Das Weib des Pharao Blu-ray
ReviewErnst Lubitsch gilt bis heute als einer der prägenden Regisseure
der deutschen Stummfilmära. Von 1915 bis 1922 inszenierte er mehr
als 40 Filme, in denen er teilweise auch als Darsteller mitwirkte.
Diese stattliche Bilanz bildet allerdings nur den Grundstein seine
Karriere. Im Jahr 1923 siedelte er nach Hollywood über, wo er
zahlreiche erfolgreiche Produktionen folgen ließ. Darunter
Ninotschka (1939) mit Greta Garbo und
Sein oder nicht sein (1942) mit der
früh verstorbenen Carole Lombard in der Hauptrolle. Damit vollzog
er souverän den Schritt vom Stumm- zum Tonfilm. Sein vorletzter
Stummfilm, den er auf deutschem Boden realisierte, war im Jahr 1922
Das Weib des Pharao, der zum größten Teil von der
amerikanischen Paramount finanziert wurde. Mit rund 75.000 Dollar
Produktionskosten handelte es sich um die teuerste deutsche
Produktion jener Tage.
Story:
Der ägyptische Pharao Amenes (E. Jannings) und der äthiopische
König Samlak (P. Wegener) stehen kurz vor der Unterzeichnung eines
Bündnisvertrags. Doch auf dem Weg in die ägyptische Hauptstadt
brennt Samlaks wunderschöne Sklavin Theonis (D. Servaes) mit dem
einheimischen Arbeiter Ramphis (H. Liedtke) durch. Amenes verbürgt
sich bei dem aufgebrachten Samlak für Theonis Gefangennahme. Das
Liebespaar versteckt sich unterdessen bei Ramphis Vater Sotis (A.
Bassermann). Dieser ist ausgerechnet für den Bau von Amenes neuer
Schatzkammer verantwortlich. Die bloße Annäherung an die
Schatzkammer bedeutet für jeden die Todesstrafe. Doch natürlich
kommt es, wie es kommen muss. Das unvorsichtige Pärchen turtelt
ausgerechnet dort und wird prompt erwischt. Der tyrannische Amenes
kennt keine Gnade mit den beiden jungen Leuten. Bis er sich das
hübsche Mädchen genauer ansieht und sich ebenfalls Hals über Kopf
verliebt. Mit unglaublichen Konsequenzen für alle Beteiligten und
ganz Ägypten!
Wer lediglich mit den relativ einfach gestrickten Liebesdramen
moderner Prägung vertraut ist, dürfte sich angesichts der hier
gebotenen Irrungen und Wirrungen verwundert die Augen reiben. In
sechs Akten entfaltet sich ein Drama von wahrlich monumentalen
Ausmaßen. Dabei dient die exotische Kulisse rund um den Palast des
Pharaos lediglich als Bühne für eine Geschichte, die schon fast die
Ausmaße einer klassischen griechischen Tragödie annimmt. Die
Handlung fokussiert sich zum größten Teil auf die Personen. Den
Schauspielern liefert das die Gelegenheit für durchweg erstklassige
Leistungen. Inklusive der für die Stummfilmzeit typischen
ausschweifenden Gesten. Für heutige Sehgewohnheiten erscheint das
zwar als heilloses, und teils unfreiwillig komisches Overacting. In
der damaligen Zeit war dieses extrovertierte Schauspiel völlig
normal. Dank der finanziellen Rückendeckung der amerikanischen
Paramount, schöpfte Lubitsch auch produktionstechnisch aus dem
Vollen. Alle Bauten wurden in Originalgröße errichtet. Darunter der
28 Meter hohe und 54 Meter breite Königspalast oder eine 24 Meter
hohe Sphinx, die die Schatzkammer darstellt. Auch die große
Schlacht zwischen Ägyptern und Äthiopiern wurde mit hunderten
Komparsen auf einem 120.000 Quadratmeter großen Areal nahe
Berlin-Steglitz realisiert.
