Geschrieben: 13 Mai 2013 18:07
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Michael Speier youtube.com/MichaelSpeier
Einleitung:
Quentin Tarantino und Robert Rodriguez haben es mit ihrem
Grindhouse-Doublefeature PLANET TERROR & DEAD PROOF vorgemacht.
Derbe, geschmacklose Filme, welche die niedersten Instinkte
ansprechen und nicht den geringsten Anspruch haben, dafür aber umso
mehr Spaß machen, und das im Doppelpack.
Nun haben sich gleich vier Kult-Regisseure versammelt, um der
längst vergangenen Zeit des Trash-Kinos ein Denkmal zu setzen, dem
Monsterfilm zu huldigen und der Science Fiction Ära zu gedenken.
Herauskommen sollte ein Film, der einem das Flair des Autokinos auf
die heimischen Bildschirme zaubert.
Wie der Titel schon sagt, und wie die Regisseure im Interview
bestätigten, wäre es ideal, vor dem Genuss des Filmes Substanzen zu
konsumieren, von denen an dieser Stelle eindeutig abgeraten werden
muss.
Versetzen wir uns nun also in die Zeit zurück, als es noch keine
Computereffekte im Kino gab, als noch gute alte Handarbeit geboten
wurde, die Schauspieler mehr guten Willen als Talent besaßen, und
im Film einfach alles möglich war.
Lehnen Sie Sich zurück, und machen Sie Sich auf das Schlimmste
gefasst.
Film (8/10):
In CHILLERAMA geht es im Grunde um das Kaufman-Autokino, das kurz
vor der Schließung steht. Am letzten Abend will der Betreiber
seinen treuen Fans noch etwas ganz Besonderes bieten: die
miesesten, widerlichsten und derbsten Filme aus seiner
Mottenkiste!
Soweit zur Rahmenhandlung. In Folge werden nun vier ganz
unterschiedliche Filme aus dem B-Movie-Bereich präsentiert.
WAZILLA ist die Geschichte eines gigantischen Spermiums, das im
Begriff ist New York zu vernichten. Ein typischer Monsterfilm im
Stil von TARANTULA oder FORMICULA, wobei die Effekte sogar noch
schlechter sind, als bei den Originalfilmen.
Weiter geht es mit I WAS A TEENAGE WEARBEAR, einem Musical im Stil
der 50er Jahre, das optisch stark an GREASE erinnert. Hier geht es
um homosexuelle Rocker, die sich in Werbären verwandeln und ihren
Opfern in den Hintern beißen.
Anschließend wird uns mit DAS TAGEBUCH DER ANNE FRANKENSTEIN ein
Monsterfilm im 30er Jahre Universal-Studio-Stil präsentiert, in dem
Hitler ein Monster aus Judenteilen zusammenbaut, das
erwartungsgemäß Amok läuft.
Zum Abschluss startet dann noch der Film DEADICATION. Allerdings
bekommen wir nicht viel mehr als die warnenden Vorworte des
Regisseurs zu sehen, denn während der Vorführung breitet sich im
Autokino eine Zombieepidemie aus, wodurch der „Letzte Abend“
plötzlich eine ganz andere Bedeutung bekommt.
Eines vorneweg: Dieser Film ist schlecht! So richtig schlecht. Die
Schauspieler der einzelnen Kurzfilme sind mies, die Special-Effects
unterirdisch und die Bild- und Tonqualität auf unterstem Niveau.
Das, was Tim Sullivan (2001 Maniacs), Adam Green (Hatchet), Adam
Rifkin (Underdog) und Joe Lynch (Wrong Turn 2) dem Zuschauer hier
kredenzen ist jenseits jeden guten Geschmacks.
Aber genau so soll es auch sein!
CHILLERAMA ist weniger ein Episodenfilm für den verwöhnten
Gelegenheitsgucker, als vielmehr ein Film von Fans für Fans.
Die vier beteiligten Regisseure fahren dabei eine ganze Palette an
denkwürdigen Szenen auf. Es gibt massenweise schlechte Masken,
Puppen, Computereffekte die ihren Namen kaum verdienen, und
literweise Kunstblut, das in die völlig falsche Richtung spritzt.
