Geschrieben: 15 Mai 2013 07:37
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Michael Speier youtube.com/MichaelSpeier
Einleitung:
Der skandinavische Film hat in den letzten Jahren auch in
Deutschland Fuß gefasst. In erster Linie sind es die Thriller wie
etwa Stieg Larssons Millenium-Trilogie, oder knallharte
Drogendramen wie die Pusher-Trilogie von Nicoas Winding Refn
(Drive). Doch auch die historischen Filme aus dem hohem Norden
wissen zu begeistern, wie etwa ARN – DER KREUZRITTER aus dem Jahr
2007. Nun präsentiert COLD PREY Regisseur Roar Uthaug ein
Paradebeispiel an packender Unterhaltung vor dem Hintergrund des
Mittelalterlichen Norwegens. Ein Drama, ein Thriller, ein
Abenteuerfilm – und das ganze packend erzählt und gut
inszeniert.
Film (6/10):
Norwegen im Jahre 1363.
Nachdem die Pest einen großen Teil der norwegischen Bevölkerung
ausgelöscht hat, begibt sich die 19-jährige Signe mit ihren Eltern
und ihrem kleinen Bruder auf die Suche nach einem besseren Ort zum
Leben. Unglücklicherweise wird die Familie von einer marodierenden
Räuberbande überfallen, Signes Eltern werden, ebenso wie ihr
Bruder, vor ihren Augen getötet. Den sicheren Tod vor Augen wird
sie in letzter Sekunde von Dagmar, der Anführerin der Bande,
verschont, denn Dagmars Tochter Frigg, die ebenso von der Bande
entführt wurde, wünscht sich nichts sehnlicher als eine Schwester.
Natürlich zieht das junge Mädchen auch die Aufmerksamkeit der
männlichen Räuber auf sich, doch Dagmar kann eine versuchte
Vergewaltigung gerade noch verhindern. Spätestens jetzt ist klar,
dass Dagmar alles andere als eine schwache Frau ist. In einer
Nacht- und Nebelaktion gelingt Frigg und Signe die Flucht, was
Dagmar natürlich keineswegs dulden kann. Sie und ihre Mannen
starten eine gnadenlose Hetzjagd, und hetzen die Beiden durch die
norwegischen Wälder. Hilfe finden die Flüchtigen bei einem
Einsiedler, der ihnen die ganze, tragisch-schreckliche Geschichte
ihrer Häscherin offenbart...
Rar Uthaug versteht es vortrefflich die Jagd nach den beiden
hilflosen Mädchen von Beginn an spannend und packend zu erzählen.
Dabei gibt es immer wieder interessante Wendungen, die selbst den
Charakter Dagmars in einem völlig anderen Licht dastehen lässt.
Eine Trennung zwischen Gut und Böse gibt es in ESCAPE nicht,
stattdessen sind die Einstellungen der einzelnen Parteien
nachvollziehbar, wenn auch nicht unbedingt tolerierbar.
Letztendlich breitet sich eine Sittengemälde einer Zeit voller
Ungerechtigkeit und Bosheit vor dem Zuschauer aus, in der jeder
einzelne Protagonist versucht zu überleben.
Die relativ kurze Laufzeit von 80 Minuten spielt dem Spannungsbogen
in die Hände. Sehr viel länger wäre bei der relativ überschaubaren
Story auch nicht drin gewesen. Zwar bietet die Handlung mit ihren
Wendungen genügend Spielraum für Interpretationen oder weitere
Nebenhandlungen, doch der Regisseur beschränkt sich in erster Linie
auf die Hetzjagd nach den beiden Mädchen. Dass gerade der Schluss
dabei ein wenig an PREDATOR erinnert, weil die Mädchen in einer
weiteren Flucht keine Möglichkeit sehen, und sich statt dessen
gegen ihre Häscher wenden, mag vielleicht ein wenig unglaubwürdig
erscheinen, passt aber zu der rauen Zeit voller Gefahren, die der
Regisseur dem Zuschauer darbietet.
