Hier etwas Background zu den Filmen mit denen wir grossgeworden
sind, zu den Blurays die bei vielen von uns im Regal stehen
Es wird auf die Regisseure und deren Ideen eingegangen, aber auch
auf alles was sich beim Dreh zugetragen und in den kreativen
Prozess mit reingespielt hat
Film Stills sind für editoriale Zwecke freigegeben, Filmwissen
basiert auf Werkstattgesprächen, Interviews und/oder
Autobiographien sowie dem Web
2001 - Odyssee im Weltraum
Stanley Kubrick in dem an das 18. Jahrhundert angelehnten French
Room, der im Smithsonian National Air and Space Museum 2018
ausgestellt war
Kubrick weist im Cockpit den Piloten an welche Knöpfe er in welcher
Reihenfolge und Geschwindigkeit zu drücken hat
Im Verlauf der 3-jährigen Dreharbeiten wurden in England mehrere
100 Hektar grosse Hangare gemietet, in denen 1:1 grosse Raumschiffe
lagerten. Die Szene in der Keir Dullea in die Discovery
reingeblasen wird wird in 40 Metern Höhe mit Druckluftdüsen
realisiert
Kubrick hatte zu Beginn bereits Kostüme für Aliens ausgearbeitet,
fand es dann aber doch überzeugender sie einfach nicht zu zeigen.
Zu Beginn der Dreharbeiten gibt es weder PCs, Mondlandungen noch
digitale Effekte
Stanley Kubrick und William Sylvester im Gespräch in dem von der
NASA installierten Antigravitationsfeld. Er spielt Heywood Floyd
der zu dem auf dem Mond entdeckten Monolithen reist. Dieser ist auf
Jupiter ausgerichtet, dem Ziel der sich an Bord des Raumschiffes
Discovery befindenden Crew, von der sich bis auf 2 alle in
Tiefschlaf versetzt wurden
Robocop
Paul Verhoeven instruiert Miguel Ferrer, wie er auf die vielen
Kilopond des Metallarms reagieren soll. Kameramann Jost Vacano
lässt das Robocop-Kostüm mit Wachs einfetten, damit die vielen
grossflächigen Lichtreflexe darauf besser zur Geltung kommen
Frisch in den USA angekommen, bezieht Verhoeven viel Inspiration
für das Mensch-Maschine-Thema aus "The Terminator" von James
Cameron, den er 1984 im Kino sieht. Vacano zieht einen mit seinem
immersiven Stil in das Bild rein, während Verhoeven mit seinem
expressionistischen Stil sozusagen wieder ausspuckt
Orion Pictures stellte nur 6 Mio $ zur Verfügung, der ED-209
Roboter musste deshalb per Stop-Motion animiert werden. Verhoeven
nutzt auch ansonsten bei TV News und Werbung gerne Trash, um die
sich normalerweise durch Wert definierende Gesellschaft zu
unterlaufen
Verhoeven musste von der Crew vom Set getragen werden um nicht noch
brutalere Szenen zu drehen. Der später veröffentlichte Director's
Cut musste anhand von Interpositiven rekonstruiert werden. Wie
Vacano bemerkte wirkt der Film in der geschnittenen Version härter,
weil die comichafte Übertreibung fehlt
Peter Weller verlor durch das Tragen des von Special Effects-Mann
Rob Bottin entwickelten Kostüms über 20 Kilo. Paul Verhoeven gefiel
unterdessen sein puppenhaftes Aussehen immer mehr
Alien
Ridley Scott und Sigourney Weaver gehen an Bord der Nostromo das
Drehbuch durch. Alle Charakternamen wurden von den Produzenten
geändert. Scott wird regelmässig von der Crew aufgezogen weil er in
seinem Rolls Royce beim Studio vorfährt
Aus Kostengründen wurde in den Shepperton Studios in England
gedreht. Die blauen Laser für die Alien Eggs Szene wurden
kurzerhand von einem The Who-Konzert ausgeliehen
Aufgrund des geringen Budgets von 11 Mio $ wurden viele Räume
multifunktional gestaltet, um sie mehrfach einsetzen zu können. Das
Raumschiffdesign ist durch Flugzeugfriedhöfe inspiriert
worden
Sigourney Weaver wurde aufgrund von Theaterauftritten an Ridley
Scott empfohlen und sprach in bis dato halbfertigen Bauten vor. Das
Alien von H.R. Giger war nicht ansatzweise fertiggebaut
Scott wollte elektronisch ferngesteuerte Puppen für das Alien, doch
