TEST: Assassin´s Creed
2
Wir könnten jetzt lang und breit über Weihnachtshits, die
verpassten Chancen des ersten Teils und über dessen bahnbrechende
Geschichte schreiben. Aber das tun wir nicht! Stattdessen steigen
wir sofort in das Spielgeschehen ein. „Assassin’s Creed 2“ bündelt
erneut zwei Story-Stränge zu einem packenden Abenteuer. Die
Rahmenhandlung bildet die Geschichte rund um Desmond Miles. Nach
seiner Flucht aus den Aspergo-Laboren wird er bei einer
Rebellengruppierung der Assassinen untergebracht und erneut an den
Animus angeschlossen. So soll er „Matrix“-mäßig die Fähigkeiten der
flinken Killer erlernen.

Die Binnenhandlung – und etwa 90% der Spielzeit – bildet allerdings
das Italien im 15. Jahrhundert. Hauptdarsteller ist der wohl allen
bekannte Edel-Jüngling Ezio Auditore di Firenze. Seine Familie wird
nach wenigen Spielstunden in eine Verschwörung hineingezogen und
von den Templern erhängt. Ezio schwört blutige Rache und folgt den
Spuren seines Vaters, der ebenfalls ein Assassine war.
Volle Auftragsbücher
Ihr beginnt „Assassin’s Creed 2“ in Florenz. Im Verlauf zieht es
euch in die Toskana, wo Ezios Onkel Mario im Disput mit den
Landesherren steht. Zu guter Letzt verschlägt es euch nach Venedig.
Die größte Veränderung im Vergleich zum Vorgänger gibt es
zweifellos in der Missionsstruktur. Vorbei sind die Zeiten der
langatmigen Nachforschungen. Stattdessen setzt „Assassin’s Creed 2“
auf eine lineare Hauptkampagne, die durch schöne Zwischensequenzen
zusammengehalten wird. Zum Abschluss eines Sinnabschnitts – im
Spiel „Sequenzen“ genannt – gibt es natürlich stets ein Attentat
auf hochrangige Templer-Köpfe.

Allein durch die flottere Erzählweise gewinnt „Assassin’s Creed 2“
deutlich schneller an Fahrt und auch die Motivation bleibt aufgrund
der vielschichtigen Charaktere erstaunlich hoch. Gerade das
Einbinden historischer Fakten und Figuren wie etwa Leonardo da
Vinci machen die Geschichte lebendiger.
Abseits der Hauptkampagne gibt es jede Menge Nebenmissionen, die
zum größten Teil ebenfalls sinnvoll in den Plot eingebaut wurden.
Die Suche nach 100 Adlerfedern etwa zielt auf die Heilung der
traumatisierten Mutter ab. Wirklich klasse: In den Städten sind
zudem sechs Siegel versteckt, mit deren Hilfe ihr Altairs Rüstung
erhaltet. Die Einbrüche in die Grabkammern alter Assassine heben
sich deutlich vom übrigen Spielgeschehen ab. Hier kommt es wie in
„Prince of Persia“ darauf an, den richtigen Weg durch Kathedralen
und riesige Kellergewölbe zu finden – eine willkommene Abwechslung
zu Kämpfen und hektischen Verfolgungsjagden.

Überhaupt gibt es viel mehr zu tun: Ihr könnt euch beim Schmied
Waffen, beim Schneider neue Outfits, beim Heiler Verbände kaufen.
Größere Geldbeträge steckt Ezio hingegen in sein Dorf
Montereggioni. Hier wertet ihr Gebäude auf und verdient damit auch
Geld – sehr nett. Das Drumherum von „Assassin’s Creed 2“ ist also
absolut gelungen.
Ezio der alte Killer
An der eigentlichen Spielmechanik haben die Entwickler nur wenig
Hand angelegt. Während der Hauptmissionen bestimmen Attentate,
Kämpfe, Free-Run-Einlagen und Botendienste das Geschehen. Die
Kämpfe leiden dabei unter einem erschrecken niedrigen
Schwierigkeitsgrad. Sollten die Duelle mit gegnerischen Wachen
eigentlich taktisch anspruchsvoll ausfallen, verkommen sie zu einer
Mischung aus Button-Mashing und Reaktionstests. Die Konterattacken
sind noch immer viel zu mächtig. Für einen geübten Spieler ist es
kein Problem, zehn bis zwölf Gegner in einem Rutsch zu
erlegen.