Viel spannender als die eigentliche Produktion, ist aber die
Wiederentdeckung des für lange Zeit verloren geglaubten
Filmmaterials. Nach seiner Kinoauswertung verschwand
Das
Weib des Pharao vollständig von der Bildfläche. Und das
heißt in diesem Fall nicht, dass er lediglich nicht mehr aufgeführt
wurde. Die ursprünglichen Filmrollen waren verschollen! Erst knapp
50 Jahre später, im Jahr 1970, wurde eine unvollständige
Verleihkopie des Films in einem russischen Archiv entdeckt. Diese
lag allerdings in katastrophalem Zustand vor. Im Laufe der
Jahrzehnte wurde der Film, hauptsächlich aus italienischen und
französischen Quellen, langsam vervollständigt. Die Szenen der nach
wie vor fehlenden 20 Prozent werden durch erklärende Texttafeln und
Standbilder ersetzt. Auf diese Weise ist es problemlos möglich, der
Handlung zu folgen.
Bildqualität:
Technik: Videocodec MPEG-4 AVC, Ansichtsverhältnis 1,33:1,
Auflösung 1080/20p
Das nahezu zerstörte Ausgangsmaterial stellte die Restaurateure vor
eine immense Herausforderung. Wer die Restaurierungsarbeiten von
„Star Trek – The Next Generation“ verfolgt hat, dem dürfte schnell
bewusst werden, dass die Wiederherstellung eines 90 Jahre alten
Nitro-Film noch einmal völlig andere Dimensionen erreicht. Anhand
des erhaltenen Drehbuchs, der Partitur und verschiedener anderer
Anhaltspunkte, war es möglich, die korrekte Schnittfolge des Films
zu rekonstruieren. Das aus den verschiedenen Quellen verfügbare
Filmmaterial wurde daraufhin Bild für Bild zum fast vollständigen
Film zusammengesetzt. Das in 2K gescannte Ergebnis befreite man so
weit, wie nach heutigem Stand der Technik möglich, von
Beschädigungen. Eine weitere Herausforderung stellte die korrekte
Reproduktion der damaligen Virage dar. Dabei handelt es sich um
eine Einfärbung des Nitrofilms in verschiedene Farben, die in der
damaligen Zeit üblich war. Diese sollte dem Zuschauer helfen, die
verschiedenen Handlungsebenen zu unterscheiden. Darüber hinaus
diente sie zur Erzeugung einer bestimmten Stimmung. So wurden etwa
die Szenen der brennenden Hauptstadt rot, oder Nachtszenen blau
eingefärbt. Wenn man den Zustand des verfügbaren Ausgangsmaterials
berücksichtigt, ist das Endergebnis herausragend. Nahezu alle
Beschädigungen wurden entfernt, ohne dabei den ursprünglichen,
körnigen Filmlook zu beschneiden. Die hervorragende Detailzeichnung
offenbart sich vor allem an Hand der aufwändigen Kostüme. Einige
ruckartige Bewegungen sind auf fehlendes Filmmaterial zurück zu
führen. Die digitale Virage tritt nie unangenehm in den
Vordergrund, sondern bleibt zu jeder Zeit originalgetreu.
Tonqualität:
Technik: Deutsch DTS-HD Master Audio 5.1
Die Texttafeln liegen darüber hinaus in Englisch, Französisch,
Italienisch, Spanisch, Russisch, Chinesisch, Japanisch, Arabisch
und Thailändisch vor. Da es sich hier um einen Stummfilm handelt,
bezieht sich die Codierung der Tonspur auf die Filmmusik. Diese
wurde an Hand Eduard Künnekes Originalpartitur vom
WDR-Rundfunkorchester unter der Leitung von Frank Strobel neu
eingespielt. Strobel zeichnete sich ebenfalls für die
Neuinterpretation der Musik von „Metropolis“ verantwortlich. Gerade
im vorliegenden Fall kommt der Musik eine entscheidende Bedeutung
zu. Sie dient nicht nur zur Untermalung, sondern trägt maßgeblich
zur emotionalen Wirkung der Handlung bei. Die Abmischung beschränkt
sich auf die Frontkanäle. Die Stereobühne, die sich vor dem
Zuschauer aufbaut, darf ohne falsche Scheu als audiophil bezeichnet
werden. Eine entsprechende Anlage und Lautstärke vorausgesetzt,
wähnt man sich nur zwei Meter vom Orchestergraben entfernt. Jedes
Instrument wird präzise abgebildet. Nicht nur Freunde klassischer
Musik werden hieran ihre Freude haben.
