Steve wollte nicht dass seine Produkte geöffnet werden können.
Niemand solle an das Innenleben seiner schmucken Geräte gelangen.
Das Privileg ans Innenleben zu dürfen soll nur wenigen zu teil
werden. Spezielles Werkzeug, so erfahren wir zu Anfang des ersten
Akts sei von Nöten. Steve Jobs, so legt es uns Danny Boyles Biopic,
über einen der einflussreichsten Männer unserer Zeit nahe, war
ebenso gestrickt wie seine Produkte. Nur wenigen war es vergönnt
sein Innenleben zu erleben. So bleibt das End to End System nicht
nur ein System sondern immer auch ein Charakterzug seines Erfinders
das er an jedes seiner Kinder weitergab die er erschuf...
Danny Boyle nähert sich dem Mythos, Mysterium, Genie Steve Jobs auf
sehr unkonventionelle Art und Weise für ein Biopic. Statt vom
romantischen Bild der Kollege Kids, die in Papas Garage Grandioses
bauen zu erzählen kümmert sich Danny Boyle genau um die Passagen in
Steve Jobs Leben, die ihn ausmachen und ihn als Mensch zeigen.
Keine abgerundete Person sondern eine mit Ecken und spitzen Kanten.
Wir erleben ihn in drei gleich langen Akten, jeweils 40 Minuten vor
einer großen Produktpräsentation hinter der Bühne. Einmal 1984 bei
der Vorstellung des Macintosh, 1988 beim Next und 1998 beim
Vorstellen des iMac. Boyle zeigt kein einziges Mal wie Jobs sein
Produkt vorstellt. Braucht er auch nicht. Wir alle kennen die
Produkte von Apple. Werden jeden Tag auf neue im Fernsehen daran
erinnert "wenn du kein iPhone hast, hast du kein iPhone". Boyle
kann hier wunderbar ohne das anbiedern von Apple Produkten arbeiten
denn das hat bereits die Werbung im realen Leben schon für ihn
erledigt, die uns Jahrzehnte lang Apple Produkte ins kollektive
Gedächtnis gehämmert hat. Vom Knirps bis zum Greiß, die für das
iPhone typische Wischbewegung kennt jeder.
Die Welt schöner denken
Auf diese Weise kann sich das Steve Jobs das wirklich spannende und
ergreifende konzentrieren. Den Focus gebündelt auf den Dirigent des
Orchesters wie er sich selber gerne nennt und sieht. Steve Jobs ist
kein Biopic aus der Sicht eines Apfeljüngers. Hier wird kein Thron
bereitgestellt auf den sich Michal Fassbender ( Steve Jobs )
lümmeln könnte. Auch keine Laudazio gehalten auf einen Mann, der
die Welt für uns schöner dachte. Durch die verschiedenen zeitlichen
Abstände wird ein eher kurzer Zeitraum von 14 Jahren abgedeckt,
Boyle schafft es aber durch die unheimliche Dichte der Dialoge, den
Geschehnissen vor der Präsentationen und der großartigen
Performance des ganzen Casts dem Konsument das Gefühl zu geben nach
sehen des Films, Jobs sehr nahe gekommen zu sein. Niemand von uns
wird ihn je persönlich gesprochen haben, geschweige denn ihm die
Hand geschüttelt haben aber berührt hat er uns mit seinen Ideen
alle schon einmal.
Die Liebe zum Detail in Danny Boyles Steve Jobs wird im wahrsten
Sinne des Wortes erst sichtbar durch eine weitere Detailliebe. Für
jeden der drei Akte verwendete Kameramann Alwin H. Küchler ein
anderes Bildformat, immer exakt jenes welches zu dieser Zeit üblich
war. So sieht der Konsument nicht nur Standardmäßiges HD wie im
Schlussakt des Films, sondern kommt auch in den Genuss von 16mm
Film sowie 35mm im zweiten Akt. Das Bild passt sich seiner Zeit an
und rundet das Packet des Films ab.
Fassbender spielt nicht....
