Metal Gear Solid V : The
Phantom Pain
Entwickler: Kojima Productions | Publisher: Konami | Plattform:
PS3
Genre: Action | Preis: 19,99€ [Stand: Juli 2017] | Erschienen am:
01.09.2015
Grosse Erwartungen
Das Wichtigste vorweg: alle, die "Metal Gear Solid 4 : Guns of the
Patriots" geliebt haben, könnten unter Umständen von dem fünften
Teil enttäuscht werden. War der Vorgänger noch so etwas wie ein
Filmspiel mit endlosen Zwischensequenzen und hier und dort einem
kurzen Abschnitt zum Durchlaufen, ist "The Phantom Pain" das genaue
Gegenteil: die Story (die es zwar zusammengerechnet auf 5 1/2
Stunden Cutscenes bringt) tritt weitestgehend in den Hintergrund
und weicht virtuosem Open World-Gameplay, das einen mit seinen
schier endlosen Möglichkeiten dazu einlädt, sehr lange im
Afghanistan und Afrika der 80er Jahre unterwegs zu sein.
Kein Bombast-Popcorn-Entertainment zum Zurücklehnen mehr, sondern
einsames, meditatives und nervenzerrendes Superheldentum in der
Einöde der afghanischen Steinwüste und dem Labyrinth des
afrikanischen Dschungels erwartet den geneigten Spieler, der ein
paar Eigenschaften wie Geduld, Kreativität und Flexibilität
mitbringen sollte. Hat man sich aber erst in das Spiel
hereingefunden, dass einen Kojima-typisch immer aufs Neue zu
überraschen vermag, tritt irgendwann ein "Zelda"-ähnlicher Effekt
ein: es eröffnen sich einem unzählige Wege, so dass man irgendwann
das Gamepad einfach nicht mehr aus der Hand legen möchte.
Düsteres Erwachen
Wir schreiben das Jahr 1984, genau neun Jahre nach Snakes
Helikopterabsturz, den man am Schluss des Prologs "Ground Zeroes"
verfolgen konnte. Er wacht mit amputiertem Arm in einem Krankenhaus
in Zypern aus einem mehrjährigen Koma auf, wo er von der Killerin
Quiet liquidiert werden soll. Dank des Patienten Ishmael gelingt
ihm trotz ihr, des "Burning Mans" und eines kleinen Soldatenheers
die Flucht aus der Anstalt. Ocelot, Snakes zukünftiger Verbündeter,
liest ihn in der Nähe eines Leuchtturms auf, beide reisen
anschliessend per Schiff nach Afghanistan, wo Snakes Freund Miller
in einem kleinen Dorf gefangengehalten wird.
Nach und nach wird Snake wieder zum ikonenhaften Superhelden, der
ihn in den früheren Spielen ausgemacht hat, und dessen neue Heimat
die ölplattformartige "Mother Base" in den Seychellen ist. Nur,
dass der Ton um einiges düsterer und rauher als der der "Metal Gear
Solid"-Vorgänger ausfällt; während die "Guten" mit ihren
Behinderungen fast schon so etwas wie ein Freakzirkus darstellen -
Snake hat einen bionischen Arm, Miller fehlt ein Bein und ein Arm,
der Wissenschaftler Emmerich wird von Exo-Legs gestützt - sind die
"Bösen" überirdischen Ursprungs - der "Floating Boy" schwebt und
warpt sich mit Zwangsjacke und Gasmaske durch die
Zwischensequenzen, der "Burning Man" absorbiert Schüsse und
verschiesst Feuerkugeln. Nur Snakes Widersacher Skull Face, der mit
narbenübersätem Gesicht und Banditenmaske auch alles andere als
ansehnlich aussieht, hat ein paar filmreife Sprüche zu
verteilen.
Die Verdammten des Krieges
Es ist schwer zu übersehen, dass Videospielguru Hideo Kojima eine
klare Message für all die Gamer hat, die bei "Black Ops" und Co.
gerne alles in Schutt und Asche legen: überlegt es euch zweimal,
bevor ihr dazu übergeht, jemanden zu töten. Der Dreh- und
Angelpunkt ist hier Stealth in allen nur erdenklichen Spielarten
und Varianten; man kann kriechen, hangeln, über Dächer springen,
die Feinde mit Fernglas ausspähen, ohnmächtig würgen oder per
Karate oder Wurf ausschalten. Zudem stehen eine Unzahl von
Betäubungswaffen, angefangen von einer simplen Tranquilizerpistole
, über MPs und Punpguns mit Gummigeschossen bis hin zu Schlaf-,
Blend-, Rauchgranaten und Betäubungsattrappen zur Verfügung.