die Spezialeffekte waren 1979 noch nicht so weit. Am Ende stieg
dann doch einfach ein 2,08 m grosser Mann in das Alien-Kostüm
Das Ding aus einer anderen Welt
John Carpenter der normalerweise die Musik zu seinen Filmen selbst
macht, überlässt es hier Ennio Morricone. Dessen Score wird 1982
als schlechtester Score für den Razzie nominiert, gewinnt aber 2015
als Tarantino ihn wieder ausgräbt den Oscar für The Hateful
Eight
Am Set entbrennen unter den Schauspielern Diskussionen, ob die
Charaktere sich dessen bewusst sind dass sie "das Ding" sind. Sie
einigen sich schliesslich darauf, dass wenn das Ding wirklich eine
perfekte Imitation ist sie sich dann für Menschen halten
würden
John Carpenter wurde mit 15 Mio $ ein grosszügiges Budget zur
Verfügung gestellt, dass er unter anderem dafür verwendete alle
Studiohallen auf 4 Grad runterzukühlen. Für die pfeifenden
Polarwinde wurde dennoch der heisse Wind rund um die 38 Grad warme
die Studiohallen umgebende Wüste aufgenommen
Es gab hitzige Diskussionen über die Flares, an denen sich Russell
und Carpenter regelmässig die Finger verbrannten. Deshalb spulte
Russell, als er die Crew mit Dynamit und einer Flare bedrohte, auch
so schnell wie möglich seinen Dialog runter um schneller als die 90
Sekunden-Flare-Dauer zu sein
Der Film floppte an der Box Office. Ein Reviewer nannte Carpenter
"einen Pornoregisseur der Gewalt". 20th Century Fox löste den
Vertrag mit ihm auf. Der Film errang trotzdem Kultstatus. An Bord
der 98er DVD und LD ist ein genialer Audiokommentar von Carpenter
und Russell, der jedoch aufgrund von political incorrectness auf
allen aktuellen Blurays zensiert ist
Blue Velvet
David Lynch der Ende der 70er mit transzendaler Meditation begann,
basiert Blue Velvet auf Erinnerungen aus seiner Kindheit. Aus
seiner Sicht geht das idyllische Spiessertum und der archaische
Trieb von Sex und Gewalt überhaupt gar nicht erst zusammen, also
bildet er sie als komplett von einander getrennte Sinneinheiten
ab
Lynch der ausschliesslich visuell denkt verlangt pro Szene anderes
Schauspiel, dass exakt auf die gemäldehaften Bildkompositionen
ausgerichtet ist
Lynch wurde von regelmässigen Lachkrämpfen geschüttelt, als er
Hopper und Rossellini bei den Sexszenen zusehen musste. Hopper
schmiss bis vor kurzem noch regelmässig Geburstagspartys für den
"Pfadfinder" Lynch wie er ihn nannte
Lynch in dem Land seiner selbst erschaffenen Alpträume und
Kreaturen, findet mit Blue Velvet endlich zu seinem Stil. Einfach
indem er vom Abstraktem zu Menschen in alltäglichen Situationen
rüberwechselt
Isabella Rossellini lernt David Lynch in einem Restaurant kennen.
Er staunt nicht schlecht darüber, wie selbstverständlich sie sich
den verstörenden Charakter aneignet. Und auch darüber wie genervt
Dennis Hopper jedes Mal reagiert als sie mit ihm über seine Rolle
sprechen will
Dead Man
Dead Man, der wie immer bei Jarmusch komplett ausserhalb des
Studiosystems gedreht wurde, hatte seine Premiere beim 1995 Cannes
Film Festival, wurde in die Criterion Collection aufgenommen und
ist der letzte Film in dem Robert Mitchum mitspielte
Der Film hat einen einzigartigen Stil, in dem es im Prinzip nur um
die beiden Hauptdarsteller geht. Alle anderen Charaktere werden
sozusagen von aussen herangetragen und in in sich geschlossenen
Sinneinheiten abgehandelt
Robby Müller der ausser einer Kamera, einer Linse und Licht
jegliche andere Kameratechnik ablehnt, lehnte sich bei diesem Film
stark an die Fotografie von Ansel Adam an
Jim Jarmusch sieht William Blake als eine Art weisses Papier, dem
die Gesellschaft ihren Stempel aufdrücken will. Die einen wollen
einen Outlaw aus ihm machen, andere einen Rebellen oder Poeten.