Apple steht für Innovationen. Apple steht für exakte Formen, wie
etwa dem iPhone Design oder der von Jobs entwickelten Black Box mit
seiner eigens dafür gegossenen Gussform für sagenhafte 650.000 USD.
Apple steht aber auch für Veränderung. Da schlägt sich der Bogen
zum Hauptdarsteller, der diese Apple eigenen Attribute seit jeher
als sein Markenzeichen ins sich trägt. Veränderung wäre sowas wie
das Trademark des überragenden Michael Fassbender. Ob als leidender
Sexjunkie in Shame, Grausamer Macbeth oder als Obermotz Magneto in
den X Men Filmen. Veränderung und Weiterentwicklung zu immer noch
exakteren Performances, bis an den Rand der Selbstaufgabe und zur
völligen verschmelzen der Rolle mit dem Ich. Fassbender spielt nie,
er ist die Rolle. Um Haares breite wäre die Rolle des Steve Jobs
Christian Bale zugefallen. Bale kann tausend und eine Emotion
nachstellen hat dabei aber immer nur ein und denselben
Gesichtsausdruck zu bieten. Eine Mischung aus dem Gesichtsausdruck
von den Ratiopharm Girls, die gerade für Verstopfungstabletten
werben gepaart mit einem überheblichen hemdsärmlichen Grinsen.
Steve Jobs wäre so viel verloren gegangen. Die Wahl fiel aber auf
Fassbender, alles gut. Überhaupt ist der Mann sowas wie der
Schwarzenegger der Neuzeit. Früher als noch nackte Oberkörper und
eine Vierecks Kopfformen Kasse machten, war der Name Schwarzenegger
gleichbedeutend mit einem Riesen Erfolg und dem unausweichlichem
Geldsegen. Bei Steve Jobs ist es zwar mit dem Geldsegen etwas
anders da er allgemein etwas floppte aber das entscheidende Faktum
bleibt. Die hohe Qualität Wo Fassbender draufsteht, steckt ganz
ganz großes Kino drin. Die Schwarzenegger Garantie der Neuzeit!
Nicht in Bezug auf einen Geldsagen aber mit einer viel wertvolleren
Ware – Qualität.
Der kleine Kasten der die Welt bedeutet
Irgendwann Mitte des Films, Ende des Zweiten Aktes, frägt Steve
Wozniak ( Seth Rogen mal wieder in der Rolle des Dauernervers )
seinen Standby Kumpel Jobs was er eigentlich tue. Er sei kein
Programmierer. Kein Designer und kein Grafiker. Jobs nüchterne
Antwort " Ich spiele nicht im Orchester ich bin der Dirigent ". Ein
Satz der auf T-Shirts, Poster oder Tassen gehört. Jobs war nie
bestimmt für einen Schreibtisch, die Baugrube oder eingezwängt in
irgendwelche Muster, Regeln und Konventionen. Sein Kredo "Think.
Different" drückt es genauso aus wie sein Geist arbeitet. Jobs
schart die besten Musiker um sich, die Idee entspringt seinem Kopf.
Die Hände zum Umsetzen sind seine Musikanten. Wie das Instrument
gespielt werden muss ist nicht wichtig nur die Melodie, das
Endprodukt. Zum Ende des Films hin gewinnt man den Eindruck das
Jobs trotz seiner unkompatiblen Art und dem nicht zu
durchdringenden Panzer ein wahrer Menschenfreund war.
"Ich hasse den Anblick deines Walkmanns. Ich stecke dir tausend
Lieder in die Brusttasche."
Vielleicht war es seine Aufgabe auf Erden das Leben etwas schöner
zu machen. Oder anders gesagt das Leben in ein Gerät zu packen das
fast wie ein natürliches Körperteil zu uns gehört. Wer schon mal
den Akku leer hatte und von der "Welt" abgeschnitten war weiß was
ich meine. Das Leben hat sich seit Jobs für die meisten Leute
verlagert, hinein in ein 30x40mm großes Kästchen.