Telekinese, ein von wissenschaftlicher Seite angezweifeltes weil nie bewiesenes parapsychologisches Phänomen, ist lange Zeit bekannt und gleichzeitig Legende wie auch Aberglaube. Bereits im vorletzten Jahrhundert machten verschiedene Gaukler, aber auch Wissenschaftler mit aufsehenerregenden Experimenten auf sich aufmerksam, und sowohl die UdSSR wie auch die USA erforschten diese geistigen Kräfte zum Zwecke der militärischen Nutzung. In seinem sechsten Roman, der aber als sein erster erschien schildert der weltbekannte Schriftsteller Stephen King, der wohl größte und erfolgreichste lebende Autor von Horrorthrillern, wie ein junges Mädchen an der Schwelle zum Erwachsenwerden diese Fähigkeiten bei sich entdeckt und aufgrund traumatischer Erlebnisse zum Unwohle aller Beteiligten einsetzt. Das Buch wurde 1976 von Brian De Palma filmisch umgesetzt, der Film zählt zu den besten Stephen King-Verfilmungen und brachte Sissy Spacek als Darstellerin der Carrie und Piper Laurie, die die Mutter verkörpert eine Oscar-Nominierung ein. 2013 wurde die literarische Vorlage erneut von Kimberley Peirce verfilmt, die 1999 mit dem Transsexuellen-Drama „Boys don´t cry“ einen eindrucksvollen Kritikererfolg vorlegte, der Hillary Swank zu ihrem ersten Oscar verhalf. Ist die Neuverfilmung nun ein würdiges Remake des Klassikers?
Story
Die sechzehnjährige Carrie White (C. G. Moretz) ist kein Mädchen wie alle anderen: durch die wahnhaft religiöse und sie von der Außenwelt hermetisch abriegelnde Erziehung ihrer Mutter (J. Moore) geht das wahre Leben an ihr vorbei: Auf der Highschool ist sie wegen ihres Verhaltens, ihrer Kleidung und ihrer Frisur Außenseiter. Als ihre erste Periode ausgerechnet nach dem Sport im Umkleideraum der Mädchen einsetzt, wird sie Opfer schlimmster Demütigungen und infolge dessen weiteren Mobbings; die Haupttäterin Chris (P. Doubleday) wird vom anstehenden Abschlussball der Schule ausgeschlossen. Infolge der aus diesem Vorfall resultierenden extremen Emotionen entdeckt Carrie, dass ihre bereits in ihr dämmernden telekinetischen Kräfte immer stärken werden. Einzig eine Beteiligte, nämlich Sue (G. Wilde) zeigt Reue und überredet ihren Freund Bobby (A. Elgort), Carrie zum Schulball einzuladen. Doch Chris lässt den Ausschluss vom Ball nicht auf sich sitzen und spielt Carrie einen üblen, geschmacklosen Streich. Und Carrie rächt sich fürchterlich…
Stephen King hatte seinerzeit „Carrie“ nach einem echten Vorbild angelegt, die Geschichte selbst hatte sich natürlich nicht so abgespielt. Dabei hat der Schriftsteller Erlebnisse aus seiner Schulzeit zu Grunde gelegt. So beginnt sein Buch von 1974 gleichsam wie eine Coming of Age-Story; wie alle seine frühen Bücher hält das Grauen nach und nach - quasi auf leisen Pfoten - Einzug in die Normalität, um dadurch umso effektiver zu schockieren. Auch in der Neuverfilmung geschieht das Grauen zunächst hinter verschlossenen Türen des Heims der Whites, wo sich der anonyme Zuschauer hinter den Toren eines mittelalterlichen Klosters wähnt: stundenlange Gebete, kirchliche Gesänge, Selbstflagellation und Kasteiung sind an der Tagesordnung. In diesem Umfeld entwickelt Carrie unter Einfluss stärkster Gefühle wie Wut, Hass und Angst ihre PSI-Kräfte unheilvoll bis zur zerstörerischen Kraft. Gleichwohl ist „Carrie“ wie auch sein Vorgänger eine Parabel auf die Unbarmherzigkeit von Kindern, die betont wie wichtig es sein kann sich in seinem Mikrokosmos zu integrieren und wie wenig Individualität oftmals akzeptiert wird. Wie auch in der literarischen Vorlage und in der Erstverfilmung ist Mobbing ein großes Thema, ein moralischer Aufruf zu mehr Toleranz ist also durchaus zu verzeichnen, dies ist gleichwohl allerdings nicht erste Absicht dieses Films. „Carrie“ bietet im Vergleich zu vielen anderen Vertretern des Genres Tiefgang, verzichtet aber durchaus nicht auf einige plakative Schockeffekte.