Johnny Depps Gesicht das diese passive Qualität aufweist könnte
nicht besser passen
Neil Young spielte den Score für Dead Man ein, während er sich 3x
hintereinander die 2 1/2 stündige Ursprungsfassung anschaute. Der
Score sollte zwar danach noch an den Schnittrythmus angepasst
werden, wurde aber dann doch mehr musikalisch und weniger
cineastisch einfach in der Ursprungsfassung belassen -
Departed
Martin Scorsese platzierte in Szenen "X"s in Verbindung mit
bestimmten Charakteren, um deren baldiges Ableben anzudeuten. Was
wiederum eine Hommage an "Scarface" von 1932 ist. Kameramann
Michael Ballhaus wurde angewiesen alles möglichst minimalistisch
auszuleuchten
Martin Scorsese gab Jack Nicholson gleich zu Anfang vor, dass er
ausschliesslich sich selbst spielen sollte. Er liess ihm auch freie
Hand bei Dialogen, Szenen gestalten und hinzuerfinden. Visuell
nutzt er das indem er den Bösewicht als einen vom Rest der Welt
isolierten Charakter darstellt
Für Scorsese war The Departed der erste Film seit 20 Jahren der in
der Jetzt-Zeit spielt. Die zahlreichen Close-Ups klingelnder Handys
weisen in die Richtung, dass alle auch ohne Elektronen miteinander
verbunden sind
Nachdem die Oscar-Jury für den besten Film aus einer Jury von
Schauspielern besteht, verwundert es nicht dass The Departed
gewinnt. Scorsese hatte Matt Damon ausgesucht, weil er wie ein
"frecher, grossspuriger Maulheld" rüberkommt. Leonardo Di Caprio
beschrieb dagegen seine Rolle als "24/7-Opferlamm"
Für Scorsese ist das Machen des Films "Moral Ground Zero". Es gibt
keine Guten, die dunklen Machenschaften bleiben unentdeckt, am
Schluss geben alle den Löffel ab. Er mag zwar den Film, aber ihn zu
machen war selbst in der Postproduktion für ihn noch eine äusserst
stressige Erfahrung
No Country For Old Men
No Country For Old Men ist einer der wenigen Filme in dem es keinen
Score gibt, und falls doch ist er meist hinter Autogeräuschen oder
Winden versteckt. Minimalismus wird in Verbindung mit Existenz zu
etwas Überlebensgrossem hochstilisiert. Der Film holt 2007 den
Oscar als bester Film
Als die Coen Brothers Javier Bardem die Rolle vorschlugen, meinte
der dass er nicht fahren kann, schlecht englisch spricht und Gewalt
verabscheut. Die Coens antworteten dass sie ihn genau deswegen
ausgesucht hatten. Bardem monierte noch dass es mit diesem
Haarschnitt die nächsten Monate schlecht mit Frauen aussehen
werde
Für die Coen Brothers ist Independent bei Film auch nichts anderes
als ein Label, dass sich verkaufen muss. Es ergibt für sie genauso
wenig Sinn wie Filme in Genres einzuordnen
Lange Passagen des Films kommen komplett ohne Dialog aus - aber
wenn ist es wortwörtlich aus McCarthy's Roman übernommen und sogar
in der gleichen Reihenfolge belassen
Joel Coen wird als Regisseur aufgeführt, aber Drehbuchautor Ethan
Coen führt immer mit Regie. Weil ihnen die vielfache Nennung ihres
Namens peinlich ist, haben sie sogar für den Schnitt irgendwann das
Pseudonym Roderick Jaynes erfunden, obwohl sie alles meistens
selber schneiden
Es war einmal in Amerika
Sergio Leone setzt De Niros Opiumhalluzinationen als Metapher für
die ineinander verschachtelten Bewusstseinsebenen von Vergangenheit
und Zukunft ein, die je älter man wird immer klarer zutage
treten
Robert De Niro hat grosse Probleme mit Leones
Schauspielanweisungen, da völlig entgegen seinem Naturell
zurückhaltend und minimalistisch spielen soll
Leone instruierte James Woods für das Finale eine gerupfte Ente zu
spielen. De Niro bezahlte persönlich für seine leuchtend weissen
Zähne weil sie den Produzenten zu teuer waren
Sergio Leone liess von 1980 bis 1982 über 3.000 Schauspieler für
110 Rollen vorsprechen, von den Proben wurden 500 auf Video
aufgenommen. Er trifft sich mit dem Gangster Harry Grey, dessen
Eitelkeit ihn königlich amüsierte. Seinen visuellen Stil basierte
er auf Gemälden von Hopper, Rockwell und Degas und den Fotos von
Jacob Riis
Leone erlebte die Reaktion des US-Publikums auf die 229-minütige
Ursprungsfassung, die von dem Studio einen Tag vor Release auf 139
Minuten gekürzt wurde nicht mehr, da er 5 Jahre später
verstarb
Wild At Heart
Lynch erfindet ständig neue Szenen zu Barry Giffords Novelle hinzu,
mit der der Film am Schluss nicht mehr viel zu tun hat. Auch lässt
er die Schauspieler einige Sachen dazuerfinden. Besonders Willem