Darüber hinaus kann man Artillerieinsatz mit flächendeckendem
Schlafgasabwurf anfordern und sogar das Wetter beeinflussen. Bei
regnerischem Wetter sind eure Schritte leiser, bei einem Sandsturm
ist der Feind blind, während ihr mit eurem Nachtsichtgerät im
Vorteil seid.
Dem Gamer ist es aber jederzeit selber überlassen, ob er unsichtbar
oder mit brachialer Gewalt, für die ebenfalls ein riesiges Arsenal
an tödlichen Waffen bereitsteht, vorgeht. Man wird allerdings für
die leise Art mehr belohnt - zum einen können betäubte Soldaten per
Fulton-Ballon auf die eigene Mother Base verfrachtet werden, zum
anderen bekommt man für Kills und Alarme weniger Geld und weniger
Elitesoldaten als Missionsabschlussbelohnung. Ausserdem schont es
die Nerven, denn die KI ist die beste, die man bisher in einem Game
bewundern durfte. Hat man in einem normalen Shooter irgendwann für
sich den perfekten Automatismus herausgefunden, stösst man hier
schnell an seine Grenzen: die Gegner verhalten sich nicht nur wie
echte Menschen (hin und wieder rauchen sie eine Zigarette,
unterhalten sich, legen ein Nickerchen ein oder wechseln
unvermittelt die Richtung), sie sind auch genauso unberechenbar.
Und wenn sie einen erstmal entdeckt haben, bricht die Hölle los:
manche rollen sich ab und springen in Deckung, andere rufen per
Funkgerät Verstärkung, wieder andere besetzen die Mörser und
stationären Geschütze, während Scharfschützen auf einen anlegen.
Schon bald ist man eingekreist und muss sich in einer Mülltonne
oder Toilette verstecken, bevor das des öfteren unvermeidliche
"Snaaakee...!" ertönt.
Das Wirken der Unendlichkeit
700 Spielstunden später muss ich sagen, dass Kojima wirklich ein
geniales und einzigartiges Videospiel-Meisterwerk kreiert hat. Es
ist hier ausnahmsweise nicht die wie immer kinoreife Story, die im
Anbetracht der unzähligen Zeit, die man in der Wüste und dem
Dschungel verbringt, völlig in den Hintergrund tritt, sondern mehr
die grenzenlose Freiheit und das Managen der Mother Base, die einen
an den Bildschirm fesseln. Hat man eine der 50 Hauptmissionen
durchgespielt, bedeutet dass noch lange nicht, dass man dort alles
gesehen oder mitgenommen hat, hinzu kommen noch 150
Nebenoperationen, sowie mehrere hundert optionale Missionsaufgaben.
Es gibt unzählige Sachen, die sich mit dem Einsatz auf dem Feld
gegenseitig beeinflussen: angefangen von den Ressourcen, die zum
Bau der Basen benötigt werden, über die kostspielige Herstellung
von besseren Waffen und die externen Aufträge, in denen ihr eure
Soldaten losschickt, um u.a. GMP zu verdienen, Ressourcen und
Pflanzen zu beschaffen oder mehr Soldaten für die eigene Armee
anzuwerben, bis hin zu einer wöchentlichen Liga und einer Kurzliga,
in denen ihr mit anderen Spielern über einen Vergleich der
Angriffsfähigkeit und Abwehrstärke virtuell konkurriert.
Hat man die Story erstmal durch und alle Haupt- und Nebenmissionen
abgeschlossen, ist noch lange nicht Schluss. Wenn man das Spiel
startet, gibt es jede Menge zu tun, ob mit dem scoutenden D-Dog auf
Planzensuche gehen, um bessere Waffen bauen zu können, mit D-Horse
durch die Prärie zu reiten, um Ressourcen zu sammeln oder mit der
Scharfschützin Quiet Soldaten zu betäuben und zu extrahieren (es
können maximal 3500 Soldaten auf 5 Basen angeworben werden) - es
wird einem nie langweilig. Alle Hauptmissionen und ein kleiner Teil
der Nebenmissionen können wiederholt werden, ansonsten kann man
auch im Freien Modus in Afghanistan oder Afrika unterwegs sein. Und
wenn ein anstrengender Einsatz bei euch seine Spuren hinterlassen
hat, könnt ihr euch jederzeit in euren Helikopter zurückziehen, wo
ihr euch mit auf dem Feld gesammelten Musikkassetten (instrumentale
und 80s-Musik) entspannen könnt. Wer die Story zuende gespielt hat,
hat übrigens noch lange nicht alle Cutscenes bewundern dürfen -
steigt euer Beziehungslevel zu Quiet, solltet ihr es nicht
versäumen, eurer Mother Base hin und wieder (besonders bei
regnerischem Wetter) einen Besuch abzustatten, auf dessen
medizinischer Plattform im übrigen ein Wiedersehen mit Paz möglich
ist. Zu eurem in der Anfangsmission eingebenem Geburtstagsdatum
werdet ihr von Ocelot & Co. mit einem Ständchen begrüsst,
ansonsten kreuzen sich eure Wege auf mysteriöse Weise mit Eli, Code
Talker und Emmerich, die sich auf eurer Basis niedergelassen
haben.