Ausstattung:
-
Trailer Deutsch und Englisch
-
Die Rückkehr von Lubitschs Pharao – Dokumentation der
Restaurierungsarbeiten (ca. 37 Min.)
-
Filmkonzert des WDR-Rundfunkorchesters (ca. 100 Min.)
-
Setfotos
-
Fehlende Szenen
-
Programmheft aus dem Jahr 1922
-
Alle Extras in HD
-
20seitiges Booklet
Nahezu alles, was man zum Film wissen muss, ist im Bonusmaterial
enthalten. Wer sich für die technische Seite der Restaurierung
interessiert, kommt an der Dokumentation „Die Rückkehr von
Lubitschs Pharao“ nicht vorbei. Hier bekommt der Technikfreak
Informationen aus erster Hand. Das komplette Filmkonzert rückt die
kongeniale Adaption der Musik in den Vordergrund. Der
Live-Mitschnitt zeigt das Orchester aus 16 unterschiedlichen
Kameraperspektiven bei den Aufnahmen der Partitur. Das 20seitige
Booklet liefert wissenswerte Hintergrundinformationen zur
Entstehung des Films und ersetzt in gedruckter Form moderne
Making-Ofs.
Fazit:
Die vorliegende Blu-ray präsentiert
Das Weib des
Pharaos in der aktuell bestmöglichen Verfassung. Was aus
dem nahezu zerstörten Ursprungsmaterial herausgeholt wurde, grenzt
für einen Laien beinahe an ein technisches Wunder. Frank Strobels
Neuinterpretation der Filmmusik unterstreicht kongenial die
emotionale Tiefe des Films. Die Abmischung erfüllt audiophile
Ansprüche. Das Zusatzmaterial liefert fast alles, was man über
Lubitschs Werk wissen muss.
Nach
Metropolis schafft es nun auch
Ernst Lubitschs Monumentaldrama
Das Weib des
Pharao auf Blu-ray. Wer die Premiere am 21. Februar 1922
(vielleicht aus Termingründen?) verpasst hat, erhält nun die
Gelegenheit, Versäumtes nachzuholen. Für Stummfilmfans ist diese
Veröffentlichung ohnehin Pflicht. Wer noch nie zuvor einen
Stummfilm gesehen hat, sollte spätestens jetzt damit anfangen.
Dramatik und Komplexität der Handlung schlagen heutige Liebesdramen
um Längen. Der Film erinnert eher an klassische Theaterstücke. Dass
hier nicht gesprochen wird, ist nach wenigen Minuten vergessen.
Denn Lubitschs Meisterwerk entwickelt Dank seiner suggestiven
Bildsprache eine Faszination, der man sich nur schwer
entzieht.
Kurzbewertungen:
Story: 8/10
Bild: 9/10
Ton: 9/10
Extras: 8/10
Gesamt*: 9/10
* In der Gesamt-Bewertung wird die
Story nicht berücksichtigt.Kaufempfehlung: 8/10
Die Kaufempfehlung der Das Weib des
Pharao Blu-ray wird anhand der technischen Bewertung und unter
Berücksichtigung der Story berechnet.Testgeräte:
TV: Panasonic TX-P55VT50E (55“) (kalibriert)
BDP: Panasonic DMP-BDT500
AVR: Pioneer SC-LX81
Lautsprecher: B&W 803S (Main), Teufel M-500 (Surround)