Dafoe kommt seitdem er die Zahnprothese verpasst bekommen hat mit
immer neuem Zeug an das Lynch hocherfreut abnickt
Nicolas Cage benutzte als Kostüm eine Schlangenlederjacke aus
seinem Besitz. Er sah Wild At Heart als willkommenen Bruch mit
seinem bisherigen Method Acting an. Nach den Dreharbeiten bekam
Laura Dern die Jacke geschenkt
David Lynch hätte es beinahe nicht geschafft, die Filmrolle nach
Cannes zu bringen, weil er es nicht als Flugzeuggepäck aufgeben
konnte. Er verstaut sie dann im Flieger bei einer älteren Dame
unter dem Sitz. Der Gewinn der Goldenen Palme unter tosendem
Applaus bedeutet ihm viel, auch dass Regisseur Fellini anwesend
ist
Lynch der den Film ursprünglich 270 Minuten ohne Happy End laufen
lassen wollte, belehrt das lange Gesicht seines Produzenten nach
dem Screening eines Besseren. Nachdem bei einer Testvorführung bei
einer Szene 300 von 350 Zuschauern den Saal verlassen, nimmt er
weitere Kürzungen vor. Und auch eine kleine, finale um ein X-Rating
zu vermeiden
Wie so oft spielen Lynchs Filme kaum etwas ein. Er fühlt sich wie
ein missverstandener Europäer unter einheitlichen Amerikanern.
Viele unterstellen zudem Lynch gestört zu sein, ehe sie ihn nicht
persönlich kennengelernt haben
Das Schweigen der Lämmer
Kameramann Tak Fujimoto im Gespräch mit Jonathan Demme. Er ist es
der nach Demmes Tod zusammen mit der Criterion Collection in
momatelanger Kleinarbeit das Filmnegativ für die Bluray
restauriert
Jonathan Demme der parallel zu dem Film noch eine Doku über seinen
Cousin dreht, driftet je mehr er dort Realität abbildet, beim Film
ins Surreale. Die Charaktere die mit Jodie Foster reden sprechen
oft direkt in die Kamera, während Foster immer leicht von der
Kamera wegschaut, so dass der Zuschauer mit ihrem Charakter eins
wird
Anthony Hopkins setzte sein direkt in die Kamera schauen so ein,
dass er der Einzige ist, der alles weiss. Zur Vorbereitung auf
seine Rolle las er Akten über Serienkiller, besuchte Gefängnisse
und studierte verurteilte Mörder, war auch bei deren
Gerichtsverhandlungen anwesend
Hopkins liess sich von Reptilien inspirieren, die nur dann blinzeln
wenn sie es wollen und es dann bewusst machen. Auch von dem
Bordcomputer HAL 9000 in "2001 - Odyssee im Weltraum", der seiner
Meinung nach eine hochintelligente, extrem logische und komplexe
Maschine sei, die sich aller Vorgänge um ihn herum gleichzeitig
bewusst sei
Jonathan Demmes stilistische Wahl von durch Francis Bacon Gemälden
inspirierten Kompositionen zusammen mit extremen Close Ups, dem
herausragendem Schauspiel sowie der Tiefe von Harris Buchvorlage
sorgt dafür, dass der Film 5 Wochen auf Platz 1 der Kinocharts
landet und die 5 wichtigsten Oscars gewinnt
Kill Bill Vol 1 & 2
Mit Kill Bill wird Tarantino endlich mehr Regisseur als
Schauspieler: keine endlosen Dialoge, Charakterfixierung und
statische Kamera mehr, dafür Cinema pur. Grossen Anteil daran hat
Kameramann Robert Richardson, der am Valentinstag vor seiner Tür
ein Bouquet roter Rosen zusammen mit dem verpackten Drehbuch
vorfindet
Tarantino erklärt Richardson, dass jedes Kapitel sich anfühlen
soll, als ob man die Filmrolle im Kino wechselt: von Western,
Melodrama, Thriller bis hin zu Horror. Zusammen mit Tarantinos
Filmvorschlägen und eigenen Käufen studiert Richardson die
Kameraarbeit von über 200 B-Movies
Tarantino entscheidet sich dafür, Kill Bill in zwei Teile
aufzusplitten: in Vol 1 ist Rache etwas lineares, voller
Schauwerte, in Vol 2 ist sie wie ein Nachklang, voller Tiefe. Die
Teil 1 und 2 vereinende "The Whole Bloody Affair", für die er den
Anime auf 30 min ausweitet, hat es bis heute nicht ins Kino
geschafft
Bei den Dreharbeiten zu Pulp Fiction erkundigte sich Uma Thurman in
welchem seiner Filme sie als nächstes mitspielen solle. Tarantino
schrieb daraufhin ein paar Seiten eines Kung Fu-Scripts, das
anschliessend in die Mülltonne wanderte. Deshalb im Abspann The
Bride created by Q & U, nämlich Quentins und Umas Initialen
Quentin Tarantinos erster Film nach 7 Jahren Pause. Laut Tarantino
ist Kill Bill ein "Film-Film-Universum", in dem nicht nur jeder ein
Samuraischwert trägt, es erlaubt ist eins ins Flugzeug mitzunehmen,
sondern extra dafür eine Halterung in jedem Sitz angebracht
ist
Mulholland Drive
Mulholland Drive, der ursprünglich als Pilot für eine TV-Serie
geplant war, stellt David Lynch vor völlig neue Herausforderungen.
