Geschrieben: 11 Nov 2014 11:57
Der Tatortreiniger - Staffel 3
Story 9
Bild 8
Ton 6
Ausstattung 4
Gesamt 6
Der Tatortreiniger hat sich vom unbeachteten Nischendasein im
Nachtprogramm des NDRs zu einer Comedy-Serie gemausert, die
speziell ein junges Publikum plötzlich zu den
Öffentlich-Rechtlichen zieht. Lange mussten Fans auf neue Episoden
warten, doch nun erscheinen immerhin die Folgen 10-13 auf Set 3 zur
Serie rund um Putzteufel Schotty. Ob die Blu-ray-Ausgabe sauber in
HD überzeugt oder mit schmutzigen Tricks arbeitet, klären wir in
unserem detaillierten Review.
Story
Heiko „Schotty“ Schotte (B. Mädel) verdient als Tatortreiniger
seine Wurstbrötchen. Obwohl er täglich menschliche Überreste
beseitigt, hat er mehr Ärger mit den Lebenden als mit den Toten:
Bei seinen Einsätzen trifft er immer wieder auf eigenwillige
Individuen, mit denen er so manche Lebensweisheit austauscht. In
den neuen Folgen der Serie gerät Schotty an eine militante
Veganerin, eine fanatische Altruistin, eine vergessene Flamme und
den Geist eines frustrierten Beamtens.
Bjarne Mädel wurde den meisten Zuschauern zunächst in seiner Rolle
als überdrehter Ernie in „Stromberg“ bekannt. Als Schotty hat er
jedoch seine absolute Paraderolle gefunden: Der Tatortreiniger
bietet enormes Identifikationspotential, da er sozusagen an der
Basis schuftet, aber doch in seinem warmherzigen Verhalten mehr
Lebensweisheit versprüht als die meisten Akademiker. Dies
unterstreicht etwa gleich die erste Folge „Fleischfresser“, welche
sich relativ facettenreich mit Veganismus und zugleich auch
Intoleranz beschäftigt. „Carpe Diem“ behält diese zweiseitige
Betrachtungsweise bei und geht sowohl auf den Mief deutscher
Amtsstuben als auch darum, wie manche Entscheidungen das gesamte
Leben prägen. „Ja, ich will“ dagegen betrachtet die diffuse Grenze
zwischen Altruismus und Egomanie. Besonders ungewöhnlich ist die
Episode „Schweine“, in der man erstmals einen ausführlichen
Einblick in Schottys Vergangenheit erhält. Diese starke
Charakterzeichnung hebt diese Folge von den anderen noch zusätzlich
etwas ab. Dabei hat jede der enthaltenen vier Episoden ihre eigenen
Schwerpunkte und nutzt Schotty als Anker, um sowohl
Gesellschaftskritik zu üben als auch zum Nachdenken anzuregen.
Klar, dass die absurden Situationen und Gespräche aber nie
erdrückend wirken, sondern zum Schmunzeln anregen. Trotzdem ist es
gerade dieses Setzen auf subtile Komik, das den Tatortreiniger weit
über typischen Schenkelklopfer-Humor heraushebt.
Abnutzungserscheinungen gibt es bei Der Tatortreiniger im Set 3 zum
Glück noch keine: Jede Folge überrascht mit neuen Charakteren bzw.
einem unerwarteten Setting. Die Mischung aus Drama, Denkanstößen
und Humor ist im deutschen Fernsehen einzigartig – noch mehr für
ein öffentlich-rechtliches Format. Bleibt nur zu empfehlen, in
Schottys Welt einzusteigen: Egal ob mit den hier vorliegenden vier
Episoden oder dem genau so starken ersten Set.