Kimberley Peirce hat sich einerseits in einigen Passagen etwas näher an der literarischen Vorlage orientiert, andererseits die filmische Vorlage schon fast 1:1 kopiert. Lediglich das Ende weicht von der Verfilmung De Palmas ab, ansonsten gleichen sich Buchvorlage, der Erstling und das Remake sehr deutlich. Ebenso hat die Regisseurin auf die damals wie heute selten gesehene von De Palma angewandte, Split Screen-Technik verzichtet. Die junge Chloe Grace Moretz (Kick-Ass) macht ihre Sache hervorragend, dennoch spielt Sissy Spacek in der Verfilmung aus dem Jahre 1976 noch in einer ganz anderen Liga. Zudem wirkt bei Spacek der Kontrast zwischen dem Rot des Blutes und ihren eisblauen Augen auf ganz besondere Weise. Julianne Moore indes kann als fanatisch religiöse Mutter wie immer restlos überzeugen.
Bildqualität
Der Film wurde mit Arri Alexa und Panavision Prim digital im Ansichtsverhältnis 2,35:1 gedreht und liegt auf Blu-ray in 1080p/24 vor. Das Bild hat, wie in einigen Einstellungen gezeigt, durchaus Potential, nutzt dieses aber nicht vollständig.
- die Schärfe ist in etwa der Hälfte der Einstellungen nahezu perfekt; nicht selten aber wirkt das Bild schlecht fokussiert
- die Kantenschärfe lässt zuweilen zu wünschen übrig
- der Kontrast und der Schwarzwert sind gut gewählt, in dunklen Szenen geht kaum ein Detail verloren
- in dunklen Szenen tritt manchmal digitales Rauschen auf
- ziemlich misslungen: die Integration der CGI ganz am Ende des Films
Tonqualität
- die deutsche Tonspur liegt in DTS vor
- gute Dialogverständlichkeit
- bei den häufigen Telekinese-Szene beeindruckender Tiefbass, unheimliche Surroundgeräusche und direktionale Effekte
- ansonsten eher unauffällige Abmischung
Ausstattung
- Der Film mit alternativem Ende
- 9 entfallene Szenen, Gesamtlänge ca. 11 Minuten
- Stuntaufnahmen 2:03
- Entstehung des Films 21:07
- Macht der Telekinese 4:02
- Virales Video „Telekinese im Coffeeshop 2:39
- Original Kinotrailer
Fazit
Audiovisuell geht die Scheibe in Ordnung. Der Transfer liegt im oberen Mittelfeld. Beim Bild wäre mehr gegangen; das zeigen viele optimale Einstellungen, während die DTS-Abmischung das Beste gibt. Die Extras sind übersichtlich, aber durchaus unterhaltsam. Wenigstens zwei der entfallenen Szenen hätten den Film eigenständiger gemacht. Stellt nun „Carrie“ ein gelungenes Remake dar? Nun, bei Unkenntnis des Erstlings sicherlich. „Carrie“ ist ein durchaus gelungener Horrorthriller, der seinen Schrecken mehr aus der Darstellung mancher wahnhaft religiöser Haushalte und des sozialen Alltags an Schulen, Mobbing inklusive bezieht. Den Hardcore-Horrorfans und den Gore-Hounds wird „Carrie“ sicherlich nur ein müdes Lächeln entlocken können, nach einer Weile begleitet von mäßigem Interesse. Kennt man den Vorgänger nicht, kann „Carrie“ durchaus überzeugen. Kennt man den Vorgänger, kann man die Neuverfilmung beruhigt auslassen: Regisseurin und Drehbuchschreiber wandeln zu sehr auf sicheren Pfaden, als dass die Neuverfilmung als Neuinterpretation gelten könnte. (pl)
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