Geschrieben: 07 Mai 2014 15:32
La
Grande Bellezza - Die grosse Schönheit
von Paolo Sorrentino
Einleitung:
Die Cannes-Filmfestspiele 2013
hatten so einige interessante und gute Werke im offiziellen
Wettbewerb, darunter galt Paolo Sorrentinos bezauberndes
Meisterwerk "La Grande Bellezza - Die große Schönheit" als einer
DER Höhepunkt des gesamten Festivals und wird seither bereits als
"neuer" Fellini ("La Strada", "La Dolce Vita", "8 1/2", "Amarcord")
angesehen. Am 2. März hat Regisseur Sorrentino für dieses
philosophische Werk über Leben und Vergänglichkeit den Oscar
entgegengenommen. und sich gegen Konkurrenten wie "The Broken
Circle" und "Jagten" durchgesetzt.
Inhaltsangabe:
Jep Gambardella ist
ein Lebemann der "high sociaty" und ein ehemals gefeierter
Romanautor, der nie ein weiteres Werk hat folgen lassen. Er
philosophiert über das Leben und stürzt sich auf die wildesten
Partys, jedoch ist er ein im Kern vollkommen desillusionierter
Mann, der an seinem 65. Geburtstag feststellt, dass er eigentlich
gar keine Lust mehr hat, Dinge zu tun, auf die er ohnehin keine
Lust hat. So wandelt er nachts in der ewigen Stadt umher und sucht
nach einem Sinn in seinem Leben und sieht der Tatsache nach und
nach in die Augen, dass auch er, wie das Leben selbst, vergänglich
ist.
Filmbesprechung:
Der Filmtitel ("Die große
Schönheit") ist ernst zu nehmen, hier werden staunenswerte
Aufnahmen von Rom und des mondänen Lebens präsentiert und so
gleicht dieser sinnliche Bilderrausch sowohl einem Gemälde als auch
einer Touristentour durch jene antike Stadt, womit der Film mit
japanischen Touristen treffender nicht hätte beginnen können, zumal
dieser im nächsten Moment ob der bemerkenswerten Schönheit Roms
fast schon metaphorisch im nächsten Moment stirbt.
Jep Gambardella's "Reise" nach DER großen Schönheit und dem Sinn im
Leben ist eine Ode an die ewige Stadt Rom und an den Menschen
selbst. Wenn Gambardella zudem die Sinnlosigkeit jeglicher,
kleinster Momente erkennt, wie z.B. die russische Künstlerin,
welche laut kreischend gegen die Wand rennt und Gambardella im
Anschluss in einem Interview nicht einmal sagen, warum sie diese
"Kunst" auslebt, nichtmal, was sie damit offenbaren oder zeigen
möchte und in einer weiteren Szene die Fassade seiner eigenen
Freundin bricht und sie mit ihren Lügen konfrontiert und dabei mit
dem Satz "Du hast ein kaputtes Leben. Wie wir alle" seine kritische
Offenbarung abschliesst (während Cannes gab es hier während der
Szene tosenden Beifall, das einzige Mal im Wettbewerb!), dann
stellt er in diesem Moment sich und seine gesamte
Gesellschaftsschicht in Frage und erzählt vom einfachen und ganz
normalen Menschen
Regisseur Paolo Sorrentino kreist dabei in seiner Geschichte um die
Themen "Leben", "Tod", "Liebe" und "Sex", indem sein
Stammschauspieler Toni Servillo (The Consequences of Love, Il Divo)
den "König der mondänen Welt" mimt und seine Rolle sehr gelassen
und im Laufe der Handlung in sich gekehrt verkörpert, dabei jedoch
mit einer schier fantastischen Präsenz und Leichtigkeit (zudem hat
Servillo eine der faszinierendsten Sprachbegabungen des
italienischen Kinos, unbedingt im Original-Ton schauen!)