Erst kurz bevor der Deal zustandekommt, kommen ihm Ideen in Form
eines Kinofilms, während er die ganze Zeit mit dem Gedanken spielt
das Projekt aufzugeben
Lynch verlässt sich beim Drehen auf seine Intuition, nicht selten
schaffen es Dialoge aus Schauspielergesprächen in den fertigen
Film. Er verzichtet oft auf ein Vorsprechen, ein persönliches
Gespräch reicht ihm meistens um zu casten
Mulholland Drive ist Lynchs letzter grosser Kinofilm, der analog
gedreht wurde. Die frei schwebende Kamera wird oft zu einer Art
unsichtbaren Protagonisten. Mulholland Drive gewinnt 2001 zusammen
mit The Man Who Wasn't There die Goldene Palme in Cannes
Lynch weigert sich seine eigenen Filme zu interpretieren. Er
bemerkt dass wenn er im voraus mit einer eigenen Interpretation zum
Dreh gehen würde, er rückwärts denken würde und es demnach auch
gleich sein lassen könne
David Lynch, der sich neben Filmen auch für Malerei, Fotografie,
Skulpturen, Comicstrips und Musik begeistert, hat in den USA
Schulen für Meditation gegründet. Für seine Comicserie "Dumbland"
hat er alles selbst gezeichnet und animiert, die Stimmen
eingesprochen und die Soundeffekte aufgenommen
Carlitos Way
Nachdem sich Brian De Palma in den 70ern und 80ern hauptsächlich
dem Thriller-Genre gewidmet hatte, weil sie nicht viel kosten und
er mit den Bildern machen konnte was er wollte, entdeckt er in den
90ern das Mainstreamkino für sich
Pacinos Improvisationstalent führt soweit dass er, weil ihn das
ständige Tragen der Lederjacke bei Temperaturen um die 40 Grad
stört, inmitten des Drehs in der U-Bahn einfach verschwindet. Als
De Palma ihn am Telefon erreicht meinte er dass er nur das getan
habe, was jeder vernünftige Mensch um die Uhrzeit mache, nämlich
nach Hause zu fahren
10 Jahre nach Scarface finden De Palma und Pacino wieder in einem
Gangsterfilm zusammen. Wer das Anti-Happy End beim ersten Zuschauen
verkraftet, auf den wirkt Carlito Brigante beim erneuten Ansehen
wie jemand der sich aus einem Traum ausgesperrt hat
De Palma beweist auch in diesem Film ein Händchen für Schauspieler
und Gesichter. Er will unbedingt den Argentinier Jorge Porcel
haben, der kein englisch kann und dem hinter der Kamera immer
jemand phonetisch die Zeilen vorsagen muss. Sean Penn dagegen kommt
gleich mit passender Frisur und Nickelbrille zum Set und wird
sofort durchgewunken
Tarantino sammelt bis heute Zeitungsartikel von De Palmas Filmen
die meistens empörte Verrisse sind. Carlitos Way schaut er sich,
obwohl er eigentlich auf Promotiontour für Reservoir Dogs ist
gleich 4x hintereinander an. Nachdem er als Filmfan vor einem Kino
stehend sich nicht getraut hatte De Palma anzusprechen, finden die
beiden als Filmemacher endlich zusammen
Dobermann
Jan Kounen adaptiert den Comicstrip von Joel Houssin und übernimmt
visuelle Ideen von seinen früheren Kurzfilmen, vor allem die dass
die Aggression alleine vom Kinozuschauer ausgeht
Der gerade mal 34-jährige "Crazy Kid" Kounen zusammen mit Vincent
Cassel und Monica Bellucci bei den Cannes Filmfestspielen 1997, in
dessen Programm Dobermann überraschend aufgenommen wird
Kounen geht es vor allem um das Spiessbürgertum, dass dem Kino das
Rollenmodell des Actionhelden und seiner schönen Frau vorgibt und
widmet deshalb den Film vor allem den skurril-abgedrehten
Nebendarstellern. Er selbst inszeniert sich demenentsprechend als
Kunde, der nur Geld abheben will und von Monica Bellucci eine
Granate abbekommt
Jan Kounen bemerkte in einem Interview dass er durchaus seine
eigene Ethik verfolge, diese aber nicht zwangsläufig mit der "der
feinen Gesellschaft mit ihren schönen Ideen" übereinstimme
Jan Kounen der nach Dobermann hauptsächlich esoterische Filme und
Dokus, in denen es um Bewusstseinserweiterung durch Drogen und
Selbstfindung durch Meditation geht dreht, wird 2020 überraschend
Jurypräsident der Cannes Filmfestspiele
Fear And Loathing In Las Vegas
Laila Nabulsi, die Produzentin des Films, versuchte 10 Jahre lang
erfolglos Thompsons Roman zu verfilmen, ebenso wie Martin Scorsese
und Oliver Stone. Erst als Terry Gilliam und mit ihm Johnny Depp
und Benicio Del Toro an Bord sind, nimmt das Projekt Fahrt auf.
