Geschrieben: 11 Mai 2013 09:00
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Michael Speier youtube.com/MichaelSpeier
Einleitung:
Seit seiner Uraufführung im Jahre 1997 schockiert und begeistert
Michael Hanekes kontroverses Drama FUNNY GAMES das Publikum.
Kritiker waren entsetzt und begeistert zugleich. Die einen nannten
den Film „...in höchstem Grade unangenehm...“, andere lobten ihn
als „brillant, radikal, provozierend.“ Inzwischen sind 15 Jahre
vergangen, und die Sehgewohnheiten der breiten Masse sind durch
„Folterpornos“ wie Saw und Hostel teilweise sehr abgestumpft. Wie
sehr mag ein Film, der Gewalt fast ausschließlich im Kopf des
Zuschauers entstehen lässt, da noch polarisieren?
Ursprünglich als Medienkritik gedacht, um dem Zuschauer von Heute
(also damals) einen Spiegel vorzuhalten, mag der Film in der
Post-Saw-Ära vielleicht ein wenig zu seicht, zu zahm daherkommen.
Allerdings sorgte selbst das zehn Jahre später gedrehte 1:1
US-Remake (ebenfalls unter der Regie von Michael Haneke) noch für
Zündstoff. Heute widmen wir uns aber dem österreichischen Original,
mit Susanne Lothar, Ulrich Mühe, Arno Frisch und Frank Giering in
den Hauptrollen.
Film (7/10):
Das Ehepaar Anna und George möchte mit ihrem 10jährigen Sohn nur
einen kurzen Urlaub am See verbringen. Kaum dort angekommen steht
der schüchterne Peter im Türrahmen, um sich ein paar Eier zu
leihen. Kurz darauf erscheint auch Peters Freund Paul, ebenso
adrett gekleidet, aber weitaus forscher, im Ferienhaus, und Anna
bemerkt schnell, dass mit den Beiden etwas nicht stimmt. Es kommt
zu Handgreiflichkeiten, die darin gipfeln, dass Georges Bein
gebrochen wird.
Was nun folgt sind anderthalb Stunden Terror und psychologische
Grausamkeiten, denn Peter und Paul sind nur vorbeigekommen, um ein
paar lustige Spielchen mit ihren Opfern zu spielen, in deren
Mittelpunkt eine Wette steht, dass die Familie den nächsten Morgen
nicht mehr lebendig sein wird...
Die Geschichte, die uns Regisseur Michael Hanecke hier auftischt,
ist in der Tat schwer verdaulich. Umso schlimmer ist es da, dass
die beiden Antagonisten den Zuschauer durch direktes Ansprechen in
die Handlung mit hineinziehen und ihn so mehr oder weniger zum
Mittäter machen. Langsame Kamerafahrten, eine äußerst ruhige
Inszenierung und oft minutenlange, sich nicht oder nur kaum
verändernde Kameraeinstellungen, vermitteln das Gefühl der
Hilflosigkeit, das auch die Opfer befällt.
Während sich das Opfer hilflos in Weinkrämpfen am Boden windet,
bekommt der Zuschauer genug Gelegenheit, über das Gesehene
nachzudenken, wodurch ein äußerst intensives Filmerlebnis entsteht,
dem man sich nur schwer entziehen kann und dass nur schwer zu
ertragen ist. Dabei findet die Gewalt ausschließlich außerhalb des
Sichtfeldes des Zuschauers statt, wodurch das Kopfkino einem die
schrecklichsten Gräueltaten suggeriert, die es sich vorzustellen
vermag.
Besonders hervorzuheben ist die ausgesprochen intensive
darstellerische Leistung der Hauptdarsteller, wobei ganz besonders
Susanne Lothar als Anna glänzt, indem sie Gefühle wie Verzweiflung
und Wut perfekt und glaubhaft rüberbringt.
