Story: 10/10
Bildqualität: 9/10
Tonqualität: 7/10
Ausstattung: 6/10
Regisseur David Lynch machte sich einen Namen mit absonderlichen
Filmen, die allesamt die Handschrift des Regisseurs trugen und nur
selten beim ersten Ansehen verstanden wurden, beziehungsweise
derart viel Spielraum für Interpretationen lassen, dass sie dem
Publikum für lange Zeit im Gedächtnis herumspukten.
Während es eines der Markenzeichen Lynchs ist, die Abgründe hinter
der scheinbar biederen, freundlichen Fassade auszuloten, schuf er
1980 mit Der Elefantenmensch einen Film, der statt dessen das
Menschliche hinter einer abschreckenden Fassade aufzeigt und damit
zugleich auch ein Mahnmal für Toleranz Andersartigen gegenüber
darstellt.
Story:
Während eines Jahrmarktbesuchs stößt der bekannte Chirurg Frederick
Treves (A. Hopkins) auf John Merrik (J. Hurt). Der schwer
missgebildete Merrik wird dort als Attraktion im Rahmen einer
Freakshow als Der Elefantenmensch ausgestellt und von seinem
„Besitzer“ schwer misshandelt. Treves nimmt Merrik unter seine
Obhut und entdeckt bald, dass der entstellte Merrik ein sensibler
Mensch ist, der sehr viel menschlicher ist, als die Meisten in
seiner Umgebung. Doch das Schicksal holt den Missgebildeten Mann
ein, denn selbst die sogenannte feine Gesellschaft des
viktorianischen Englands und auch die medizinischen Gelehrten sehen
in Merrik oft nicht mehr als ein entstelltes Monstrum.
Der Film basiert auf der wahren Geschichte von Joseph Merrick,
welche Aufzeichnungen seines Arztes Treves entnommen wurde.
Produziert wurde dieses Drama von Mel Brooks, der von dem Drehbuch
und dem Regisseur begeistert war, seinen Namen allerdings aus den
Credits und vom Filmplakat streichen ließ, damit niemand den
Verdacht hegte, es handle sich bei dem Film um eine, für Mel Brooks
typische, Parodie.
Mit Der Elefantenmensch lieferte Regisseur David Lynch nach seinem
Debut Eraserhead seinen zweiten Kinofilm ab und schaffte damit den
Sprung ins Mainstream-Kino. Gleichzeitig zeigt der in Schwarz-Weiß
gedrehte Film mit seinen zahlreichen Schattenspielen bereits die
hohe künstlerische Ader Lynchs, die er neben seiner Tätigkeit als
Filmschaffender auch als Maler, Komponist und Fotograf auslebte. So
legte der Film nicht nur einen Grundstein für die Kinokarriere des
Ausnahmetalents, sondern zeigt bereits zahlreiche Facetten, die
auch in späteren Filmen typisch für Lynch werden sollten.
Die schauspielerischen Leistungen sind ebenfalls in jeder Hinsicht
bemerkenswert. Zum einen wäre da ein phantastischer Anthony
Hopkins, der bereits bei der ersten Begegnung mit Merrick eine
Träne des Entsetzens und der Trauer hervorzaubert, und somit schon
ganz zu Anfang des Films zeigt, warum er zu Recht zu den ganz
Großen seiner Zunft gehört. Im weiteren Verlauf stellt Hopkins noch
mehr von seinem Talent zur Schau, wird allerdings von seinem
Filmpartner John Hurt locker an die Wand gespielt. Hurt schafft es,
trotz der grandiosen Arbeit des Maskenbildners, der Hurt täglich in
stundenlanger Arbeit in den Elefantenmenschen verwandelte, seine
Emotionen glaubhaft und sichtbar darzustellen. Trotz der Tatsache,
dass der größte Teil seiner Mimik unter einer Maske verborgen ist,
schafft Hurt es dennoch, eine absolut grandiose, man möchte sogar
sagen tadellose, schauspielerische Leistung zum Besten zu geben.
Auch die Arbeit des Maskenbildners ist derart genial und
glaubwürdig, dass der Zuschauer keinen Augenblick daran zweifelt,
den echten Joseph Merrick vor der Kamera zu sehen. Das hat auch zur
Folge, dass es ein leichtes ist, sich die enormen Reaktionen der
damaligen Bevölkerung vorzustellen.