Nabulsi hat als Grace Slick von Jefferson Airplane einen kurzen
Gastauftritt
Johnny Depp, der sich im voraus über die Angst der Studios freut,
sobald er vor die Kamera tritt, lebt monatelang mit Hunter S.
Thompson zusammen. Als er sich selbst dann bei der ersten
Testvorführung auf der Leinwand sieht, muss er auf Toilette um sich
zu übergeben
Terry Gilliam der in seiner Autobiographie bemerkt dass er nie
Drogen konsumiert hat, erfindet für den Film kurzerhand die
rauschhaften Zustände. Zum einen fällt ihm sowas als Cartoonist
leicht, zum anderen geht von dem Roman eine starke Wirkung
aus
Benicio Del Toro den Hunter S. Thompson gewarnt hatte dass der Film
das Ende seiner Karriere sein werde, hatte zwar jede Menge Spass
beim Dreh aber nach dem Film blieben dann tatsächlich über ein Jahr
lang die Angebote aus
Del Toro, Gilliam und Depp bei den Cannes Filmfestspielen 1998, der
dort für die Goldene Palme nominiert war. Kurz darauf wir der Film
im 2 Minuten längeren Director's Cut in die Criterion Collection
aufgenommen
Killing Zoe
Roger Avary der zusammen mit Tarantino als Videothekar B-Movies an
Kunden empfohlen und mit ihm den Drehbuch-Oscar für Pulp Fiction
gewann, gibt ein Jahr später sein Regiedebüt mit Eric Stoltz, Julie
Delpy und Jean-Hughes Anglade in den Hauptrollen
Avary korrigiert Leute, die Killing Zoe als Flop bezeichnen. Bei
Low Budget Filmen wie diesen war es damals das Ziel, sie ohne
Werbung und in unter 50 Kinos zu zeigen, damit sie sich für die
Walmart- und Blockbuster-Videoketten qualifizierten. Produzent
Samuel Hadida meinte, dass er auf die Weise mit Killing Zoe höhere
Einnahmen erzielt hatte als mit True Romance
Der Titel Killing Zoe bedeutet, dass man über die ganze Feierei,
den falschen Freunden und dem Geld beschaffen ständig unterbewusst
einer Frau etwas antut, auch wenn diese gar nicht zu sehen ist.
Roger Avary schrieb das Drehbuch in unter 2 Wochen und nahm
Anleihen bei Tarantino, der ihm empfahl einfach mit der Frau seiner
Träume zu beginnen
Avary war nach der Fertigstellung des Films völlig ausgebrannt und
schaute sich anstelle seiner Premiere in Paris lieber The Crow an.
Nachdem er dann doch neugierig wurde, sieht er volle Kinositze und
bekommt enthusiastische Reaktionen mit. Selbst im Taxi bei der
Heimfahrt fragt ihn der Fahrer in Anspielung auf den Film ob er ein
Girl für die Nacht brauche
Jean-Hughes Anglade hatte jede Menge Spass on und off screen. Neben
Posieren für Pressefotos übersetzte er die englischen
Drehbuchdialoge ins Französische und steuerte den Kamerawagen für
die Anfangs- Und Endsequenz quer durch Paris
Scarface
Oliver Stones Drehbuch, das auf Interviews mit Drogenbossen rund um
Florida basiert, kommt Brian De Palma gerade recht. Mit dem
Stilmittel einer Gangstersatire karikiert er 1983 gekonnt den
American Way Of Life
De Palma inszeniert Michelle Pfeiffer als blosses Accessoire, als
Gedankenkonstrukt des arbeitenden Menschen, als Bestandteil des
Inventars einer auf Besitz ausgerichteten Gesellschaft. Was u.a.
