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Der Vietnamkrieg ist ein großes Kapitel in der amerikanischen Geschichte, und auch heute noch tragen viele Amerikaner das Trauma tief in ihren Seelen. Kein Wunder also, dass sich zahlreiche Bücher, Filme, Serien und andere Publikationen damit beschäftigten, doch auch die damalige Gegenbewegung, die primär durch die „Hippies“ geprägt wurde, ist tief in der amerikanischen Geschichte verwurzelt. Im Jahr 1968 entstand hierzu das Musical „Hair“, welches sich bis heute großer Beliebtheit erfreut, und als Meilenstein der Popkultur angesehen werden muss. Mehr als 10 Jahre nach der Uraufführung erschien die Filmadaption des Musicals, welche vor einiger Zeit von Capelight Pictures im Vertrieb der Al!ve AG in Form eines limitierten Mediabooks neu auf den Markt gebracht wurde. Nun erfolgte eine weitere Neuauflage im Keep Case. Was der Film zu bieten hat, und wie sich die Blu-ray Disc in technischer Hinsicht schlägt, klärt die nun folgende Rezension.
Story
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Der brave Landjunge Claude Bukowski (J. Savage) folgt dem Vorbild vieler anderer US-Amerikaner und will sich mustern lassen, um in den Vietnamkrieg zu ziehen. Hierfür reist er in die Millionenstadt New York City. Bevor es für ihn jedoch in den Krieg geht, hat er noch einige Tage Zeit, um die Metropole auf eigene Faust zu erkunden. Im Central Park trifft er auf Berger (T. Williams) und die von ihm angeführte Gruppe von Hippies. Claude erliegt prompt dem Lebensgefühl der Blumenkinder und stürzt sich in ein paar aufregende Tage an der Seite der Flower-Power-Bewegung. Dabei lernt er nicht nur die Vorzüge dieser Lebensweise kennen, sondern verliebt sich auch noch in die Millionärstochter Sheila (B. D'Angelo) - bis schließlich die Vaterlandspflicht ruft...
Als Filmemacher Milos Forman mit der Filmadaption des Hippie-Musicals in die Kinos kam, war der Vietnamkrieg bereits verloren und vorbei, und für viele Amerikaner war das eine Wunde, die bis heute nicht verheilt ist. Einerseits könnte man natürlich sagen, der Film kam mindestens 5 Jahre zu spät, aber andererseits kann und muss man leider auch sagen „Nach dem Krieg ist vor dem Krieg“, und abgesehen davon ist die Geschichte an sich zeitlos, und die Songs sind es sowieso. Allerdings wurde auch im Laufe der Zeit einiges geändert, so dass das ursprüngliche Musical, welches sich noch wesentlich stärker mit dem Vietnamkrieg auseinandersetzte, für spätere Fassungen – und natürlich auch den hier vorliegenden Film – etwas mehr an den Zeitgeist angepasst wurde. Ferner hielten Themen wie Rassismus, der Generationenkonflikt und Drogenkonsum deutlich stärker Einzug in die Handlung. Das Zeitgefühl der 1960er Jahre bliebt derweil erhalten und konnte auch in den späten 70ern, den frühen 80ern und auch heute noch überzeugen. Und auch wenn Hippies in der hier zu sehenden Art weitestgehend der Vergangenheit angehören, kann man sich dennoch in sie hineinfühlen.
Das ist zu einem großen Teil der Verdienst der großartigen Schauspieler, die damals fast ausschließlich am Anfang ihrer jeweiligen Karrieren standen. Allen voran Trat Williams als George Berger, der sich gegen alle Konventionen auflehnt, und für seinen Freund, den er quasi gerade erst kennengelernt hat, bereit ist, sein Leben zu opfern. Ironischerweise war Williams drei Jahre zuvor als Captain Clark in John Sturges Kriegsfilm „Der Adler ist gelandet“ zu sehen gewesen, doch die Diskrepanz der beiden Rollen wird von Williams einfach weggesungen und getanzt, und in beiden Rollen verstand der Darsteller zu überzeugen – so sehr, dass ihm die Rolle in Hair sogar eine Golden Globe Nominierung für den besten Nachwuchsdarsteller einbrachte. Auch John Savage, der in der zweiten Hauptrolle des Claude Bukowski – einem „Landei“ das in den Krieg geschickt wird – auftritt, war kurz zuvor in dem Vietnam-Film „Die durch die Hölle gehen“ von Michael Cimino zu sehen gewesen. Die weibliche Hauptrolle wird von der damals noch recht jungen Beverly D’Angelo gespielt, und ihre naive Art ist so entzückend, dass man sie einfach nur lieben muss.
