Der Film ist eine absolute One-Man Show von Casey Affleck. Er
spielt unglaublich gut, zurückgenommen und nuanciert. Seine zwei
Persönlichkeiten vor dem Vorfall und nach dem Vorfall sind echte
Kontraste und vor allem zeigen sie, dass er nach dem Vorfall im
Grunde aufgehört hat zu leben. Seine Art alles abzublocken, sein
allgegenwärtiges, indifferentes 'Okay', seine Körperhaltung,
einfach alles schreit es heraus. Um sich zu spüren sucht er sich
körperliche Reaktionen in winzigen Ausbrüchen.
Und das Schlimme ist, dass die anderen ihn aufgegeben haben, den
leichten Weg gewählt haben und nun ihm vorwerfen, nicht mehr zu
anderen zu passen. Das machen sie allerdings
passiv-aggressiv.
Leider sind die anderen Charaktere außer dem Neffen echte
Unsympathen und der ganze Ort besteht aus Menschen, die nicht
wirklich offen zueinander sind, sondern oberflächlich und
fad.
Und die Charaktere sind oft eher Pappkameraden von Personen,
Michelle Williams hat eigentlich Ignoranz verdient für diese
Leistung. Das war gar nichts außer peinlichem over acting. Kam bei
mir wirklich überhaupt nicht an.
Der Neffe ist ein unglaubwürdiger Tausendsassa.
Der Kern der Geschichte ist eigentlich, dass die Frauen am Ende gut
wegkommen, selbst wenn sie sich nur selbst belügen um das zu
schaffen. Sie begraben sich und ihre Vergangenheit unter
erstickender Ablenkung und Kompensationshandlungen.
Die Männer im Film sind eigentlich alle Verlierer. Da kommt keiner
froh raus, mit Gewinn oder einem befriedigenden Tagwerk. Sie haben
alle längst aufgegeben, Männer zu sein. Lediglich der Neffe
versucht noch, allerdings übertrieben inszeniert, ein Jack of all
trades zu sein. Und was sind die? Master of None.
Da gibt es auch so viele Ungereimtheiten in seiner Story: mal hört
er mal auf den Onkel oder den Vater, dann wieder ohne Grund nicht.
Und nichts macht da Sinn in der Erklärung, außer dass er ein
Teenager ist.
Ungewöhnlich erzählt ist das Drama, die Rückblenden sind clever und
die Leerstellentechnik klasse, aber dennoch ist das Ganze einfach
mindestens 20-25 Minuten zu lang.
Da der Film absolut konsequent ist, muss man zugestehen, dass der
Film für Filmfans etwas ist, für den normalen Zuschauer wäre nach
10 Minuten im TV ein Senderwechsel fällig. Die Belohnung der
Zuschauer bleibt eben aus. Das macht den Film gut, aufrichtig und
anders, aber er zieht auch runter und ist teilweise echt nervig,
wenn sich wieder mal Personen streiten, was in 30% der Laufzeit
vorkommt. Machtworte fallen nicht, Worte bedeuten nichts. Das ist
zwar vom Drehbuch her beabsichtigt, denn Worte haben im Alltag
oftmals sehr viel weniger Macht als viele Menschen denken, denn
Bedenken werden beiseite gewischt, marginalisiert, uminterpretiert.
Toll und exemplarisch ist hierbei das Essen bei der Mom.
Oberflächliche, geltungssüchtige Selbstinszenierer bekleiden sich
mit Tand und sind doch leer.
Bester Film? Nein. Gewinnt er gegen La La Land oder Moonlight (US
Version schaute ich mir am letzten WE an). Keine Chance.
8/10
agentsands
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