Der Film wird endgültig zur Bereicherung der Sinne durch die
perfekte Cinematographie, denn sowohl Kamera und Schnitt, als auch
Musik und Fotographie sind auf exzellentem Niveau. Hier werden
Partyszenen zum Erlebnis, sodass man gleich mittanzen möchte, die
Tour durch Rom wirkt wie eine in derart kaum zu sehenden Perfektion
und dadurch verliert sich der Zuschauer schlicht und einfach in den
Straßen, Ecken und Winkeln dieses schon mythisch anmutenden
Roms.
Anders als bei Fellini ist "La Grande Bellezza" allein von der
Stimmung, der Atmosphäre her zudem weitaus optimistischer
ausgefallen als etwa "8 1/2" ( wo Regisseur und Fellini-Alter Ego
Marcello Mastroianni ob der Masse an Produzenten, Drehbuchautoren
und Schauspielern, die ihn nerven, sich in seine eigenen Tagträume
zu verlieren vermag), denn Gambardella kann am Ende seinem Leben
vielleicht den nötigen Sinn verleihen, der ihn stets umgeben
hat.
Am Ende steht, egal welchen Schlüssel man zu einer Tür in Rom auch
haben möge, das ewige blabla dem erbärmlichen Menschen gegenüber,
die Stille kehrt ein und für einen kurzen Augenblick, da sieht man
sie, die große Schönheit, die in jedem von uns stets pulsiert und
schimmert und nach dem Ende ist längst noch nicht Schluss, die Tour
geht noch während des Abspanns für das Publikum weiter und selten
hat man einen solchen Abklang aus einem Film erhalten,
groß(artig)es Kino!
5/5 -
Meisterwerk
Zum Bild:
Das Bild ist von Grund auf körnig gehalten, jedoch dadurch auch
natürlich und nicht mit x-Filtern geglättet, sodass Details
verloren gehen würden. Die Rom-Aufnahmen sehen fantastisch aus und
die Farben erstrahlen regelrecht. Die Nachtszenen haben einen
ausgewogenen und exzellenten Schwarzwert und obwohl es auch einige
weichgezeichnete Aufnahmen gibt, kommen diese minimal vor. (-->
die Artificial Eye (UK) und Criterion Release (USA) Scheiben lagen
mir jedoch nicht vor, sodass ich da keinerlei Vergleiche ziehen
kann)
4/5
Zum Ton:
Es gibt zwei Tonspuren; Deutsch DTS-HD 5.1 Master Audio (ebenso
deutsche Untertitel) und Italienisch DTS-HD 5.1 Master Audio
(Original-Ton).
Beide haben eine gute Abmischung, gerade die Partyszenen werden zum
Erlebnis, da der überragende Score einer Disco-Tour durch die
italienische Musikgeschichte gleicht, es gibt große Partykracher,
italienische Balladen, religiöse Chormusik ect. Ein großes
Krawall-Kino darf man hier aber definitiv nicht erwarten, denn
tontechnisch ist das Herz dieses Filmes die Dialoglastigkeit und
diese kommen sehr gut an, dennoch ist allein der fantastischen
Stimmbegabung Toni Servillo's wegen der Original-Ton zu empfehlen,
da die Synchro regelrecht bestimmte Satzinhalte verfälscht werden
("selbsbewusste Frau" wird zu "Frau mit Eiern" - ?) und auch einige
Synchronsprecher lustlos wirken bzw teilweise schlecht gewählt
sind.
5/5
Zur Ausstattung:
Auf der Scheibe befinden sich ein 15:43 min langer "Backstage"
Clip, welcher ein paar Einblicke hinter die Kulissen ermöglicht,
jedoch ohne Stellungnahmen und Äußerungen des Regisseurs und Stabes
(hier wird die Reise ästhetisiert weiterverfolgt). Des Weiteren
befindet sich ein 8:35 min langes "Interview mit Paolo Sorrentino",
welches einen kleinen Einblick in das Filmschaffen des Regisseurs
ermöglicht, wo er über die Motivation zum Film spricht, über den
Dreh, seine Beziehung zu Toni Servillo und sein Statement zur Stadt
Rom abgibt. Ansonsten ist leider nur noch ein Trailer zum Film zu
finden, hier wäre angesichts des schon jetzt starken
Klassiker-Status des Films deutlich mehr möglich gewesen, aber
enttäuschen tun die vorhanden Extras auf keinen Fall!
