Das australische Entwicklerstudio
Team Bondi zeigte den
ersten Trailer von
L.A. Noire im Jahre 2006. Schnell wurde
klar, dass der damals noch als PS3-exklusiv gehandelte Titel eine
Hommage an den Film Noire der 40er und 50er Jahre sein sollte. Eine
düstere und tiefe Kriminalgeschichte versprach man uns Zockern.
Dieses Mal sollen wir aber in die Rolle des Gesetzes schlüpfen,
anders als in den vielen GTA-Vorgängern von Rockstar Games.
Nun, nach 5 Jahren Entwicklungszeit, können wir endlich die neue
Technik, die hinter den Gesichtsanimationen steckt, bestaunen und
auf eigene Faust das Los Angeles der 40er Jahre von Korruption und
Kriminalität befreien. Ob Team Bondi hier ein ähnliches Kaliber
ablegt wie die Entwickler von Rockstar San Diego mit
Red Dead
Redemption, erfahrt ihr in unserem Review zu
L.A.
Noire.
STORY
Los Angeles, 1947. Amerika geht aus dem Zweiten Weltkrieg als
Sieger hervor und schickt seine Soldaten von der Front zurück in
eine Heimat, die nach einer totalen Zerrüttung, ein beispielloses
Wachstum erfährt. Hollywood wird zum leuchtenden Werbebanner des
„Amerikanischen Traums“ für die ganze Welt. Doch unter der
schillernden Oberfläche wuchern Korruption und Drogenhandel, junge
Mädchen, die den Sprung nach oben schaffen wollen, werden schamlos
ausgenutzt und ehemalige Soldaten versuchen verzweifelt mit ihren
Traumata fertig zu werden und ein neues Leben zu beginnen.
Einer dieser Kriegsveteranen ist Cole Phelps. An der Front hat er
sich als Marine Lieutenant eine der höchsten Auszeichnungen der
Navy, den Silver Star, verdient. Er ist ein junger Familienvater,
der motiviert den Dienst an der Waffe angetreten ist, um gegen die
Ungerechtigkeit in der Welt zu kämpfen. Begleitet von zahlreichen
Flashbacks in die Zeit an der Front, bahnt ihr euch den Weg vom
Streifenwagenpolizist bis zum Detective im Morddezernat.
Die Polizeiuniform tauscht ihr relativ schnell gegen einen
schnittigen Anzug mit Hut ein und löst fortan eine Reihe von
brutalen Morden an Frauen. Der Beginn der Geschichte wirkt auch
durch die Rückblenden etwas konfus und die kurzen Einsätze lassen
einen großen Handlungsstrang eher vermissen. Doch mit dem Beginn
der großen Fälle, zieht auch der Spannungsbogen ordentlich an,
findet ihr doch relativ schnell heraus, dass sich ein Zusammenhang
zwischen all den Morden finden lässt. Auch die durch die Zeitungen,
die ihr an den verschiedenen Schauplätzen findet, transportierte
Story findet irgendwann eine Verknüpfung zum Hauptstrang der
Geschichte.
Alle Charaktere sind Rockstar typisch fantastisch gestaltet und zu
jeder Zeit mehr als glaubhaft. Die neue Technik, die für die
Gesichtsanimationen zum Einsatz kam, trägt einiges dazu bei. Aber
auch das Voiceacting und die Schauspieler an sich, sind
grandios.
Leider endet die Hauptstory zum Schluss ein wenig abrupt und das
Finale hätte einiges mehr an Glanz vertragen. Auch wenn die
transportierte Metapher der letzten Mission stimmt, so bleibt am
Ende doch ein gewisses Gefühl der Unzufriedenheit zurück. Dennoch
überzeugt die Geschichte mit ihren vielen Wendungen und einigen
kleinen Überraschungen größtenteils. Das Thema der Korruption und
die vielen toll ausgearbeiteten Fälle, die teilweise auf echten
Ereignissen beruhen, lassen euch tief in das Los Angeles der 40er
Jahre eintauchen.
GAMEPLAY
Ihr übernehmt die Rolle von Cole Phelps aus der Third Person Sicht
und steuert euer virtuelles Konterfei mit der gewohnten Steuerung.
Der Spielablauf folgt einem festen Schema: Ihr habt eine
Besprechung in der Hauptzentrale, fahrt dann zum Tatort mit eurem
zugewiesenen Partner, untersucht die Leiche und die Indizien am
Tatort und spinnt euch mittels eurem schlauen Notizbuch die
Verbindungen zusammen. Während ihr einen Tatort untersucht, werdet
ihr von einer Musik begleitet. Habt ihr alle Indizien und Beweise
gefunden, hört diese auf und ihr seid euch sicher, dass euren
Adleraugen nichts entgangen ist. Lauft ihr direkt an einem
vermeintlich interessanten Gegenstand vorbei, ertönt ein kurzer
Ton. Auf Wunsch könnt ihr die musikalische Hilfestellung aber auch
jederzeit deaktivieren.
