Resident Evil
2
Entwickler: Capcom | Publisher: Capcom | Plattform: PS4, Xbox One,
PC
Genre: Action | Preis: 59,99€ / 59,99€ / 59,99€ [Stand:
Februar 2019] | Erschienen am: 25.01.2019
21 Jahre später
Seien wir doch mal ehrlich: wir sind alle froh, dass aus Resident
Evil 2 ein zeitgemässes 3D-Remake gemacht wurde, um nochmal eines
der Videogame-Meisterwerke schlechthin auf der aktuellen
Konsolengeneration zelebrieren zu können. Die gute Nachricht
vorweg: ja, das Resident Evil 2 Remake ist wie erwartet eines der
Game-Highlights dieses Jahres geworden. Ob es jedoch an die Klasse
des Originals oder gar eines resident evil 4 herankommt, wird mein
Review nun hoffentlich klären.
Es lebt...
Der erste Eindruck beim Anspielen: das was vorher im 2D-Original
mit den vorgerenderten Hintergründen statisch weggeschlossen war,
ist nun zum Leben erwacht - und es ist ganz sicher nicht irdischer
Natur. Der Tester einer Spielezeitschrift hat dies mit einer
zunächst ziemlich merkwürdig anmutenden Bemerkung auf den Punkt
gebracht, nämlich, dass er sich zum letzten Mal, als er 3 Jahre alt
war, in die Hosen gemacht hat, und nun beim Anzocken dieses Remakes
wieder. Ich war ehrlich gesagt nach den ersten Stunden auch froh
den Controller per Share Play weiterzureichen, da es einfach zu
beklemmend war, alleine mit wackelnder Taschenlampe durch die von
bemerkenswert terroristischem Sounddesign untermalten Gänge zu
schlurfen. Ich hab von Freunden gehört, dass ihnen bei den ersten
Stunden mit ihrer PSVR-Brille schlecht geworden ist, so ähnlich
verhält es sich mit dem Sprung von Resident Evil 2 in die dritte
Dimension: man wird einfach ins gurgelnde, kalte Wasser
geschmissen.
Allein und verlassen
Der wichtigste Aspekt vom Original, nämlich das Herumstreunen im
bis auf gelegentlich auftauchende Zombies, Licker und andere
Kreaturen gottverlassenem Polizeirevier, hat den Sprung in die
aktuelle Zeit erstaunlich gut geschafft. Der Knackpunkt von allem:
weniger ist mehr. Nur wenn etwas leer ist, kann man etwas
hinzufügen und der Spieler kann seine eigenen Gedanken und Gefühle
auf die prächtigen, der vom Kunstmuseum zum Polizeirevier
umfunktionierten Räume projezieren. So gesehen, ist Resident Evil 2
ein echtes Kunstwerk, es überlässt die bei den meisten Spielen
vorgegebenen Interpretationen dem geneigten Gamer, dessen
Wahrnehmung sich voll und ganz entfalten kann.
Die dritte Dimension
Ja, es macht immer noch genauso viel Spass Items zu kombinieren,
genau abzuwägen, was man mitnimmt oder was man in der Box ablegt
und die Geheimnisse der Map mit ihren vielen verschlossenen Türen,
Treppen und Ebenen aufzudecken. Die Grafik ist grandios, die
Steuerung butterweich, der Umfang mit den vier Spieldurchgängen der
Leon und Claire Kampagnen gelungen und freischaltbare Boni mit z.B.
Waffen mit unendlich Munition gibt es auch zuhauf. Und dennoch ist
da etwas, besonders im Vergleich zu anderen aktuellen
Spiele-Highlights wie z.B. Red Dead Redemption 2, Rise Of The Tomb
Raider oder Uncharted 4, dass immer so etwas wie eine angezogene
Handbremse eingebaut ist. Aus etwas, dass mal 2D war, etwas zu
machen, dass dreidimensional ist, limitiert einfach den Spielfluss,
den Umfang und das Ineinandergreifen von Gameplayebenen. Eine etwas
freiere Interpretation - auch insbesondere im Hinblick auf die viel
zu spärlichen Zwischensequenzen - wäre mir lieber gewesen, als das
starre Festhalten am ikonenhaften Vorgänge.
Blick über den Tellerrand
Wie man Gameplayumfang multipliziert haben Games wie RDR2 oder
Metal Gear Solid V vorgemacht, und Entwickler wie Capcom, die
mittlerweile genauso Legendenstatus wie Naughty Dog oder Rockstar
haben, wären dazu bestimmt mühelos in der Lage gewesen, aber haben
es sich im Hinblick auf die Fangemeinde sicher einfach nicht
getraut. Es ist genau dieses japanische Duckmäusertum, dass
Rohrkrepierer wie RE7 hervorgebracht hat - es mussten sich nur
genügend Fans über die Jahre hinweg beschweren, dass die Resident
Evil-Reihe sich immer mehr von Horror weg und zu Action hin
entwickelt, und schon wurde ein völlig unpassender Outlast-Klon
serviert. Warum nicht gleich bei The Last Of Us Joel, bei Uncharted
Nathan Drake und bei Tomb Raider Lara streichen und durch eine
Waffenansicht ersetzen? Nur zu gut, dass Capcom nun das RE2 Remake
anstelle eines neuen RE8 entwickelt hat - es ist mitunter besser,
sich auf seine eigenen Stärken zurückzubesinnen, als sich nur
einzubilden, dass man stark ist.
