
merken kann, werden einem beim erneuten Durchspielen wiederum
andere mitbenutzbare Konstruktionen von neuen Gamern, die an
jeweils anderen Orten platziert sind, zugewiesen, so dass das
Gameplay anders verläuft. Je mehr sich der Gamer auf die komplett
individuelle Logik des Games einlässt, desto mehr spielerische
Freiheit gewinnt er dadurch. Kojima meinte allerdings auch, dass es
storytechnisch zur Zeit noch keine befriedigende Lösung für Open
World-Games gibt. Auch das merkt man Death Stranding an, aber es
holt zumindest überall das Maximum raus.
100 / 100
Wertung gesamt: 100 / 100
Fazit: "Eigenwilliges Videospielkunstwerk, dass
sich nicht unbedingt beim ersten Anspielen erschliesst, aber
ansonsten der Konkurrenz in allen Belangen meilenweit überlegen
ist."