Worin unterscheiden sich
Stereo und Surround?
Wenn der geneigte Musikfreund über die Anschaffung einer
Surround-Anlage nachdenkt, kommt er unweigerlich (sofern er einen
gewissen Anspruch besitzt) in die Verlegenheit, sich zwischen
klassischen Stereo-Lautsprechern mit angeklinktem Surround ODER
einer vollständigen Surround-Anlage zu entscheiden. Dabei können in
der Regel die tollen THX Koffer aber kaum Begeisterung auslösen ..
obwohl die doch alles können sollten?!?
Tatsächlich haben wir es mit gegensätzlichen Entwicklungszielen zu
tun, die die Welt der Lautsprecherkäufer in zwei Lager spaltet.
Dazu muss man wissen, was und wie wir hören - genauso was und wie
abgemischt wird.
Virtueller
Bühnenaufbau
Fast jedem leuchtet ein, dass wir mittels zwei Ohren durchaus in
der Lage sind, recht gut zu unterscheiden, woher ein Geräusch (oder
eine Stimme) kommt. Jetzt gibt es da zwei miteinander korrelierende
und verschachtelte Strategien, um aus dem Schallfeld eine Richtung
herauszuhören.
Die erste ist die einleuchtende: je näher ein Ohr an der
Schallquelle ist, desto lauter wird der entsprechende Schall mit
diesem Ohr gehört. Das Glockengeläute ist also bei einer eher
rechts orientierten Glocke auch auf dem rechten Ohr lauter als auf
dem linken. Das nennt man Intensitäts-Lokalisierung. Eine
Strategie, mit der man beispielsweise im Surround-Mischer auf die
einzelnen Lautsprecher unterschiedliche "Pegel" legt, ruft beim
Benutzer also einen Richtungseindruck hervor. Dieses Verfahren
verwenden Surround-Abmischungen überwiegend bis
ausschließlich.
Neben der unterschiedlichen Intensität (Signal-Pegel) auf den
einzelnen Lautsprechern, kann man dieses "Richtungshören" noch
durch eine Modulation unterstützen, indem also das "abgewandte"
Lautsprechersystem ein spektral verändertes (moduliertes) Signal
erzeugt. Das hat damit zu tun, dass unsere Ohrmuscheln und der
ganze Kopf (Schädel) den Schall verändert, wenn er von rechts
kommend "um den Kopf herum" an das linke Ohr gelangt.
Kunstkopfaufnahmen ermöglichen mit dieser Strategie, dem Kopfhörer
eine fast wirkliche virtuelle Surround-Mischung zu ermöglichen;
leider sind so vorgenommene Aufnahmen nicht für normale
Lautsprecher geeignet.
Und dann gibt es da noch die unterschiedlichen Laufzeiten von der
Geräuschquelle zu den Ohren. Ein knackender Ast im Wald
beispielsweise kann hervorragend geortet werden, obwohl sich wegen
der enthaltenen Signalstruktur (die sich überwiegend auch im
eigentlich unhörbaren Ultraschallbereich befinden kann) die
unterschiedlichen Pegel evtl. gar nicht ausreichen würden. Hier
kommt eine spezielle Eigenschaft des menschlichen Hörapparates zum
Tragen, die bis heute (nach meinem Laienwissen) nicht
vollumfänglich erklärt werden kann. Jedenfalls können wir wenige
tausendstel Sekunden Unterschied zwischen unseren beiden Lauschern
sehr schnell und intuitiv in eine sehr exakte Richtungsangabe
"umrechnen" - vollkommen unbewust übrigens, wie auch die oben
angeführten Sachverhalte.
Die letztgenannte Strategie zur "Richtungs- und
Entfernungsdetektion" kommt übrigens fast ausschließlich bei
hochwertiger Stereophonie zur Anwendung. Auf der guten alten
Schallplatte, vor allem im Bereich klassischer Aufnahmen und
"ernsthafter" audiophiler Abmischungen. Wenn man diese
"Information" allerdings verwerten möchte, so muss die Aufstellung
von Lautsprecher und dem umgebenden Raum auch schon mal den rein
ästethischen Gesichtspunkten geschuldet bleiben - unsymmetrische
Aufstellungen ermöglichen keine "Laufzeit-Stereophonie".