Alles in allem ist „Hair“ also ein gesellschaftskritisches, zeitloses Musical voller Emotion, Lebenslust, und einer Zeitlosen Botschaft von Liebe, Aufopferung und eine Kritik an der Sinnlosigkeit des Krieges – und daher heute so aktuell wie eh und je. Die Songs von Galt MacDermot sind auch heute noch hörenswerte Ohrwürmer und der Film lässt einen für zwei Stunden in eine andere Zeit eintauchen. Unbedingt ansehen!
Bildqualität
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Das feinkörnige Bild liegt im Ansichtsverhältnis von 1,85:1 vor und schaut wirklich ausgezeichnet gut aus. Eingedenk des Alters bekommen wir eine erstklassige Restauration zu sehen, an der es kaum etwas auszusetzten gibt. Natürlich reicht die Qualität erwartungsgemäß nicht an aktuelle Titel heran, ist der alten DVD aber um Längen überlegen. Die Schärfe bewegt sich auf einem soliden Niveau und bildet, insbesondere bei Nahaufnahmen, zahlreiche Kleinstdetails sauber und scharf ab. Hin und wieder wird es auch etwas weicher, aber das ist zum Teil gewollt, zum Teil auf nicht ganz optimal fokussiertes Ausgangsmaterial zurückzuführen. Die Farben sind etwas erdig, aber sehr harmonisch und natürlich ausgefallen. Auch der Kontrast ist gut eingestellt, der Schwarzwert ist tief und sauber, und helle Flächen überstrahlen nicht – es sei denn, es soll so sein. Altersbedingte Mängel, Beschädigungen oder Verschmutzungen wurden weitestgehend entfernt und fallen in keinem nennenswerten Umfang auf.
Ein Vergleich mit der Blu-ray Disc von 20th Century Fox aus dem Jahr 2011 konnte mangels Vergleichsexemplar leider nicht vorgenommen werden.
Tonqualität
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Der Ton liegt in deutscher und englischer Sprache in dts-HD Master Audio 5.1 mit optional zuschaltbaren Untertiteln vor und klingt, dem Alter entsprechend, gut. Leider sind die Dialoge und auch die Musikstücke ein wenig dumpfer als man es sich wünschen würde, aber grundsätzlich gibt es nicht viel auszusetzen. Die Musikszenen verteilen sich hervorragend im Heimkino und sind ausgezeichnet abgemischt, was man von den Dialogszenen leider nicht behaupten kann. Diese sind sehr frontlastig, und auch die Umgebungsgeräusche sind in der deutschen Fassung zu dezent, aber das lässt sich verschmerzen. Die englische Originalfassung klingt alles in allem etwas harmonischer und ausgewogener. Leider sind die Untertitel nur entweder an oder aus, so dass man – sofern man des Englischen nicht mächtig ist – bei den Songs (die natürlich im Original vorliegen und nicht übersetzt wurden) ständig zur Fernbedienung greifen muss. Das hätte man wirklich besser gestalten können.
Ausstattung
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Das Bonusmaterial ist leider ein wenig spartanisch ausgefallen, allerdings bekommen wir mehr geboten als seinerzeit bei der Erstauflage. So finden sich neben dem Trailer bei dieser Veröffentlichung auch noch ein gut 8-minütiges TV-Feature zum Film (in deutscher Sprache) mit im Gepäck. Abgesehen davon bekommen wir noch eine ganze Reihe Trailer zu anderen Titeln des Labels zu sehen.
Fazit
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Bild- und Tonqualität des rund 40 Jahre alten Streifens können sich bei dieser Neuauflage absolut sehen lassen: Satte Farben, gute Schärfe, hervorragender Kontrast, und auch der Soundmix ist – zumindest bei den Musikstücken – erstklassig abgemischt. Im Bonussektor schaut es allerdings ein wenig mau aus.
Der Film selbst ist ein zeitloses Meisterwerk, ein Meilenstein der Popkultur und auch heute noch aktuell. Die Musikstücke gehen ins Ohr, das Lebensgefühl der 1960er schwappt auf den Zuschauer über, und wer am Ende kein Tränchen in den Augen hat, dem ist auch nicht mehr zu helfen. Ein großartiger Film, der in keiner gut sortierten Sammlung fehlen sollte.
(Michael Speier)
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