Bild (8/10):
- Bildformat: 1.85:1 (16:9 Vollbild) in 1920x1080p Auflösung
- Natürliche Farben
- Überwiegend gute Schärfe
Das Bild verfügt stellenweise, insbesondere bei Nahaufnahmen, über
eine vorbildliche Schärfe. Hier kann man Hautporen,
Materialbeschaffenheit, und sogar Puderreste der Maskenbildner
erkennen. Auch die ein oder andere Panoramaaufnahme glänzt mit
vielen Details, kommt in natürlichen, fast schon zu echt wirkenden
Farben daher, und vermittelt das Gefühl, tatsächlich vor Ort zu
sein.
Leider schleichen sich immer wieder Unschärfen ein, was dem Film
unterm Strich einen kleinen Minuspunkt einbringt. Die dunklen
Stellen sind zwar selten, dafür aber umso dominanter. Wenn es hier
Schwarzflächen gibt, dann sind sie stark und kräftig, wobei sie
alles verschlucken, was hinein gerät. Dennoch liegt ein anständiger
bis guter Bildtransfer vor, gerade wenn man bedenkt, dass der Film
mal eben fünfzehn Jahre auf dem Buckel hat.
Ton (5/10):
- Deutsch DTS-HDM 5.1
Von der Surroundtonspur bekommt man bestenfalls während des Vor-
und Abspanns etwas mit, Effekte gibt es keine, Raumklang vermisst
man ebenso. Einen Soundtrack hat der Film, mit Ausnahme des
Eingangs erwähnten Vor- und Abspanns ebenfalls nicht, wodurch die
Rearboxen den Film über fast komplett stumm bleiben. Bei einem
dialoglastigen Film wie diesem ist das auch völlig in Ordnung,
kommt doch so die kammerspielartige Inszenierung noch eher zum
Tragen. Allerdings schwankt die Lautstärke der gesprochenen Worte
und die wechselnden Stimmlagen zwingen den Zuschauer, genau
hinzuhören, was da überhaupt gesprochen wird - wodurch die oft
plötzliche Anhebung der Lautstärke und die Schreie umso
erschreckender zur Geltung kommen. Nichtsdestotrotz hat dies mit
High-Definition wenig zu tun. Untertitel gibt es leider
keine.
Extras (3/10):
- Interview mit Regisseur Michael Haneke (18:26 Minuten)
- Trailer
Die Extras bestehen aus einer obligatorischen Trailershow und einem
Interview mit dem Regisseur. Dieses liegt im 4:3 Format in
französischer Sprache vor.
Glücklicherweise gibt es beim Zusatzmaterial im Gegensatz zum Film
deutsche Untertitel, denn das, was der Regisseur über den Film zu
sagen hat, ist ausgesprochen interessant.
Fazit:
Die Bildqualität von Funny Games ist überwiegend gut bis sehr gut.
Hin und wieder gibt es Unschärfen, die allerdings nicht allzu
negativ ins Gewicht fallen. Der Ton der österreichischen Produktion
blieb unsynchronisiert, wodurch natürliche Lautstärkeschwankungen
in den Dialogen entstehen. Raumklang und Effekte gibt es quasi
keine. Die Extras sind kurz, aber informativ, allerdings wäre hier
etwas mehr wünschenswert gewesen. Gerade bei einem solchen Film
wäre ein Regie-Audiokommentar das i-Tüpfelchen.
Um die Eingangsfrage - Wie sehr mag ein Film, der Gewalt fast
ausschließlich im Kopf des Zuschauers entstehen lässt, da noch
polarisieren? - zu beantworten: Sehr.
Auch heute ist FUNNY GAMES noch ein ausgesprochen eindringlicher,
intensiver Film, der zartbesaiteten Zeitgenossen ganz sicher an die
Nieren gehen wird. Gorehounds und Fans der Saw- und
Hostel-Generation dürfte er aber zu seicht daherkommen, weil sich
die Brutalität und Gewalt samt und sonders im Off, und somit im
Kopf des Zuschauers abspielt – Enttäuschung für Torture Porn Fans.
Kammerspielartig inszeniert ist der Film heute eher als Kunst denn
als Kommerz anzusehen, hat aber nichts von seiner Faszination
verloren.