Dazu gibt es noch zahlreiche Filmzitate, reichlich Anspielungen und
jede Menge Insider-Gags.
Nein, gut ist dieser Film beileibe nicht, auf gar keinen Fall. Aber
er macht einen Höllenspaß!
Bild (8/10):
- Bildformat: 1.85:1 (16:9 Vollbild) in 1920x1080p Auflösung
- Qualität gewollt schlecht, schwankt von Film zu Film
- Gewünschter Look der einzelnen Filme stets erreicht
Eines gleich zu Anfang: das Bild ist größtenteils nicht gut, und
das ist noch untertrieben!
Dabei schwankt die Bildqualität stark zwischen den einzelnen
Episoden. Die Rahmenhandlung im Autokino selbst kommt dabei noch am
besten rüber. Da diese Rahmenhandlung mehr oder weniger den
eigentlichen Film darstellt, sollte man sie auch als Referenzbild
des Filmes betrachten.
Die Bilder sind scharf, sauber und sehr detailliert, störungsfrei
und mit gutem Schwarzwert, der keine Details verschluckt. Hin und
wieder driftet die Farbe fast in den Schwarz-Weiß-Sektor ab, zeigt
ansonsten aber natürliche Hautfarben und vermittelt dabei ein
schönes Grindhouse-Feeling.
Die gezeigten Filme hingegen präsentieren sich so, dass es den
Vorlagen entspricht.
WAZILLA wird im Look der 60er Jahre Science-Fiction-Filme gehalten.
Dabei kommen zahlreiche Effekte wie Bildflimmern, Filmkorn und
Weichzeichner zum Einsatz, was das Bild ständig verschmutzt und
leicht unscharf erscheinen lässt. Die Farben wirken ebenfalls
leicht verblichen.
I WAS A TEENAGE WEARBEAR erinnert stark an Musicals wie GREASE,
kommt daher auch in knallbunten Farben und allgemein guter Schärfe
daher. Details verschwimmen dann allerdings doch hin und wieder im
Weichzeichner, der gerade in den „emotionalen“ Szenen häufig und
stark eingesetzt wird. Dafür verzichtet diese Episode auf den
Einsatz von Bildfehlern und Filmkorn.
Eine echte Herausforderung ist dann der dritte Film DAS TAGEBUCH
DER ANNE FRANKENSTEIN. Dieses Bild ist einerseits das beste der
Reihe, besitzt die beste Schärfe, die höchste Detailzeichnung, den
besten Schwarzwert, wurde aber auch am meisten verfremdet. Da der
Film die 30er Jahre Horrorwelle der Universalstudios imitiert,
bekommen wir hier ständiges Flimmern, starke Verunreinigungen und
sogar einen Filmriss zu sehen. Aber hinter all diesen Fehlern
erkennen wir ein sauberes, fast schon plastisches Bild, das in
edlem schwarz-weiß präsentiert wird.
Die große Frage ist nun, wie man die Bildqualität bewertet, die
einerseits so unterschiedlich, und andererseits so überwiegend übel
ist. Vor allem dann, wenn diese schlechte Qualität gewünscht ist
und als Stilmittel anzusehen ist.
Letztendlich entscheidend ist doch, dass der gewünschte Effekt
erzielt wird, und da der Film voll und ganz dem entspricht, was der
Grindhouse-Fan erwartet, und darüber hinaus auch noch perfekt den
gewünschten Look der einzelnen Filmfragmente trifft, kann man hier
schon von einem „guten“ Bild sprechen, auch, wenn das natürlich
äußerst relativ zu sehen ist.
Ton (8/10):
- Deutsch DTS-HDM 7.1
- Englisch DTS-HDM 5.1
Wie das Bild ist auch der Ton von Episode zu Episode
unterschiedlich. Die Autokino-Rahmenhandlung trumpft dabei mit
schönem Raumklang auf, besonders zum Schluss, wenn das Chaos
ausbricht. Hin und wieder kommt auch der Subwoofer zum Einsatz,
allerdings eher dezent und unscheinbar. Grundsätzlich ist der Ton
der Rahmenhandlung jedoch äußerst solide und die Dialoge sind gut
verständlich.