Geladen und entsichert
Abgesehen davon, dass das Internet seinerzeit eine Erfindung des
Militärs gewesen ist, ist es mit "The Phantom Pain" auch möglich
mit dem Helikopter auf Basen anderer Spieler, deren sogenannte
FOBs, zu landen, um dort Soldaten zu extrahieren und Ressourcen zu
klauen. Je nach Sicherheitsvorkehrungen desjenigen, den man
infiltriert, bekommt man es mit Drohnen, Minen, Attrappen,
selbstschiessenden Kameras, Infrarotsensoren, Diebstahlsicherungen
und Soldaten, die mit Nachtsichtgeräten, Camouflagekleidung,
starker Panzerung, Scharfschützengewehren und/oder Betäubungswaffen
ausgestattet sind, zu zun und hat auch noch mit einem Zeitlimit bis
zur Blockade der umliegenden Gewässer zu kämpfen. Egal ob man es
bis zur finalen Tür schafft, was zusätzliche Boni bringt, oder
nicht, öffnet sich ein sogenanntes "Rache"-Wurmloch, über das der
Infiltrierte wiederum auf eure Basis eindringen kann. Tut er dies
während ihr Story oder Multiplayer spielt, bekommt ihr auf euer
Idroid eine Notfallmeldung, und könnt auf eure eigene Basis fliegen
und sie zusammen mit euren dort stationierten Soldaten verteidigen.
Ihr könnt euch auch von euren Online-Freunden über die "Ich
unterstütze"-Funktion bei einer Verteidigung supporten lassen oder
auf deren Basis trainieren. Über Share Play/Livestream kann man
abwechselnd die Basis eines Freundes infiltrieren, während der
andere zuschaut, was um einiges entspannter als die üblichen
Multiplayer-Auseinandersetzungen ausfällt.
Über MGO, Metal Gear Online, dem 6x6 PvP, kann man dies allerdings
nicht behaupten, um den sich Hideo Kojima nicht selbst gekümmert,
sondern an ein Produktionsteam in L.A. übergeben hat. Der einsame,
düstere, individuelle Stealth-Grundton des Spiels weicht hier
üblicher Multiplayer-Hektik, ausserdem darf man, wenn man erstmal
gestorben ist, den Rest des Spiels zuschauen. Es sollte hier auch
erwähnt werden, dass sich Kojima mit Konami während der Produktion
des Spiels zerstritten hat. Es ging teilweise sogar so weit, dass
Kojima in der Endphase der Fertigstellung isoliert auf einer ihm
zugewiesenen Etage von einem Boten Mitteilungen an sein Team
überbringen lassen musste, da er nicht mehr mit ihnen reden durfte.
Damit steht auf jeden Fall fest, dass es kein weiteres "Metal Gear
Solid"-Spiel geben wird, da Konami die Rechte an dem Franchise hat.
Was im übrigen auch passend ist, ist der fünfte Teil der Serie doch
irgendwo mit dem amputierten Protagonisten, den Kindersoldaten und
den brachialen Soundeffekten der tödlichen Waffen ein Abgesang auf
das sonst prägende Kriegs-Superheldentum der Serie. Krieg stellt
hier nur so etwas wie die Farben der Malpalette des grossen
Meisters dar, die Bilder die er damit erschaffen hat, haben jedoch
mehr mit der Tiefe, Düsternis und den Geheimnissen der Seele zu
tun, als mit dem was vordergründig dargestellt wird.