auch der Grund ist warum sie und Pacino sich im Film weder küssen,
Zärtlichkeiten austauschen noch sich sonst näherkommen
Oliver Stone der sich auf Schnellbooten auf den Bahamas Geschichten
von bei Kokaindeals eingesetzten Kettensägen anhören muss und
schliesslich nach Paris zieht um das Drehbuch fertigzustellen,
bekommt von Produzent Marty Bregman 300.000 Dollar dafür. Bregman
feuert den wenig begeisterten Sydney Lumet und holt dafür De Palma
als Regisseur mit an Bord
Wegen der amerikanischen Zensurbehörde MPAA muss De Palma ständig
den Film umschneiden, um ein X-Rating zu vermeiden. Am Schluss
entscheidet er sich einfach für die Ursprungsfassung und schickt
einen DEA-Agenten vor. Als dieser bestätigt dass das Gezeigte der
Wahrheit entspricht wird der Film ungeschnitten freigegeben
Brian De Palmas Film und Al Pacinos Performance, die beide im
Gegensatz zu Stone niemals Kokain geschnupft haben, werden bis
heute in das Repertoire vieler Rapsongs aufgenommen. De Palma
empfindet das als merkwürdigen Zufall da er das Gangstermilieu nur
benutzt hat, um den hart für seine Dollars arbeitenden Normalbürger
ein unvergessliches Portrait zu setzen
True Romance
Tony Scott will unter allen Umständen Tarantinos Drehbuch
verfilmen, das er zu seiner Videothekarzeit zusammen mit Natural
Born Killers verkauft, um seinen ersten Film Reservoir Dogs
finanzieren zu können. Tarantino merkt zwar an dass der Film nun
linear und mit Happy End sei, er den Film aber trotzdem sehr
möge
Scott holt sich für True Romance einen All Star Cast mit Christian
Slater, Patricia Arquette, Gary Oldman, Dennis Hopper, Christopher
Walken, Samuel L. Jackson Brad Pitt und Val Kilmer als Elvis. Die
Musik für den Film macht Hans Zimmer, der für das Hauptthema auf
einen alten Jingle aus seiner Schulzeit zurückgreift
Gary Oldman liest das Drehbuch erst gar nicht, sondern lässt sich
es sich lieber von Scott nacherzählen. Nachdem Scott nur sagt, dass
der Charakter weiss ist aber sich einbildet ein Schwarzer zu sein
und dass er ein Zuhälter ist, sagt er sofort zu. Gary Oldman
erfindet für seinen Charakter Dreadlocks, Narben, Goldzähne und ein
falsches Auge dazu
Tom Sizemore erinnert sich an die Dreharbeiten vor allem weil er
während des 2-wöchigen Drehs des Shootouts im Hotel ständig
irgendwelche Federn im Mund hatte. Die Dreharbeiten müssen
regelmässig wegen Gelächter unterbrochen werden, als Bronson
Pinchot während er die Wanze in seiner Unterhose hin und herschiebt
immer neue Grimassen erfindet
Der Film kommt in den USA nur gekürzt in die Kinos und spielt in
der Fassung gerade noch so seine 13 Mio $ Produktionskosten wieder
ein. Hierzulande wird er noch nicht mal indiziert, nur im TV läuft
eine 20 Minuten kürzere Fassung bei der dann gleich mal das
komplette Finale fehlt
Tanz der Teufel
Sam Raimi dreht 2 1/2 Monate in einer Hütte in den Wäldern von
Tennessee, die Schauspieler haben Mühe sich im Hotel und bei den
Dreharbeiten warmzuhalten. Raimi erinnert sich trotzdem gerne an
die nicht endend wollenden Dreharbeiten weil er seiner Kreativität
100 Prozent freien Lauf lassen konnte
Der Film spielt ein Vielfaches seiner Produktionskosten wieder ein
und wird ins Museum Of Modern Art aufgenommen. In Deutschland wird
er verboten und es dauert 33 Jahre bis er von der FSK 2017
neubewertet und ab 16 freigegeben wird
Für das Finale in dem die Zombies zerfallen wendet Raimi
Stop-Motion an. Für eine Sekunde Film müssen mit einer Single Frame
Kamera 24 Aufnahmen von Objekten in diversen Stadien gemacht
werden, was nochmal 3 Monate beansprucht. Special Effects-Mann Tom
Sullivan bemerkt, dass es dafür vor allem wichtig ist die Anatomie,
Bewegungen und Physik der echten Welt zu studieren
Raimi dreht vor dem Film auf Super 8 eine Art Promofilm, der
"Within The Woods" heisst, um die 350.000 $ Budget
zusammenzubekommen. Stephen King greift ihm unter die Arme, indem
er den Film promotet und ein Review schreibt. Als Bruce Campbells
Eltern noch eine Hypothek auf ihr Haus aufnehmen, kann der Film zur
Freude aller auf das gängige 35mm aufgeblasen werden
Sam Raimi erweitert später Tanz der Teufel zu einer Trilogie.