Bei WAZILLA fällt gleich als erstes auf, dass die Rearboxen nicht
mehr angesteuert werden. Der Ton kommt ausschließlich von vorne,
wobei er trotz allem noch satt und wuchtig klingt. Vermutlich soll
hier das Mono, beziehungsweise Stereogefühl des 60er Jahre Kinos
erreicht werden, weswegen das, wie schon beim Bild, als Stilmittel
durchgeht.
Bei TEENAGE WEARBEAR kommen die Rearboxen wieder zum Tragen,
insbesondere bei den Musicaleinlagen, die unglücklicherweise nicht
untertitelt wurden. Dafür präsentieren sie sich in schönem
Raumklang, bieten deutliche und klare Dialoge, satte Bässe und gut
klingende Musik.
Die ANNE FRANKENSTEIN Episode hingegen fährt auch beim Ton auf der
30er Jahre-Schiene. Ein ständiges Knistern und Knacken, deutlich
wahrnehmbare Projektorgeräusche, und schwer verständliche Dialoge
vermitteln einem anschaulich, wie das Kinoerlebnis in der
Vorkriegszeit gewesen sein muss. Die Szenen blieben
unsynchronisiert, da ohnehin alle Darsteller (außer Hitler!)
deutsch sprechen. Hitler gibt ein unverständliches Kauderwelsch von
sich, das allerdings, im Gegensatz zu den Musicaleinlagen der
vorherigen Episode, untertitelt wurde.
Unterm Strich verhält es sich beim Ton ähnlich wie beim Bild. Den
Ton gut zu nennen wäre vermessen, allerdings passt der Ton mit all
seinen Fehlern perfekt zum Bild, vermittelt die gewünschte
Atmosphäre, und darf deshalb auch verdientermaßen eine relativ hohe
Punktzahl einstreichen, die er im Vergleich zu regulären Titeln,
natürlich nicht verdient hätte.
Extras (9/10):
- Durchgängiger Audiokommentar mit den Filmemachern
- Making of „Anne Frankenstein“ (23:17 Minuten)
- “Teenage Wearbear” Deleted Scenes (14:27 Minuten)
- “Teenage Wearbear” Behind the Scenes (21:59 Minuten)
- “Zom-B-Movie” Deleted Scenes (04:02 Minuten)
- Famous Monsters Interview mit den Filmemachern (05:41
Minuten)
- Salven Comic Con Interview vom 22.07.2011 (07:51 Minuten)
- “Wadzilla“ Deleted Scenes (06:04 Minuten)
- Musikvideo von Psycho Charger (04:35)
- Trailer/Faketrailer: Chillerama, Teenage Wearbear, Wazilla
Was die Extras angeht, bietet CHILLERAMA alles, was das Herz
begehrt. Einen Audiokommentar über die gesamte Filmlänge,
geschnittene Szenen zu jedem einzelnen der gezeigten Filme,
Interviews, Trailer, Fake-Trailer, Musikvideos. Hier bleibt kein
Wunsch offen.
Einziges Manko ist, dass man wieder einmal versäumt hat, die
Extras, die allesamt in englischer Sprache vorliegen, mit deutschen
Untertiteln zu versehen.
Fazit:
CHILLERAMA ist ganz sicher kein guter Film. Er ist derb, schlecht
gespielt, die Special-Effects sind unterstes Niveau und bild- und
tontechnisch ist er teilweise von so schlechter Qualität, dass man
fast von einer Katastrophe sprechen kann.
Da die schlechte Qualität der einzelnen Filmsegmente allerdings als
gewolltes Stilmittel zu betrachten ist, welches erst den Reiz des
Films ausmacht, wäre es falsch, dies negativ anzukreiden.
Fakt ist, dass der Film mit keiner aktuellen Produktion mithalten
kann, aber das war auch nie das Ziel.
Stilistisch ist der Film eine Offenbarung, eine gelungene Hommage
an den Trash- und B-Movie. Ein Requiem an das Autokino.
Diesen Film kann man nur lieben oder hassen, dazwischen dürfte es
eigentlich nichts geben. Aber ganz gleich, was man persönlich von
dieser Art Film hält, ist eines ganz sicher: dieser Film trägt
schon jetzt den Status KULT