Obwohl der Film für acht Oscars nominiert wurde, gewann er keine
einzige der Trophäen. Der Oscar für das beste Make-up wurde erst im
Folgejahr eingeführt, was zum Teil daran liegen mochte, dass eine
Protestwelle losbrach, da man die von Christopher Tucker
entworfenen Masken gewürdigt wissen wollte.
Und so ist David Lynchs zweiter Spielfilm auch heute noch ein
großartiges Meisterwerk, das nichts von seinem Charme und seiner
Intensität verloren hat. Von der ersten Minute bis zum dramatischen
Ende packt der Film seine Zuschauer und hält ihnen einen Spiegel
vor, wie die schaulustigen Gaffer Merrick einen Spiegel vorhalten.
Grandioses Kino in seiner reinsten Form.
Bildqualität:
Das Bild liegt in perfekt kontrastiertem Schwarz-Weiß mit
hervorragendem Schwarzwert vor, wodurch der authentische Charakter
dieses Biopics zusätzlich an Stärke gewinnt. Die Schärfe, vor allem
im Nahbereich, ist verblüffend gut, zeigt Materialstrukturen und
kleinste Details und wirkt teilweise schon richtig plastisch.
Feines, nur in wenigen Szenen stärker bemerkbares, Filmkorn
verleiht dem Streifen zusätzliche Erhabenheit. Filmfehler und
störende Artefakte sind ebenfalls fast völlig verschwunden, und so
zeigt Der Elefantenmensch, was man aus einem über 30 Jahre alten
Film mit anständiger Restauration herausholen kann.
Tonqualität:
Der deutsche Stereoton ist nahezu perfekt abgemischt und klingt
frisch und dynamisch. Auf Raumklang muss man zwar verzichten, dafür
gibt es aber andererseits kein störendes Hintergrundrauschen.
Stattdessen liefern die Frontlautsprecher glasklare Dialoge und
eine wohlklingende Geräuschkulisse. Auch der sparsam eingesetzte,
sehr melancholische, für den Oscar nominierte Soundtrack von Mel
Brooks Stammkomponist John Morris klingt überraschend gut. Man
könnte vielleicht den fehlenden Raumklang bemängeln, doch ein Titel
wie dieser kommt auch ohne hervorragend aus, zumal es ohnehin an
großen Möglichkeiten für tonale Highlights fehlt. Wer dennoch hören
möchte, wie sich HD-Surround anhört, der kann auf den ebenfalls
nahezu perfekten Originalton zurückgreifen.
Ausstattung:
- Featurette: Joseph Merrick – Der wahre Elefantenmensch (19:53
Minuten)
- Die Luft brennt: Interview mit David Lynch (14:50 Minuten)
- John Hurt Interview (20:14 Minuten)
- David Lynch Interview (24:49 Minuten)
- Mike Figgis interviewt David Lynch (19:50 Minuten)
- BD-Live
Neben einem sehr informativen Feature über den echten Joseph
Merrick, welches mit zahlreichen zeitgenössischen Aufnahmen und
Fotos aufwartet und neben dem hohen Informationsfaktor auch
unglaublich spannend und gut erzählt ist, gibt es auf der Scheibe
zahlreiche Interviews, die so ziemlich jeden Aspekt beleuchten und
jede Frage beantworten, die in Zusammenhang mit dem Film und dessen
Produktion, aber auch ganz allgemein über die Arbeiten von David
Lynch aufkommen könnte. Natürlich wären ein Audiokommentar oder ein
Special über die großartige Arbeit des Maskenbildners eine schöne
Sache gewesen – und auch Specials in HD wären nicht zu verachten,
aber alles in allem stellen die gebotenen Extras schon einen
erheblichen Mehrwert dar.
Fazit:
Technisch muss man vor dem mehr als 30 Jahre alten Film durchaus
den Hut ziehen. Das Schwarz-Weiß-Bild ist nahezu perfekt, der
deutsche Stereoton klingt ebenfalls ganz hervorragend, und die
zahlreichen Extras lassen kaum eine Frage offen.
Der Film selbst ist ein absolutes Meisterwerk, welches Kunst und
Mainstream aufs trefflichste verbindet, und mit zwei absoluten
Top-Schauspielern eine wahre Geschichte erzählt, die packender ist,
als manches, was Hollywood sich ausdenken kann. Ein absoluter
Pflichtkauf für Cineasten, und eine wertvolle Neuentdeckung für
alle, die den Streifen noch nicht kennen. (ms)