Wow, was ein Trip. Um zu verstehen was
High-Rise ist
sollte man sich die Irrenhaus-Etappe aus
Asterix erobert
Rom vor Augen führen (Stichwort: Passierschein A38), das Thema
Bürokratie durch Klassenkampf und Gesellschaftssatire austauschen
und sich dies als Erwachsenenunterhaltung vorstellen. Hier wird auf
alle gängigen Erzählstrukturen gepfiffen, Bilder werden
stakkato-artig aneinandergereiht und nach dem verhältnismäßig
ruhigen Start, tobt nur noch das Chaos. Die Optik mit dem tollen
Produktionsdesign, detailverliebter Ausstattung und montageartiger
Schnitttechnik entwickelt einen immer stärkeren Sog, der sich fast
unbemerkt von lustig in schockierend wandelt.
Die Kritik an der Gesellschaft und am menschlichen Verhalten
innerhalb eines klassenübergreifenden System (hier ein Hochhaus)
interessiert hier nur sekundär. Vielmehr erfreut man sich an den
surrealen Bildern und absurden Momenten, wenn nahezu alle Akteure
von den gesellschaftlichen Zwänge befreit sind, ihre Normen ablegen
und nur noch das Chaos regiert. Wenn das Proletariat dem Adel den
Krieg erklärt, verliert der Film endgültig sämtliche Strukturen und
bekannte Rhytmen, was hier aber nicht als Kritik gelten soll,
sondern vielmehr mit dem Inhalt einhergeht. Anarchie in Bild und
Form sozusagen.
Teilweise zeugen die Montagen von solcher Schönheit und Perfektion
(auch weil sie gewiss immer ironisch mit klassischer Musik
unterlegt werden, ähnlich wie in Kubricks
A Clockword
Orange), sodass auch bei einer Laufzeit von 2 Stunden kaum
Längen entstehen. Regisseur Ben Wheatley findet immer wieder
bekannte Situationen, verpasst diesen einen Twist und versorgt
damit den Zuschauer mit neuen unterhaltsam-grotesken Momenten.
Beispiel gefällig? In einer Szene vergisst Protagonist Tom
Hiddleston ein Französisch-Lehrbuch an der Supermarktkasse. Ein
paar Szenen später, wenn bereits Anarchie herrscht und sämtliche
Bewohner sich um die letzten Lebensmittelvorräte die Köpfe
einhauen, versucht die Kassierin die Situation mit Durchsagen auf
französisch Herr zu werden. Es ergibt auf den ersten Momenten zwar
überhaupt keinen Sinn, fügt sich aber auf unterhaltsame Art in den
Kontext der Situation perfekt ein.
So wird das Verhalten der Figuren immer weniger nachvollziehbar und
driftet dabei stark in surreale Gefilde ab. So schlägt ein hoch
angesehener Bewohner seine Frau, was bei anwesenden Personen nicht
in Schock und Zorn resultiert, sondern überraschenderweise mit
Lachen quittiert wird. Solche Szenen nehmen bei fortschreitender
Laufzeit immer düstere Züge an, wenn z.B. ein Vergewaltigungsopfer
am nächsten Tag ihren Peiniger Essen macht, indem sie ihm eine Dose
Katzenfutter öffnet. So werden bewusst Dadaismus, Groteske und
Anspielungen an veraltete Geschlechterrollen miteinander verwoben
und erreichen damit einen skurillen Mix aus Faszination und
Fassungslosigkeit.
Eine richtigen Handlungsverlauf scheint es dabei nicht zu geben,
vielmehr liegt der Reiz in der Summe an fantastisch-absurden oder
fantastisch-abscheulichen Momenten. Der mosaikartige
Inszenierungsstil wird Vielen Kopfschmerzen bereiten, der Inhalt
wird sein Übriges dazu beitragen, aber der Rest wird diese absurde
Perle vielleicht zu schätzen wissen.
(8/10)