Und hätten die Templer in der Geschichte so stümperhaft wie die KI
reagiert, wäre „Assassin’s Creed 2“ ein sehr kurzes Spiel geworden.
Die Wachen sehen noch immer nicht, wenn wir zwanzig Meter entfernt
jemanden umbringen. Eines unserer Attentatsopfer rannte uns –
nachdem wir versehentlich vom Dach fielen – direkt in die Arme,
weil wir direkt vor dem Ausgang landeten. Dabei wartete im Hof
bereits eine ganze Armee, um ihren Herrn zu schützen. Die viel
gepriesenen neuen Waffen verkommen leider zur Nebensache, da Ezios
zwei Klingen zu mächtig sind. Warum sollte ich – außer zu
Testzwecken – eine schwerfällige Axt durch die Gegend schleppen,
wenn ich doch mit den versteckten Messern geschwind den gleichen
Schaden anrichten kann.

So machen die Kämpfe zwar durchaus Spaß, aber es fehlt einfach an
den notwendigen Erfolgserlebnissen. Die schwache Gegner-KI und die
zu starken Attacken Ezios verhindern leider ganz große
Begeisterungsstürme.
Der Dauerläufer
Neben der Kämpfe spielen diesmal besonders die Free-Run-Sequenzen
und die Interaktion mit Gruppierungen wie Kurtisanen oder Dieben
eine entscheidende Rolle. Für ein paar Florin heuert ihr die Damen
oder Burschen an und könnt sie auf eure Widersacher hetzen.
Praktisch: Es gibt nun mehr Rückzugsmöglichkeiten für Ezio. Wir
verstecken uns in Heuhaufen, in Menschengruppen, in Verschlägen,
auf Bänken oder springen kurzerhand ins Wasser. Lustigerweise
können nämlich die Wachen nicht schwimmen und verlieren – wie
Jagdhunde – eure Fährte, sobald Ezio untertaucht – albern.
Ein bisschen anstrengend fallen die langen Wege zwischen den
einzelnen Missionen aus. Für Reisen zwischen den einzelnen Reichen
gibt es glücklicherweise Pferde und eine Schnellreise-Funktion. In
den Städten selbst ist Ezio aber auf seine Läuferqualitäten
angewiesen. Glaubt uns, es dauert gerne mal ein bis zwei Minuten,
um von einem Ende von Venedig zum anderen zu gelangen. Wenn ihr
dann noch von Soldaten ertappt werdet, weil ihr einem Händler
versehentlich eine Kiste aus der Hand geschlagen habt, geht das
schon an die Substanz. Auch die laut trällernden Barden sind
lediglich einen einzigen Lacher wert … danach nerven sie nur
noch.

Der Free-Run-Modus funktioniert zumeist ordentlich, wenn auch
zwischendurch die Kameraperspektive Zicken macht. Trotzdem ist es
einfach eine helle Freude, über Fahnenmasten zu springen, und die
höchsten Gebäude der Städte zu erklimmen und anschließend den
Ausblick über die Dächer zu genießen.
Italienisches Flair mit Macken
Glücklicherweise stimmt uns das Flair der italienischen Städte
wieder gnädig. Die Straßen wirken ungeheuer lebendig. Auf Märkten
tummeln sich dutzende von Bewohnern. Besonders die Missionen
während des venezianischen Karnevals sind mit Schaustellern,
Feuerwerk und bunt kostümierten Passanten eine wahre Augenweide.
Der ganz große Aha-Effekt bleibt beim Anblick von „Assassin’s Creed
2“ aber zumeist aus. Das Spiel sieht über weite Strecken sehr
schön, aber kaum besser als sein opulenter Vorgänger aus.

Besonders gestört haben uns allerlei Grafik-Macken: In
Zwischensequenzen ziehen sich hässliche Tearing-Linien über den
Schirm. Besonders in der Toskana nerven ständg aufpoppende Texturen
und zerstören schnell das idyllische Bild von Auen und Feldern.
Auch in den Städten haben wir viele dieser Grafikpatzer beobachten
können. Dies trübte die ansonsten wirklich tolle Atmosphäre
merklich und daher rangiert „Assassin’s Creed 2“ technisch deutlich
hinter einem „Uncharted 2: Among Thieves“.
Bewertung: 8.5 von 10
„Assassin’s Creed 2“ ist sicherlich ein sehr gutes Spiel, aber für
einen echten Megahit fehlt es dem Assassinen-Abenteuer noch immer
an Feinschliff. Besonders das Kampfsystem wirkt schlecht
ausbalanciert und die KI hoffnungslos überfordert mit den
Möglichkeiten, die das Spiel selbst bietet. Dafür überzeugt
„Assassin’s Creed 2“ mit einer – trotz vieler Grafikfehler – tollen
Atmosphäre, schönen Ausblicken und natürlich bezaubernden Städten.
Für eine Traumwertung hat es daher nicht gereicht.
System: Playstation 3
Vertrieb: Ubisoft
Entwickler: Ubisoft
Release: 19. November 2009
USK: ab 16 Jahre
offizielle Homepage: http://assassinscreed.de.ubi.com/assassins-creed-2
Quelle:
www.play3.de