Mittelerde - Mordors Schatten

Der Gondor-Waldläufer Talion fristet mit seiner Familie als Captain der dort stationierten Garde am schwarzen Tor ein tristes Dasein. Bei einem Überfall der Uruk, der dem Zweck dient, den dunklen Herrscher Sauron durch ein dunkles Ritual zurückkehren zu lassen, werden sein Sohn und seine Frau ermordet. Auch Talion wird dabei getötet, wandelt jedoch, da der Tod ihn ablehnt, zwischen den Welten. Mithilfe des ebenfalls als Geist lebenden Elbenkönigs Celebrimbor erhält Talion seine Chance auf Rache. Er nimmt mehr oder minder Besitz von Talion und stattet ihn somit mit übersinnlichen Fähigkeiten aus, um im Kampf gegen Sauron und seiner Schergen siegreich bestehen zu können. In den offenen Mittelerde-Gebieten von Udûn und Lake Núrnen findet sein Rachfeldzug statt. Der Plot der Story ist aus der Feder von Redemption-Autor Christian Cantamessa entstanden. Cantamessa schafft es dabei, den Waldläufer Talion als plausible Figur in Mittelerde zu integrieren und zusätzlich den in Tolkiens Silmarillion auftauchenden Ringschmied Celebrimbor, glaubhaft in die Geschichte mit einzubinden. Im Verlauf der Geschichte tauchen auch andere Charaktere aus dem Tolkien-Universum auf, beispielsweise erhält Gollum einen Cameo-Auftritt.

Die Grafik des Titels kann als gelungen bezeichnet werden, auch wenn sie auf der Xbox-One nur auf 900p dargestellt wird. Die Spielwelt orientiert sich an den Peter-Jackson Filmen und gibt den düsteren Charakter von Mordor sehr gut wieder. Die Charaktermodelle der Uruk und der anderen Charaktere sind gut modelliert und detailliert ausgearbeitet, ebenso wirken die Animationen der Figuren gut gelungen. Gleiches gilt für die Effekte, beispielsweise sind der prasselnde Regen oder die Darstellung der übersinnlichen Fähigkeiten Talions den Jungs von Monolith sehr gut gelungen. Doch es gibt auch Negativaspekte. Es bestehen teilweise unschöne Pops-Ups und die Sichtweite des Titels ist leider auch nicht die Größte. Zudem ist die Spielwelt von Mordor trotz Detailreichtum auf Dauer etwas eintönig. Ein paar weitere Gebiete hätten dem Titel zwecks Abwechslung gut zu Gesicht gestanden.

Der Soundtrack gibt sich orchestral und unterstreicht die düstere Grundstimmung des Titels. Gleiches gilt für die Besetzung der Sprecher und Dialoge. Beides ist in der englischen Originalfassung wie auch in der deutschen Synchro gut gelungen. Beispielsweise besitzt Gollum die gleiche Synchron-Stimme wie in der HdR-Filmreihe. Einziges Manko, in der deutschen Fassung besitzen die Uruks sehr häufig dieselben Stimmen, dies stört das positive Gesamtbild ein wenig.

In seinem Rachefeldzug gegen die Uruks und Orks-Horden metzelt Talion zunächst nur in der altbekannten und bewährten Methode: Alles, was da kreucht und fleucht muss per Schwert oder Bogenattacke beseitigt werden. Für die Metzelei sind diverse Combos möglich, die eine gewisse Ähnlichkeit zu den Spielen der Batman-Serie nicht leugnen können. Auch die zahlreichen Kletterpassagen erinnern an die Titel der Assassins-Creed-Reihe. Es wird einiges geboten - von Schleichen und hinterlistigem Morden bis hin zu den waschechten „Head-Shots“. Aber diese recht actionlastige Spielweise bildet nur im ersten Teil der Geschichte das Kernelement. Spätestens ab der Mitte der Hauptstory kann man sich die Geist-Fähigkeit von Celebrimbor zunutze machen, um die dunkle Horde zu manipulieren. Wie wär’s denn mal, die Uruks gegeneinander aufzuhetzen und sogar zu Exekutionen ihrer Feinde zu überreden? Hier kommen wir auch zum eigentlichen Prunkstück des Titels, dem sogenannten „Nemesis-System“. Dahinter verbirgt sich nichts Geringeres als eine komplette militärpolitische Simulation der Uruk-Gesellschaft in Udûn und Lake Núrnen. An der Spitze stehen jeweils fünf Häuptlinge, die aus etwa 20 Hauptmännern und Captains ihre(n) Leibwächter bestimmen. Werden Uruks aus diesem erlesenen Kreis getötet, rücken im Laufe der Zeit neue Anführer nach, ggf. werden Leibwachen aktualisiert. Sie kämpfen untereinander, sie neiden einander um ihre Position, sie schmieden Ränke, sie hegen Abneigungen und Vorlieben. Sie sind je nach ihrem „Level“ unterschiedlich kampferfahren und haben Stärken und Schwächen, die man gegen sie verwenden kann. Dabei werden sie komplett prozedural generiert: Name, Aussehen, Anfälligkeit, Resistenzen – alles wird von der Engine zufallsgeneriert. Dieses Element bildet die Basis für ein sehr persönliches Spielerlebnis, das konsequent bis ins Finale umgesetzt wird.

Die Steuerung von Talion bzw. Celebrimbor hinterlässt bei mir einen zweischneidigen Eindruck. Die Steuerung beim Laufen und Klettern ist leicht erlernbar und fühlt sich schnell vertraut an. Anders sieht es aber bei den zahlreichen Combos aus, diese können Spieler, die beispielsweise nicht die Batman-Serie kennen, schnell überfordern. Oftmals werden die Kombinationen über doppelt belegte Tasten auf dem Gamepad ausgelöst. Dies führt im heftigen Kampfgetümmel gegen eine große Schar an Gegnern schnell einmal dazu, dass man den Überblick verliert und falschen Aktionen auslöst, die dann wiederum im ungünstigsten Fall zum Ableben von Talion führen.

Monolith Software nutzt die HdR-Lizenz für ein gelungenes „Open-World“ Adventure. Es macht eine Menge Fun, den Waldläufer Talion und Elben-Schmied Celebrimbor in ihrem Rachefeldzug gegen die dunkle Horde und deren Anführer zu unterstützen, um am Ende der 20-25 Stunden dauernde Kampagne, über den dunklen Herrscher Sauron zu triumphieren. Die Anleihen aus den Batman und Assassins-Creed-Reihen sind vorhanden, aus meiner Sicht aber nicht problematisch, denn es sind de facto gute Elemente, die hier für das Gameplay verwendet werden. Dank des gelungenen Nemesis-Systems, das die politische Struktur der Uruks in Mordor regelt, und das man in der Rolle Talions aktiv beeinflussen kann, erwacht Mittelerde zum Leben. Ebenso sind Story, Grafik und Sound gelungen und runden das positive Gesamtbild ab. Wermutstropfen bilden einzig die überfrachtete Steuerung und das karge bzw. wiederholende Design der Spielwelt. (mis) (weitere Reviews anzeigen)