Geschrieben: 30 Aug 2014 14:31
The Congress (2013)
Story 7
Bild 9
Ton 8
Extras 4
Gesamt 7
The Congress hat 2013 den Europäischen Filmpreis als bester
Animationsfilm abgeräumt, ist aber trotz Star-Power (Robin Wright,
Harvey Keitel, Jon Hamm, etc.) in erster Linie Arthouse-Fans
bekannt. Das ist schade, denn die schräge Mischung aus Real- und
Animationsfilm bietet neben inhaltliche auch optische Schauwerte.
Alive veröffentlicht in Deutschland eine HD-Fassung der
internationalen Ko-Produktion, um neue Fans zu gewinnen.
Story
Die Schauspielerin Robin Wright (R. Wright) hat ihre besten Zeiten
hinter sich. Deswegen verkauft sie quasi die Rechte an der
Vermarktung ihrer Person an ein Hollywood-Studio. Das Studio darf
eine Art digitalen Avatar von Wright 20 Jahre lang uneingeschränkt
nutzen. Wright kassiert im Gegenzug groß ab und lebt mit der
Gewissheit, dass ihr Ebenbild ewig jung bleibt. Wright zieht sich
nun zurück, um ihrem künstlichen Pendant das Rampenlicht zu
überlassen. Als sie jedoch aus dem Exil zurückkehrt, findet sie
eine Welt vor, deren Veränderungen nur als radikal zu beschreiben
sind.
Der israelische Regisseur Ari Folman landete mit der
ungewöhnlichen, animierten Dokumentation Waltz with Bashir 2008
einen Achtungserfolg. The Congress knüpft trotz fiktionaler
Geschichte in gewisser Weise an Folmans vorherigen Film an, da auch
hier surreale Animationen eine an sich eher bedrückende Erzählung
untermalen. So wird die Welt in The Congress von
Hollywood-Filmstudios und Pharmakonzernen beherrscht. Lose lehnt
man sich an das Buch „Der futurologische Kongress“ von Stanislaw
Lem („Solaris“) an. Leider hat man jedoch das ironische
Augenzwinkern der Vorlage weitgehend ausgespart und ergeht sich,
wie leider viele Arthouse-Filme, stellenweise zu extrem in der
eigenen Surrealität. Dabei hat der Film inhaltlich dennoch einiges
zu bieten und überspitzt vor allem die Doppelmoral Hollywoods:
Einerseits propagieren die Filmstudios, Träume metaphorisch
Wirklichkeit werden zu lassen und die Menschen im schnöden Alltag
zu verzaubern, andererseits herrschen knallharte wirtschaftliche
Realitäten, die Kunst und Kreativität oft erdrücken. In The
Congress nimmt dieses Zusammenspiel aus Traum und Albtraum eine
zentrale Rolle ein, was sich auch im eigenwilligen Animationsstil
zeigt, der ab der zweiten Hälfte des Films dominiert.
So wie die Schauwerte im Film ansteigen, so wirr wird aber
teilweise auch die Handlung: Man muss schon eine gewisse Affinität
zu psychedelischen Bildern mitbringen, um an The Congress seine
Freude zu haben. Stellenweise muss man sich aus den erzählerischen
Bruchstücken selbst die Handlung zusammenklauben, was nicht
jedermanns Geschmack sein dürfte. Am Ende bleibt The Congress ein
interessantes Experiment, das optisch und inhaltlich durchaus
versteckte Werte zu bieten hat, aber etwas hinter dem Potential
zurückbleibt: Hätte Folman den Animationsstil weniger cartoonhaft
überzogen und gezielter mit den kulturkritischen Aspekten in Bezug
gesetzt, wäre vielleicht auch ein größeres Publikum drin gewesen.
Was bleibt, ist zwar ein sehenswertes Unikat, dessen verwirrende,
teils lang gezogene Struktur aber auf die Geduld von Arthouse-Fans
gemünzt ist.
Bildqualität
The Congress beeindruckt mit ausgezeichneter Bildqualität, die nur
von sehr kleinen Mankos getrübt wird. So erkennt man in dunklen
Szenen leichtes digitales Rauschen und viele Szenen offenbaren den
typischen, leicht flachen Look, den man von günstigen, digitalen
Produktionen kennt. Hier macht sich das eingeschränkte Budget von
acht Mio. Euro bemerkbar. Ansonsten gibt es jedoch auch viel
Positives zu vermelden: Schärfe und Detailgrad sind extrem hoch,
was sich speziell auf die Realfilm-Passagen der ersten Filmhälfte
mehr als positiv auswirkt. Kontrast und Schwarzwerte stimmen
ebenfalls: Die Realfilm-Aufnahmen nutzen absichtlich einen ganz
leicht verwaschenen und entsättigten Look. Sobald die Animationen
dominieren, wird es deutlich bunter und bewusst als Stilmittel
eingebundenes Filmkorn sorgt für eine zugleich lebendige wie
düstere Optik. Insgesamt stimmt hier das HD-Erlebnis und Fans
visuell experimentierfreudiger Filme kommen voll auf ihre
Kosten.