Ihr solltet stets gründlich vorgehen, denn auch wenn ihr nicht alle
Beweise gefunden habt, geht die Story stetig weiter. Ihr habt dann
im Zweifelsfall eben weniger Druckmittel und Informationen für eure
Vernehmungen mit Verdächtigen.
Diese laufen anfangs noch ein wenig holprig ab und können für
Frustmomente sorgen, muss man doch gehörig aufpassen um die
richtigen Beweise aus seinem Notizbuch zu wählen. Habt ihr ein Mal
gar keine Ahnung was zu wählen ist, so könnt ihr schwer verdiente
Intuitionspunkte spenden, um entweder eine Antwort zu streichen,
oder nachzusehen wie die Playstation Community reagiert hat. Mit
der Zeit werdet ihr aber immer besser und besser. Später schaut man
nur noch nach den richtigen Beweisen, um einen Verdächtigen der
Lüge zu überführen. Man weiß genau, was Cole Phelps dem
Verdächtigen gleich vorwerfen wird, wenn man zum Beispiel „Lüge“
wählt.
Ab und an werden verdächtige oder direkt unter Mordverdacht
stehende Personen auf das Revier gebracht. Dort muss dann auch mal
eine Entscheidung getroffen werden, wer angeklagt werden
soll.
Hin und wieder löst ihr auch kleinere Rätsel. Am meisten
Gehirnschmalz fordert das Spiel aber für das Lösen der Fälle.
Übrigens löst ihr einen Fall immer, dabei ist die Anzahlt eurer
Fehlantworten egal oder ob ihr nicht alle Hinweise entdeckt habt.
Am Ende eines Falles löst eine Bewertung auf wie gut ihr gewesen
seid. Dabei gibt es ein Ranking von einem bis zu fünf Sternen. Das
ist toll gelöst und schon bald werdet ihr versuchen jeden Fall mit
voller Punktzahl abzuschließen.
Wie ihr merkt, besteht das Gameplay hauptsächlich aus ruhigen und
spannenden Momenten, die eine besonders tiefe Gameplayerfahrung
generieren und ordentlich Köpfchen fordern. Aber
L.A.
Noire wäre kein Rockstar Spiel, wenn nicht auch etwas Action
aufkäme. So kommt es ganz gerne mal vor, dass ihr einen
Verdächtigen verfolgen müsst, in eine Handgreiflichkeit verwickelt
werdet, oder gar in Schussgefechte. Letztere tauchen eher selten
auf, wobei wilde Hetzjagden zu Fuß und per Auto sowie Prügelleien
ziemlich häufig vorkommen. Sie gehen aber prima von der Hand und
bleiben stets knackig. Verfolgt ihr zum Beispiel einen Verdächtigen
zu Fuß, so springt Cole selbstständig über Hindernisse wie Wände
und Zäune und klettert automatisch an Leitern und Rohren empor. Das
ist wirklich sehr schön geglückt und trägt einiges zum Spielspaß
bei, bleibt ihr doch so nicht an jeder zweiten Kante hängen, oder
müsst krampfhafte Controllergriffe meistern.
Einzig die Schießereien gehen dank der hinteren Triggertasten
schwammig von der Hand. Abermals entschied man sich bei Rockstar
für das Zielen die L2-Taste und für das Schießen die R2-Taste
herzunehmen. Sinnvoller wären die vorderen Tasten R1 und L1
gewesen. Auf der R1-Taste geht ihr hingegen in Deckung.
Das Fahren der alten Vehikel geht auch sehr unproblematisch von der
Hand. Einzig der dichte Verkehr kann ab und an für Blechschäden
sorgen. Wer möchte, kann auch jederzeit seinen Partner mit dem Auto
zum Einsatzort fahren lassen. Das ist angenehm, spart Zeit und
Blechschäden. Apropos Partner: Ihr seid im Spiel nur selten allein.
Die meiste Zeit verbringt ihr an der Seite eures Partners. Diese
helfen euch in Handgreiflichkeiten und Schießereien. Zum Glück
müsst ihr ihnen nie behilflich sein, oder sie gar beschützen. Sie
agieren selbstständig und mit ihrer beratenden Funktion geben sie
manchmal auch nützliche Tipps.
Unterm Strich wirken viele Momente im Spiel arg recycelt und auch
bei einigen Bewegungsabläufen kann ein leichtes Déjà-vu aufkommen.
Bei der Fülle an Missionen ist das aber verzeihbar.
