Als Mark Gatiss und Steven Moffat im Jahr 2010 die klassischen Detektivgeschichten von Sir Arthur Conan Doyle für die BBC in die Gegenwart verlegten, konnte wohl niemand ahnen, dass die Serie Sherlock ein derartiger Erfolg werden würde. Die beiden Hauptdarsteller Benedict Cumberbatch und Martin Freeman wurden über Nacht zu gefragten Hollywood-Stars und es bildete sich eine gewaltige Fangemeinde. Leider wird von dieser ein enormes Maß an Geduld gefordert, denn die bisherigen drei Staffeln, wobei jede Staffel aus gerade einmal 3 Episoden – immerhin in Spielfilmlänge – besteht, bieten nur wenig Material um die Sucht zu befriedigen. Aufgrund der enormen Nachfrage nach den Darstellern und der Verpflichtungen der beiden Köpfe hinter der Serie, ist die Zeitspanne zwischen den einzelnen Staffeln auch nicht gerade als kurz zu bezeichnen. Die letzte Episode der dritten Staffel wurde bereits im Januar 2014 (in Deutschland im Juni 2014) ausgestrahlt, und der Start der vierten Staffel ist erst für Januar 2017 avisiert. Um die Wartezeit zu verkürzten erschien Weihnachten 2015 die Sonderepisode Die Braut des Grauens, die hierzulande an Ostern auf „Das Erste“ gezeigt und einen Tag später von Polyband auch auf den Blu-ray-Markt gebracht wurde.
Story
London im Jahr 1895. Sherlock Holmes (B. Cumberbatch) und Dr. Watson (M. Freeman) bekommen Besuch von Inspektor Lestrade (R. Graves), der für Scotland Yard im mysteriösen Fall der Emelia Ricoletti (Natasha O‘Keeffe) ermittelt, auch bekannt als “Die Braut des Grauens”. Sie soll in einem Hochzeitskleid von einem Balkon aus wahllos mit zwei Pistolen in die Menge gefeuert haben, ehe sie Selbstmord beging. Nur wenige Stunden später jedoch soll sie von mehreren Zeugen dabei gesehen worden sein, wie sie einer Kutsche entstieg, um ihren eigenen Mann zu töten. Doch wie ist das möglich? Hat sei eine Doppelgängerin? Oder ist sie womöglich als Geist zurückgekehrt? Ein neuer kniffliger Fall für Holmes und Watson!
Sherlock Holmes in Deerstalker, Tweetanzug, Cutaway und Pelerine, komplett mit der Pfeife im Mund und einem Watson an seiner Seite, der einen gezwirbelten Kaiser-Wilhelm-Schnauzebart zur Melone trägt? Ja, im Prinzip kennt man den klassischen Sherlock Holmes genau so, allerdings hat der Sherlock von Steven Moffat und Mark Gatiss nicht viel mit dem klassischen Erscheinungsbild des berühmten „beratenden Detektivs“ aus der Baker Street gemeinsam, was vor allem daran liegt, dass die Handlung aus dem viktorianischen Zeitalter in das hier und heute geholt wurde. Für das Weihnachtsspecial, das als Quasi-Platzhalter oder, wie am Anfang des Specials eingeblendet wird, „Intermezzo“ – also Zwischenspiel – dient, wurde die Handlung wieder zurück in die Zeit Königin Viktorias versetzt. Und auch hier können Benedict Cumberbatch und Martin Freeman voll und ganz überzeugen, aber das war angesichts der beiden genialen Darsteller auch nicht anders zu erwarten.
Statt Taxen fahren die beiden nun mit Pferdedroschken, Watson schreibt für das „The Strand“-Magazin und Holmes ist mürrisch und rechthaberisch wie eh und je. Außer den Äußerlichkeiten bleibt also alles beim Alten in der neuen Episode, auch der Humor und die gelungene Inszenierung, welche die Gedanken des Meisterdetektivs sichtbar werden lässt. Das Sherlock sich nicht tatsächlich im Viktorianischen Zeitalter befindet, sondern nur in seinem „Gedächtnispalast“, um dort ein altes Rätsel zu lösen, welches ihm bei der Klärung eines aktuellen Problems helfen soll, wird recht schnell klar, spielt im Grunde genommen aber überhaupt keine Rolle. Viel wichtiger und vor allem schöner ist es, dem Treiben des genialen Kopfes bei der Arbeit zuzusehen, auch wenn der Fall selbst in diesem Fall kein echtes Highlight darstellt.