Tonqualität
Sowohl der deutsche als auch der englischsprachige Originalton
liegen einmal in Stereo und ein anderes Mal in 5.1-Surround vor.
Wer über eine entsprechende Anlage verfügt, nutzt natürlich die
5.1-Spur. Mit Räumlichkeit trumpft aber vor allem die zweite
Filmhälfte auf, wenn die surrealen Animationen sich mit einer
breiten, klanglichen Bühne koppeln. Die Dialogverständlichkeit ist
stets ausgezeichnet, wobei die Stimmen wenig überraschend in der
Stereo-Abmischung noch etwas mehr im Vordergrund stehen. Musik
kommt in The Congress dagegen eher dezent zum Einsatz – viele
Aufnahmen kommen komplett ohne Soundtrack aus. Der
englischsprachige Mix ähnelt seinem deutschen Pendant. Wie
heutzutage fast schon Standard, stehen die Stimmen der Schauspieler
allerdings nicht ganz so stark im Zentrum und die
Umgebungsgeräusche wirken etwas akzentuierter. Gut zu sehen ist
dies etwa an den Szenen im Podium in der zweiten Filmhälfte.
Ausstattung
Die Extras zu The Congress sind eine ähnlich krude Mischung wie der
Film selbst: Zu vier ausgewählten Szenen gibt es eine schrittweise
Abfolge der Entstehung: Man sieht, wie zunächst die realen
Schauspieler die Aufnahme proben, dann folgt die darauf aufbauende
Storyboard-Sequenz, anschließend eine Vorab-Animation und dann die
fertige Filmsequenz. Leider ist das SD-Bildmaterial von schlechter
Qualität und es fehlen zusätzliche Erläuterungen der Macher. Jene
liefert immerhin der Audiokommentar von Regisseur Ari Folman, der
zum Gesamtfilm auf der Disk ruht. Es handelt sich um einen
unterhaltsamen Kommentar, der stellenweise sogar etwas Licht ins
Dunkel der surrealeren Szenen bringt. Wer also nach der ersten
Sichtung mit einem Fragezeichen vorm Bildschirm sitzt, darf sich
Folmans Kommentar gönnen.
Fazit
The Congress protzt technisch mit einem sehr hochwertigen Bild, das
der eigenwilligen Optik des Hybrids aus Real- und Animationsfilm
gut zu Gesicht steht. Beim Ton gibt sich der Vertrieb Alive!
facettenreich und bietet Optionen auf sowohl Stereo- als auch
Surround-Sound in Deutsch und Englisch an. Die Spuren sind dem
Material absolut angemessen und runden den akustisch-visuell
hochwertigen Eindruck ab. Schade, dass das Extramaterial mit der
Abzeichnung der schrittweisen Entstehung mehrerer Szenen so
unkommentiert im Raum stehen bleibt. Einige Interviews zu diesem
experimentellen Projekt und seinen kritischen Motiven hätten sicher
den einen oder anderen Arthouse-Fan erfreut. Man erkennt in The
Congress viel Potential, das aber leider nicht immer genutzt wurde.
Die erste Filmhälfte etwa wirkt sehr gestreckt und hätte deutlich
komprimierter mehr emotionale Wucht entfaltet, ohne inhaltlich an
Zugkraft zu verlieren. Dagegen hätte der zweiten Hälfte, die von
Real- zu Animationsfilm umschwenkt, vielleicht etwas mehr Struktur
gut getan. Gegen surreale Elemente und offen gehaltene Denkansätze
ist grundsätzlich nichts zu sagen. Im Gegenteil: Es ist zu
begrüßen, wenn ein Film den Zuschauer zum Nachdenken anregt.
Manchmal zelebriert The Congress jedoch in erster Linie seine
eigene Surrealität. Diese Selbstzweckhaftigkeit wird mancher
Zuschauer als prätentiös empfinden. Somit bleibt The Congress am
Ende eine Empfehlung für Arthouse-Freunde, dürfte Mainstream
gewohnte Kinogänger aber eher überfordern. (anw)
Kaufempfehlung
7 von 10
Die Kaufempfehlung der The Congress Blu-ray wird anhand der
technischen Bewertung und unter Berücksichtigung der Story
berechnet.
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