Die größtenteils hierzulande unbekannten Darsteller spielen
überzeugend. Insbesondere Ingrid Bols Berdal, die dem ein oder
anderen als Hexe in HENSEL & GRETEL – HEXENJÄGER aufgefallen
sein dürfte, spielt ihre Rolle als äußerst resolute Anführerin mehr
als glaubhaft – man kauft ihr sowohl das toughte Flintenweib, als
auch die verletzliche Mutter ab. Dabei beweist sie als Anführerin
der Räuberbande Mut zur Hässlichkeit. Aber auch die beiden
Newcomerinen Isabel Christine Andreasen und Milla Olin als
Flüchtige „Töchter“ geben eine überaus starke Leistung zum Besten,
wodurch der Film zusätzlich an Intensität gewinnt.
Lediglich der Sinn des deutschen Untertitels „Vermächtnis der
Wikinger“ ergibt nicht den geringsten Sinn. Denn von Wikingern
fehlt in diesem Film jede Spur.
Bild (6/10):
- Bildformat: 2.39:1 (16:9 Letterbox) in 1920x1080p Auflösung
- Unscharfes Bild, Details sind kaum zu erkennen
- Schnelle Bewegungen ziehen nach.
Das Bild zeigt sich leider alles andere als im schicken Gewand. Die
Farben sind grau und trist, wirken häufig unterkühlt – was
allerdings gut zur Handlung und zur Gegend passt. Die Tundra ist
nun mal nicht allzu farbenfroh. Leider sind die Bilder an sich
verwaschen und unscharf, wodurch die Haut der Darsteller zuweilen
wächsern wirkt. Details sind bestenfalls in extremen Nahaufnahmen
zu erkennen und in den häufig aufkommenden Schwarzflächen zeigen
sie sich überhaupt nicht mehr. Bei Bewegungen und Kameraschwenks
zieht das Bild nach.
Ton (7/10):
- Deutsch DTS-HDM 5.1
- Norwegisch DTS-HDM 5.1
- Wuchtiger Soundtrack
- Gute Signalortung
Der Soundtrack kommt wuchtig und mit schönen Bässen daher und
verteilt sich wunderbar im ganzen Raum. Spielerisch unterstreicht
er hervorragend die Spannung der Verfolgungsjagd.
Hin und wieder gibt es auch ein paar Hintergrundgeräusche, und auch
heran sausende Pfeile und ähnliches, lassen sich mühelos orten.
Allerdings sind solche Szenen rar gesät, und man wünscht sich
einfach ein bisschen mehr. Die Stimmen hingegen bleiben stets klar
verständlich und werden auch von lauteren Passagen des Soundtracks
nicht übertönt.
Extras (3/10)
- 6 Entfallene Szenen (05:28 Minuten)
- Outtakes (01:49 Minuten)
- Die Spezialeffekte (02:32 Minuten)
In Punkto Extras wird der Titel leider keinen Blumentopf gewinnen.
Ein paar zu Recht entfallene Szenen, ein paar ganz lustige Outtakes
und ein kurzes Featurette über die Spezialeffekte, dass allerdings
völlig unkommentierte Bilder im Vorher/Nachher Verfahren
präsentiert Zwar ganz nett, aber nicht wirklich informativ.
Obendrauf gibt es noch die obligatorischen Trailer. Zumindest sind
sämtliche Extras Untertitelt, wofür man an dieser Stelle mal ein
Lob aussprechen sollte.
Fazit:
Bild und Ton bewegen sich auf dem Niveau einer gut produzierten
Fernsehproduktion, was für einen Kinofilm allerdings zu wenig ist.
Das Bild ist häufig unscharf, zu kontrastarm und Details zeigen
sich kaum. Der Ton hingegen kommt wuchtig und bassvoll zur Geltung,
die Signalortung funktioniert einwandfrei, und der Sondtrack weiß
durchaus zu gefallen.
Die Story ist zwar ein wenig dünn, schafft es aber mühelos über die
kurze Laufzeit von 80 Minuten lang zu fesseln. Vor allem die
glaubhaften Darsteller verleihen dem Film einen Mehrwert, der Fans
von Mittelalterfilmen durchaus gefallen wird. Wikinger gibt es
allerdings nicht, und auch das Bonusmaterial hätte durchaus üppiger
ausfallen dürfen.