Regie führte Douglas Mackinnon der für Steven Moffat bereits acht Episoden der Erfolgsserie Doctor Who inszeniert hatte. Das Drehbuch wiederum ist erneut eine Gemeinschaftsarbeit von Steven Moffat und Mark Gatiss, der in dieser Episode wie gehabt in die Rolle von Sherlocks ebenso genialem (aber, der ursprünglichen Darstellung entsprechend, extrem trägen und fettleibigen) Bruder Mycroft schlüpft.
Natürlich sind auch all die anderen Darsteller aus der Serie mit von der Partie und spielen die viktorianischen Pendants ihrer jeweiligen Rollen. So dürfen wir uns über einen backenbärtigen Rupert Graves als Inspector Lestrade freuen, Louise Brealey mit angeklebtem Schnurrbart (Frauen hatten in der damaligen Zeit in der männerdominierten Berufswelt nichts zu suchen, was auch ein wichtiger Teil der Handlung darstellt) und Andrew Scott als hinreißend böser und wahnsinniger Professor Moriarty. Ganz besonders bleibt allerdings Natasha O’Keeffe als titelgebende Braut des Grauens im Gedächtnis, und dass obwohl sie nur sehr wenig Bildschirmzeit spendiert bekommt. Ihr Auftreten erinnert an klassische Geisterfilme und sorgt für Gänsehaut und Grusel. Überhaupt ist diese Episode eher ein Schauermärchen mit kriminalistischem Hintergrund, eingebettet in eine Zeit der Emanzipation als ein Überraschungs- und Wendungsreicher Krimi, wie man ihn aus den herkömmlichen Staffeln kennt. Die Haupthandlung der Serie wird hier nur wenig vorangetrieben und die große Frage vom Ende der dritten Staffel wird hier letztendlich auch nicht geklärt. Unterm Strich ist der Fall eine sehr verworrene und nicht ganz durchdachte Geschichte, die tatsächlich nicht viel mehr als ein Zwischenspiel darstellt. Aber – und das ist das wichtige – es macht Spaß, das Duo Sherlock und John wiederzusehen. Und auch wenn die Kombinationsgabe und der geistige Anspruch in dieser Episode nicht ganz an die gut durchdachten Stories der vorherigen Staffeln heranreichen, kann „Die Braut des Grauens“ im Großen und Ganzen doch zufriedenstellen. Der typische Witz, die flotte Inszenierung und natürlich die Präsenz der beiden Hauptdarsteller machen dieses Weihnachtsspecial, dass man auch durchaus zu einer anderen Jahreszeit genießen kann, zu einem kleinen Leckerbissen, oder – besser gesagt – zu einem Hors d'oeuvre, welches Appetit auf die vierte Staffel macht.
Bildqualität
- Bildformat 1.78:1
Tonqualität
- Deutsch & Englisch DTS-HD Master Audio 5.1
Ausstattung
- Mark Gatiss – A Study In Sherlock (28:34 Minuten)
- Mark Gatiss – Production Diary (4:54 Minuten)
- Creating The Look (29:16 Minuten)
- Writers Interview (3:40 Minuten)
- Sherlockology (19:33 Minuten)
- Trailershow
- 12-seitiges Booklet mit Hintergrundinformationen
- O-Ring-Pappschuber ohne FSK-Siegel
Fazit
Bild und Ton des Weihnachtsspecials aus dem Jahr 2015 entsprechen dem hohen Standard den man von der Serie gewohnt ist. In puncto Schärfe und Farbbrillanz braucht der Film sich keineswegs zu verstecken und auch die akustische Untermalung lässt kaum Wünsche offen. Das Bonusmaterial kann mit einer Fülle aus interessanten Hintergrundinformationen ebenfalls durchaus als zufriedenstellend bezeichnet werden.
Die Braut des Grauens ist zwar weder die gelungenste, noch die spannendste, aber mit Sicherheit die gruseligste Episode der Erfolgsserie. Zudem ist die Verlagerung der Handlung in die eigentliche Wirkungszeit des Meisterdetektivs eine durch und durch gelungene Abwechslung. Wie immer perfekt gespielt und von vorne bis hinten spannend. Als Zwischenspiel verkürzt das Special die Wartezeit auf die sehnlichst erwartete vierte Staffel.
(Michael Speier)
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