Zur Bewertung:
Grafik: 98/100
Resident Evil 2 hat seinen völlig eigenen Look, und der ist ein
wahrer Augenschmaus. Während man sich mit Taschenlampe im Dunkeln
bei den blutverschmierten Wänden zunächst ein bisschen an die
altbackene Grafik von The Last Of Us Remastered erinnert fühlt,
dreht das Spiel erst richtig bei hellen Arrealen mit filmreifen
Licht-/Schattenkompositionen und dezenten Farbtupfern auf. Alles
wirkt wie aus einer Hand, ist in sich stimmig und hat seinen
eigenen, unverwechselbaren Look. Was Capcom insbesondere beim Item
Design und im letzten Spielviertel im unterirdischem Labor
hingezaubert hat, grenzt schon an State Of The Art: man ist sich
mitunter nicht mehr sicher, ob man träumt oder ob das alles real
ist. Punktabzüge in der B-Note gibt es nur für das schlammige Grau
der RE-Engine, das selbst farbige Ebenen durchwirkt und sich auch
nicht durch die dreifach einstellbare Helligkeit wegbekommen lässt.
HDR lässt man in diesem Zusammenhang am besten ausgeschaltet, sonst
wird aus einem tiefen Schwarzwert ein matter Grauwert.
Sound: 79/100
Der grosse Schwachpunkt des Spiels, da es bis auf das dynamische
Tyrant-Verfolgungstheme und den erhebenden Finaltrack einfach an
gutem Sound mangelt. Das Original hatte beispielsweise für die
geistesverlorene Abwesenheit in der grossen Empfangshalle
unvergessliche Ambientmelodien parat, die wie das Anklopfen an
etwas Unbekanntem anmuteten. Beim Remake wird jedoch zu sehr auf
terroristisches Sounddesign und geistlose Zwischenmelodien gesetzt.
Hier hätte man sich ein Beispiel an der dezent-superben,
hypermodernen Grafik nehmen müssen, beides hätte zu einer
kongenialen Einheit verschmelzen können - stattdessen zuviel
unoriginelles Einerlei und billige Effekthascherei. Ein grosses
Plus sind jedoch die sensitiv bis rustikalen Soundeffekte sowie die
Präsentation in 5.1/7.1-Sound und Echtzeit-Binaural - trotzdem viel
verschenktes Potential hier.
Gameplay: 100/100
Was soll man noch grossartig über das Gameplay, egal ob Remake oder
Original sagen? Beim Spielen hört das Entdecken nie auf und man hat
stets das Gefühl an etwas Magischem, Einzigartigem, fast schon
Revolutionärem teilzuhaben. Das Symbol steht über allem, die Wege
sind verschlungen, die Möglichkeiten enorm. Besonders
hervorzuheben, ist wie man, als man sich schon in die unterirdische
Hölle der Abwasserkanäle verbannt gesehen hat, über verschlungene
Wege wieder einen Weg ins Polizeirevier findet und dort neue
Möglichkeiten auftut. Auch der zweite Durchlauf mit Claire ist
unerklärlicherweise, obwohl man viele gleiche oder ähnliche Rätsel
löst, genauso fesselnd und absorbierend wie der erste Durchgang mit
Leon. Dass die Story im Grunde auf zwei Drehbuchseiten passt, fällt
dabei überhaupt nicht ins Gewicht - was braucht man schon eine
Geschichte, wenn man zaubern kann?
Umfang: 95/100
Mit Resident Evil 2 verhält es sich wie mit vielen anderen
rätsellastigen Games, wie z.B. Another World. Hat man beim ersten
Durchlauf noch fünfmal soviel Zeit gebraucht, ist man bei Kenntnis
aller Lösungen im Bruchteil der Zeit durch. Nur gut, dass es noch
Claires Kampagne mit abweichenden Rätseln, neuen Räumen und
Cutscenes gibt - und den 2nd Run mit alternativen Ende. Auch
Gamern, die nicht auf Trophäen zocken, ist die Resident Evil 2
Platin empfohlen, weil man so noch viel mehr aus dem Game rausholt.
Eine der Trophäen erfordert beispielsweise, das Game mit nicht mehr
als 14.000 Schritten durchzuspielen, bei zwei anderen muss man es
entweder ohne Verwendung der Inventarbox oder ohne sich zu heilen
abschliessen. Und dann gibt es noch The 4th Survivor, unnötig wie
ein Pickel, lärmend wie die Hölle und unpassend wie ein Graffiti
auf einem Gemälde - aber, hey, man muss es ja nicht
spielen.
Spielspass: 93/100
Ob man nun das Resident Evil 2 Remake in sein Herz schliesst oder
nicht, steht und fällt mit dem Vergleich mit dem Original.
Pragmatisch betrachtet, mit einem Seitenblick auf den heutigen
Pixelbrei des Originals, ist nichts anderes da und das Game ein
Megahit. Dennoch erinnere ich mich gut daran, wie ich anno 1998 in
der Schundecke der Videothek das englische N64-Modul ausgegraben
habe und eine Erfahrung gemacht habe, die es so kein zweites Mal
gab. Daran gemessen ist das Remake für sich genommen ein
ausgezeichnetes, faszinierendes und mitreissendes Game, aber es ist
keine neue Definition. Allzu sklavisch hat man sich hier an das
Original gehalten, anstatt etwas zu ändern oder hinzuzuerfinden,
schlichtweg neu zu definieren. Mir ist nur allzu bewusst, dass ein
The Last Of Us oder Red Dead Redemption 2 nur alle paar Lichtjahre
rauskommt, aber die moderne Neuinterpretation des Klassikers hätte
anno 2019 einfach noch moderner ausfallen müssen.
Gesamt: 93/100 "Grafik des
Jahres-Award" / "Remake des Jahres-Award" / "Spiel des
Jahres-Award"