Spätestens mit "Schneller als der Tod" erschöpft sich sein
visueller Overkill. Nachdem er auf kleine, charakterorientierte
Filme umgestiegen ist, findet ihn plötzlich ein Comicheld aus
seiner Kindheit wieder. Bei der "Spider-Man"-Trilogie erzählt er
nun Stories über optische Ebenen
Hass
Matthieu Kassovitz der überhaupt nicht aus dem Ghetto stammt, kommt
auf die Idee für das Drehbuch, als ein Afrikaner in
Polizeigewahrsam umkommt. Er meint in einem Interview, dass er es
nicht glauben kann, dass so etwas immer noch vorkommt. Im Film
spielt er als eine Art Statement einen Neonazi aus der
Nachbarschaft, der eine Pistole ins Gesicht gehalten bekommt
Während der Cannes Filmfestspiele wenden Polizisten aus Protest
darüber wie sie im Film dargestellt werden, der eintreffenden Crew
einheitlich den Rücken zu. Der Film gewinnt 1995 unter Standing
Ovations den Preis für die beste Regie
Kassovitz benutzt und bildet Realistisches ab, aber unter der
Perspektive des Surrealistischen. Eine tickende Uhr kehrt immer
wieder, während die einzelnen Szenen in sich gleich Songs
abgeschlossen wirken. Die erste Filmhälfte in den Vororten ist ein
Makrokosmos, während die zweite in Paris voller Close-Ups ist und
absichtlich banal wirkt
Vincent Cassel fragt in Anspielung auf die Szene in Taxi Driver
sein Spiegelbild, ob es mit ihm redet. Beim Original steht Scorsese
hinter dem Spiegel, um De Niro aus der Fassung zu bringen. Auch
hier hat Vincent Cassel einen Schauspieler anstatt seines
Spiegelbildes vor der Nase
Der Film wurde zunächst in Farbe gedreht und später in
schwarz-weiss umgewandelt, was die Shots lebendiger wirken lässt.
Um maximalen Input von den Akteuren bei den Dreharbeiten zu
bekommen, gibt Matthieu Kassovitz den Charakteren die gleichen
Namen die sie auch im echten Leben haben
Harte Ziele
Für John Woos US-Debüt holt Sam Raimi als ausführender Produzent
Kameramann Russell Carpenter, seinen Editor Bob Murawski und
Musiker Graeme Revell mit an Bord. Woo bildet in der ersten Hälfte
das Banale der Existenz ab, um es dann in der zweiten Hälfte dem
überlebensgrossem Mythischen gegenüberzustellen
John Woo, der in den Slums von Hongkong Priester werden wollte, um
nicht täglich von Gangs zusammengeschlagen zu werden, inszeniert
Van Damme als Christus mit zwei Pistolen. Mal treibt Boudreaux das
Rad der Zeit voran, mal schwebt er gleich einem abstrakten Pendel
in der Luft, mal wechselt er die mythische Seite
Wie immer wenn Woo auftaucht, geht es hoch her. Stuntmänner und
Pyrotechniker beklagen sich, dass das 10-fache an Munition
abgefeuert wird. Die MPAA verweigert selbst nach der 6.
Schnittfassung eine Altersfreigabe. Graeme Revell schmeisst
zwischen der 3. und 4. Fassung hin, so dass jede geschnittene
Fassung leicht an den abgehackt wirkenden Melodien zu erkennen
ist
Kameramann Russell Carpenter darf für Woos Actionszenen 5-6
Kameras, die alle dazu noch mit unterschiedlichen Shutterspeeds
arbeiten, operieren und muss neben den ganzen verlegten Schienen
auch noch alles parallel ausleuchten. Bei Universal Pictures und
angesichts dessen, was Drehtage in den USA kosten, muss Woo auf
seine übliche komplexere Ausleuchtung verzichten
Sam Raimi inspiriert Woo dazu seine übliche Detailverliebtheit
zugunsten eines präzise getimteren, innovativerem Stil aufzugeben.
Man stattet die Kamera mit einer Art Eigenleben aus, überhöht das
Ganze noch durch den Schnitt und hebt so alles auf eine neue,
multidimensionale Ebene