Das Auge des Sturms
"Metal Gear Solid V" ist so etwas wie ein "Zelda" für Erwachsene -
es ist allein schon Kaufgrund für eine Konsole, man kann unendlich
Zeit damit verbringen und darin verloren gehen, die
Gameplay-Mechanik und deren Flexibilität und
Kombinationsmöglichkeiten sind überragend, die intensive Atmosphäre
über jeden Zweifel erhaben. Kojima wäre nicht Kojima, wenn er nicht
den Spieler nicht ständig überraschen würde, war z.B. das
Verfrachten einer zu rettenden Person in den Helikopter noch diese
Tastenkombination, ist es plötzlich eine andere oder geschieht
automatisch, hat man die treue Begleiterin Quiet, die einem den
Rücken freihält, gerade liebgewonnen, verabschiedet sie sich
plötzlich melodramatisch und ist für zukünftige Missionen nicht
mehr verfügbar, hat man seinen Helikopter mit Raketen, Minigun und
Flares ausgestattet und mit einer kürzeren Entsendungszeit
versehen, wird dies erst über das "Anpassen"-Menü wirklich
freigeschaltet, und, und, und... Das Spiel ist zudem mit
unzähligen, liebevollen Details ausgestattet, beispielsweise kann
ein Soldat aus Versehen seine eigenen Leute über den Haufen fahren,
man kann seinen Hund streicheln oder sein Pferd kacken lassen oder
Quiets versteckte Zelle aufsuchen und ihr beim Duschen
zuschauen.
Langer Rede, kurzer Sinn: "Metal Gear Solid V" ist der
wahrgewordene Traum jedes Actionfans - einen Superhelden zu
steuern, der vor feindlichem Beschuss in Zeitlupe in Deckung
springt, dann auf dem Bauch landet, um anschliessend im Rollen zu
feuern, ausserdem an Klippen hangeln, über Dächer springen, Gegner
mit aufblasbaren Puppen, Pappkartons oder geworfenen Magazinen
ablenken oder mit Martial Arts, Waffen, Helikopter und/oder
Artilleriebeschuss ausschalten kann, das gibts bei
3rd-Person-Spielen in dieser Perfektion nicht alle Tage. Die
Zwischensequenzen mit dem nonchalanten, charismatischen Helden, den
zahlreichen Actionszenen mit Shootouts, Jets und Superrobotern und
der perfekt erzählten Geschichte, in der es um Verlust, Rache und
Selbstfindung geht, beweisen zudem, dass Kojima in Hollywood in
einer Liga mit James Cameron und John Woo spielen würde, hätte er
sich nicht der Videospielbranche verschrieben. Und als ob das nicht
genug wäre, gibts mit den FOB-Missionen einen hochspannenden
Onlinemodus obendrauf, der die Story intelligent mit dem
Multiplayer verbindet und dem von dem knackigen Schwierigkeitsgrad
des Games nicht gerade verwöhnten Spieler so ziemlich das Letzte
abverlangt.
Pro und Contra:
Zugriff:
- detailreiche, flüssige und liebevoll gestaltete Grafik mit
prächtigen Farben (nur PS4/Xbox One/PC)
- phänomenal inszenierte, kinoreife Story
- bombastische, schweisstreibende Musik
- 2 Open World-Schauplätze (Afghanistan/Afrika) mit
Helikopteranflug und fahrbaren Jeeps, Trucks und Panzern
- das "Mother Base"-Minigame, in dem man seine, eigene kleine Armee
aufbaut, ist extrem motivierend
- unzählige Haupt- und Nebenmissionen sowie optionale
Missionsaufgaben und freier Modus
- realistische, brachiale Soundeffekte kontrastieren mit ansonsten
völliger Stille
- extrem fordender FOB-Online-Modus, der den Single Player mit dem
Multiplayer verbindet
- die Zeit für externe Aufträge und der Teilnahme an der Liga läuft
auch weiter, wenn man nicht spielt
- jede Menge versteckter Easter Eggs
Neutral:
- der Spieleinstieg mit dem verstümmelten Helden und der Einöde
Afghanistans ist alles andere als einladend
- viele Dinge wirken auf den ersten Blick repetitiv, es
erschliessen sich jedoch Alternativen
- das versteckte Demon Points-System sorgt mit einem zunehmend
gehörnten und blutverschmierten Helden für eine moralische
Bewertung
- das Game ist trotz 7 Jahren Entwicklungszeit auf Druck des
Publishers möglicherweise nicht fertiggestellt worden
- hoher Schwierigkeitsgrad
Mission gescheitert:
- Metal Gear Online ist des Hauptspiels nicht würdig
- keine Soundeinstellmöglichkeiten
Hier noch ein FOB-Multiplayer-Video mit Musik u.a. von Graeme
Revell, Eric Prydz und Ludvig Forssell:
MGS5 Last Minute
Infiltration - Dailymotion Video
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