Zum Digibook:
Hierbei handelt sich um ein Digibook, welches ein 19-seitiges
Booklet auf der linken Seite des Digibooks eingeklebt hat und nach
links aufgeschlagen werden kann. Die Disc ist auf einer auf der
rechten Seite festgeklebten Halterung zu finden. Das Booklet selbst
ist sehr informativ und gewährt Einblicke in zwei andere Werke des
Regisseurs, in die Biografie des Regisseurs und seines
Stammschauspielers Toni Servillo. Dann kann man noch zwei
Interviews (mit Sorrentino und Servillo) nachlesen, ein
interessanter Sightseen-Überblick in Rom samt Karte ist neben einer
"Hommage an Fellini" ebenso noch wie die Soundtrack-Liste zu
finden.
4/5
Fazit:
Paolo Sorrentino (The Consequences of Love, Il Divo, Cheyenne)
kreiert eine bestaunenswerte Hommage, einen Bilderregen, ein
wahrhaftes Rauschfest, an Rom und wandelt dabei auf den Spuren
seines großen Landsmannes Federico Fellini (La Dolce Vita). Bild
und Ton werden dem Film ebenso gerecht wie die Ausstatung, auch
wenn dort sicherlich noch mehr möglich gewesen wäre. Anbieten tut
sich auch auf jeden Fall das Digibook und ist für Liebhaber des
Filmes bzw. von Fellini und grundstätzlich des italienischen Kinos
ein Muss.
5/5
(aufgerundet)
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Geschrieben: 07 Mai 2014 17:28
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Unsere Punkteskala geht bis 10, nicht bis 5. Ansonsten: Echt toll,
dass Du teilgenommen hast. Der Beitrag bereichert diesen Contest
wirklich! :thumb:
Geschrieben: 07 Mai 2014 17:32
Zitat:
Zitat von Michael.Speier
Unsere Punkteskala geht bis 10, nicht bis 5. Ansonsten: Echt toll,
dass Du teilgenommen hast. Der Beitrag bereichert diesen Contest
wirklich! :thumb:
Oh verdammt, natürlich, tut mir Leid, kann es jedoch leider auch
nicht mehr anpassen, wäre cool, wenn ihr dies übernehmen
könntet:pray:
Und danke dir :)
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Geschrieben: 07 Mai 2014 18:47
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Weiterer, toller Beitrag zum Contest Review 2014..
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Liebe Besucher des Foums.
Wie ihr sicher schon bemerkt habt findet noch bis zum 7. Dezember
2014
unsere Asien-Wochen statt. Näheres könnt ihr vom
Baschti , @TANTRON erfahren.
EUER aka harry.
Geschrieben: 09 Mai 2014 12:20
Wirklich sehr professionell gemacht....Super!....
Geschrieben: 09 Mai 2014 18:21
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Das Review ist natürlich toll, keine Frage, aber anders wie bei
"Blau ist eine warme ..." spricht mich der Titel vorerst mal nicht
wirklich an. Ich mochte auch schon 8 1/2 nicht obwohl ich
hintergründige Filme oder philosophische Bereiche sehr mag!
Kann mich auch vollends irren, aber ihm eine Chance zu geben fehlt
mir nun schon schwer.
Dennoch klasse Review!
Geschrieben: 09 Mai 2014 20:44
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Absolutes tolles Review, sehr schön geschrieben :thumb:
Beim Film weiß ich allerdings immer noch nicht was ich davon halten
soll. Eigentlich genau die Art von Film welche mir zusagt, auch ein
Kumpel mit einem sehr ähnlichen Geschmack hatte mir schon
vorgeschwärmt wie klasse La Grande Bellezza sei.
Am Ende wurde ich allerdings ziemlich enttäuscht. Schöne Bilder,
keine Frage. Aber irgendwie war mir der ganze Film zu substanzlos.
Vielleicht waren meine Erwartungen aber auch einfach zu hoch
gesteckt. Werde ihn mir auf jeden Fall demnächst noch mal anschauen
und hoffen das der Film mir beim zweiten mal besser gefällt.