Bildqualität
Man sieht dem Tatortreiniger seine Fernseh-Ursprünge an. Die
digital gedrehte Serie entsteht mit verhältnismäßig geringem
Aufwand, macht aus diesem dezenten Indie-Flair aber zum Teil auch
eine Stärke: Zwar ist der Detailgrad nur in Nahaufnahmen restlos
überzeugend, doch die neutral bis gemäßigte Farbgebung, die soliden
Schwarzwerte und die ausgeglichenen Kontraste passen zur
Kammerspiel-Inszenierung des Formats. Sicher erzeugt Der
Tatortreiniger in HD keinen „Wow-Effekt“ wie manch internationale
Produktion, weiß aber mit seinem ganz eigenen, spröden visuellen
Flair zu überzeugen. Zumal es weder mit der Kompression oder
sonstigen technischen Anomalien Probleme gibt.
Tonqualität
Wenn schon nicht bei Soaps und Boulevard-Talkshows, so sparen die
öffentlich-rechtlichen TV-Sender bei den Tonaufnahmen zu ihren
Serien-Produktionen: Leider liegt Der Tatortreiniger trotz seines
jungen Alters nur in angestaubtem Dolby Digital 2.0 vor. Aufgrund
des Charakters der Serie, die sich extrem auf die Dialoge verlässt,
kann man dies jedoch verschmerzen. In den einzelnen Folgen glänzt
Musik größtenteils durch Abwesenheit und Geräusche im Hintergrund
halten sich ebenfalls in Grenzen. All das liegt aber an der Machart
an sich, so dass die zweckmäßige Stereospur durchaus in Ordnung
geht. Vermutlich hätte hier auch ein verlustfreier Mix bzw. eine
Surround-Abmischung nur wenige Vorteile geboten.
Ausstattung
Die Bonusmaterialien beschränken sich im Falle des Tatortreinigers
auf eher kuriose Beiträge. Zum einen liegt dem Set ein Aufkleber
mit einem Herz und dem Motto „Ein Herz für Schmutz“ bei. Jener
prangt in der Serie auch auf Schottys Putzkiste. Zusätzlich sind
außerdem die aus dem ersten HD-Set bekannten Folgen „Schottys
Kampf“ sowie „Angehörige“ als synchronisierte Versionen in Englisch
bzw. Französisch mit englischsprachigen Untertiteln enthalten. Hier
ist Durchhaltevermögen gefordert, um eine komplette Episode
durchzustehen. Als Unikum sorgen die Folgen in diesen ungewohnten
Fassungen aber für Amüsement. Man erahnt, wie sich Amerikaner wohl
fühlen, wenn sie Serien wie „Game of Thrones“, „The Walking Dead“
oder „Supernatural“ in den deutschen Fassungen sichten.
Fazit
Der Tatortreiniger spielt für eine deutsche, öffentlich-rechtliche
TV-Produktion auf einem soliden Niveau: Das HD-Bild versprüht
leichtes Indie-Flair und passt zur eigenwilligen
Kammerspiel-Stimmung der Serie. Zwar verbleiben die Tonspuren bei
schnödem Dolby Digital in Stereo, das tut dem Genuss der ohnehin
fast auf die Dialoge reduzierten Serie aber keinen Abbruch. Das
Bonusmaterial ist mit den auf Englisch und Französisch
synchronisierten Zusatz-Episoden etwas kurios ausgefallen. Das Set
Nummer 3 zu Der Tatortreiniger macht vor allem eines: Lust auf
mehr. Die Macher halten das hohe Niveau der ersten neun Folgen. Es
ist eine Schande, dass man bei den öffentlich-rechtlichen
TV-Anstalten so lange kaum etwas mit der Serie anzufangen wusste
und statt sie im Hauptprogramm als Ereignis zu inszenieren, alle
Folgen im Nachtprogramm des NDR verheizt hat. Zahlreiche
Auszeichnungen später ist Der Tatortreiniger speziell für junge
Leute zu einer einsamen Oase im vergreisten Programm des
staatlichen Rundfunks geworden. Die Episoden 10-13 der Serie
untermauern diesen Status und legen ein klein wenig mehr Wert auf
Charakterzeichnung und emotionale Momente als zuvor. Darunter
leidet der Spaß aber zu keiner Zeit. Deswegen heißt es für Fans von
Schotty natürlich auch dieses Mal: Unbedingt zugreifen. (anw)