Was bedeutet das in der
Praxis?
Ein sehr guter "Musik"-Lautsprecher wird in seinem typischen
Anwendungsbereich sowohl die "Intensitäts-Stereophonie" als auch
die "Laufzeit-Stereophonie" vollumfänglich unterstützen. Ein sehr
guter Stereo-Lautsprecher ist damit primär auch geeignet, jegliches
Surround-Gemisch adäquat wiederzugeben .. jedenfalls bis auf den
Sub-Bass Bereich.
Während in der klassischen Musikwiedergabe durchaus Frequenzen
deutlich unterhalb von 50Hz vorkommen, sind sie doch im Pegel eher
zurückhaltend und durch harmonische Integration ogar fast
entbehrlich - unsere "musikalischen" Ohren können einen Grundton
auch dann hören, wenn nur dessen Obertonreihe tatsächlich
wiedergegeben wird. Deshalb funtkionieren auch relativ kleine
Regallautsprecher relativ "voluminös" (wenn sie gut gemacht
sind).
LFE bzw.
"x.1"
Im typischen Surround-Kino-Sound haben wir es aber auf dem LFE
(LowFrequencyEffect=Tiefstbass-Effekt) weniger mit harmonischen
Tieftönen als mit energiereichen Erschütterungen zu tun. Ein
Lautsprecher, der für optimale Musikwiedergabe abgestimmt wurde,
ist hier in der Regel von seinem möglichst linearen Aufbau in
tonaler und phasenneutraler Hinsicht eher begrenzt.
Die typischen Anforderungen an ein Heimkinosystem (THX) jedoch
haben ihren Fokus auf zwar auch tonaler Ausgewogenheit, aber doch
überwiegend der erzielbaren Energie im Tiefstonbereich (viele
"laute Watt" gegenüber vielen "kontrollierenden Watt" im
Stereo-Umfeld). Ein THX System kann also durchaus besonders
beeindruckend "energiereich" klingen, ob es aber im Stereo-Modus
eine gleichzeitig breite und tiefe "Bühne" erzeugen kann, wird
schlichtweg nicht gefordert.
Während eine gute Stereo-Konfiguration also durchaus "alles"
richtungsweisende aus einer Surround-Abmischung auch hörbar machen
kann, ist noch lange nicht gesagt, dass eine berstende "Explosion"
von Tanklastwagen authentisch und markerschütternd erzeugt wird.
Umgekehrt liegt der Fokus einer Heimkino-urround-Anlage eher auf
dieser Explosion - eine authentische Wiedergabe von stereophon
abgemischter anspruchsvoller Musik gelingt in der Regel eher
unbefriedigend.
Keine Lösung in
Sicht?
Doch - es gibt immer eine Lösung. Wer auf hoch- und höchstwertige
Stereophonie Wert legt, kann seine geliebte Stereo-Anlage durch
einen A/V-Receiver ergänzen. Voraussetzung ist eine wirklich mittig
angeordnete Bildschirm-Lösung. Im Falle von Kino-Surround wird der
besonders energiereiche Anteil (LFE) an einen separaten Subwoofer
geleitet, für das bisschen Surround reichen dann verhältnismäßig
"kleine" Regalboxen hinten und ganz hinten. Diese Kombianlagen
müssen einer "Top-Surround-Anlage" nicht nachstehen und sind in der
Praxis auch einfacher zui implementieren.
Ja und dann gibt es dann auch noch den Königsweg - eine Surround
Konfiguration mit hochwertigen stereo-tauglichen Lautsprechern
rundum und dazu gleich (mehrere) "echte" (höchstwertige) aktive
Subwoofer. Preislich ist das unbegrenzt zu verwirklichen,
jedenfalls nach oben unbegrenzt!
Von unten gibt es zwar keine vorgeschriebene Grenze, aber unter
1.000,- Euro pro Einzelkomponente
(Elektronik/Lautsprecher/Subwoofer) braucht man keine gesteigerten
Erwartungen investieren. Wenn man nicht gerne enttäuscht
wird.
Gruß thorsten