PRÄSENTATION
Fangen wir bei
L.A. Noire doch am besten bei der
Inszenierung an. Rockstar Games hat keine Kosten und Mühen gescheut
und dank der sogenannten „Motionscan“ Technologie mit 32 Kameras
die Gesichtsmimik der Schauspieler aufgezeichnet. Das sorgt für
einen bislang ungeahnten Realismus in Sachen Gesichtsanimation. Ob
euer Gegenüber lügt, die Wahrheit sagt, oder weitere Informationen
verbirgt, wird tatsächlich sehr leicht abzulesen und sorgt für eine
gehörige Portion Atmosphäre.
Aber auch sonst macht das Spiel eine gute Figur. Das Los Angeles
der späten 40er Jahre ist riesig und jederzeit mit Leben gefüllt.
Nie tauchten Framerate-Einbrüche oder Tearing während unserer
Zocksessions auf. Ab und an schlichen sich einige Grafikfehler ein.
Zum Beispiel verschwand Herschel, ein Partner aus dem
Branddezernat, ein Mal in einem Garagentor. Allerdings tauchte
dieser Fehler während einer Nebenmission auf und gilt somit als
vertretbar.
Natürlich kann bei der Größe der Map nicht mit Polygonen um sich
geworfen werden und auch nicht jede Textur ist hochauflösend.
Dennoch machen gerade die Shader und Texturen der wichtigen Orte
einiges her. Die Licht- und Schatteneffekte sind wirklich gut
gelungen und tragen viel zur Film Noire Stimmung bei. Auch die
musikalische Untermalung tut hier ihr übriges.
Fast schon überflüssig zu erwähnen ist, dass die Inszenierung und
die Synchronisation bei Team Bondi hervorragend geglückt sind. Hier
hat man wirklich ganze Arbeit geleistet und sicherlich eine neue
Tür aufgestoßen was Gesichtsanimationen betrifft.
EXTRAS UND
UMFANG
Die Story von
L.A. Noire ist, wie von Rockstar-Spielen
gewohnt, lang und erstreckt sich über viele Etappen. Auch die Stadt
ist ungemein groß und wartet nach Durchspielen der Story auf
eifrige Erkundung.
Abseits der Hauptgeschichte könnt ihr kleine Aufträge via Funk
annehmen und die Verbrechensrate in Los Angeles auf ein Minimum
senken. Zudem gibt es allerhand Trophies und ihr könnt die oben
angesprochenen Zeitungsartikel sammeln. Außerdem könnt ihr
versteckte Fahrzeuge und besondere Orte finden.
Wir haben gute 18 Stunden mit dem Spiel verbracht, allerdings haben
wir einige Fälle und Befragungen ganz gerne mal wiederholt. Weit
mehr Zeit wird man mit dem Spiel verbringen, wenn man die
Platin-Trophy jagt und alle Nebenmissionen absolviert sowie alle
Fahrzeuge und Filmbänder in der Stadt finden möchte.
Wer will, kann auch alle Fälle einzeln ansteuern und neu aufrollen,
oder sich einfach in der riesigen Stadt rumtreiben. Ohne dabei auf
Trophy-Suche zu sein, kann das aber schnell öde werden, denn ein
Freizeitangebot wie Billardspielen, Bowling oder dergleichen gibt
es in
L.A. Noire leider nicht.
FAZIT
L.A. Noire ist ein ganz besonderes Spiel von Rockstar Games
und Team Bondi. Die ruhige und intelligente Art des Gameplays,
sowieso die Inszenierung lassen euch derart ins Spiel eintauchen,
dass man gut und gerne einige Stunden am Stück versunken vor der
Daddelkiste sitzt. Die Tatortbegehungen, das Hinterfragen und das
Kombinieren erinnern oft an tolle Point & Click Adventures,
lassen aber mit den zusätzlichen Gameplay-Elementen eine völlig
neue Genre-Nische entstehen.
Auch die Präsentation sucht ihres gleichen. Die vielen kleinen
Details, die Team Bondi zusammen mit der gelungenen Technik
verpackt, lassen viel Atmosphäre aufkommen. Einzig die schwammige
Steuerung und das etwas dürftige Finale, geben Anlass zur
Kritik.
Wer also ein ruhiges und intelligentes Spiel sucht, der ist mit
L.A. Noire sehr gut beraten. GTA-Veteranen, die gerne mal
einen Amoklauf anzetteln, sollten einen großen Bogen um das Spiel
machen. Denn genau wie bei
Red Dead Redemption liegt der
Fokus auf Story und Inszenierung.
STORY
- 8/10
GAMEPLAY -
9/10
PRÄSENTATION -
9/10
EXTRAS & UMFANG -
9/10
FAZIT 9.0/10