Wenn Quentin Tarantino einen neuen Film dreht, dann horcht die Filmindustrie auf, denn das, was der Mann anpackt, ist meist etwas ganz Besonderes. Reservoir Dogs, Pulp Fiction, Kill Bill, Inglourious Basterds – jeder seiner Filme ist für sich genommen ein Genre-Meisterwerk welches zahlreiche Filme zitiert und selbst immer wieder zitiert wird. Nach seinem grandiosen Erfolg Django Unchained widmet sich der Meister erneut dem von ihm geliebten Genre des Italo-Westerns und schickt die Hateful 8 auf den Weg ins Verderben. Das Drehbuch seines neuesten Streifens landete noch während der Vorproduktion im Internet, so dass Tarantino zunächst einmal wütend polterte, er würde den Film nun nicht mehr realisieren. Hat er allerdings letztendlich doch, und das Ergebnis erscheint nun im Verleih von Universum auf dem deutschen Blu-ray-Markt. Ob Tarantino auch hier wieder ein Meisterwerk geglückt ist, und wie es um die technische Seite der Blu-ray bestellt ist, klärt das folgende Review.
Story
Der Bürgerkrieg ist seit wenigen Jahren vorbei. Im verschneiten Wyoming befindet sich der Kopfgeldjäger John Ruth (K. Russell) gerade auf dem Weg nach Red Rock, um die Flüchtige Daisy Domergue (J. Leigh) abzuliefern. Ihr droht der Galgen. Doch als das Winterwetter immer heftiger wird ist er gezwungen einen Unterschlupf zu finden. Auf der Suche begegnet er dem Farbigen Major Marquis Warren (S. L. Jackson), einem Kriegshelden der Union, und Chris Mannix (W. Goggins), welcher sich als der neue Sheriff vorstellt. Gemeinsam gelangen sie bis zu Minnie's Kurzwarenladen, welcher allerdings bereits von vier Männern belegt ist. Darunter ist neben dem Henker von Red Rock (T. Roth) auch der General der Konföderation, Sanford Smithers (B. Dern). Nach und nach begreifen die acht Reisenden, dass dieser Zwischenstopp vielleicht der letzte ihres Lebens sein wird...
Mit The Hateful 8 bleibt Quentin Tarantino seinem Erfolgsrezept treu und setzt auf eine Mischung aus Hommage und eigenständigem Werk. Dieses Mal ist die Kulisse ein Miederwarenladen der in einer Western-untypischen eingeschneiten Schneelandschaft liegt und die handelnden Personen von der Umwelt abscheidet. Der Handlungsort ist natürlich ebenfalls eine Hommage, und zwar ganz offensichtlich an Sergio Corbuccis legendären Schnee-Western „Il grande silenzio“. Gedreht wurde der Film derweil in Telluride, Colorado, dem Drehort des John Wayne-Klassikers True Grit von 1969.
„Stille“ spielt in The Hateful 8 eine zentrale Rolle, denn die Handlung findet fast ausschließlich in der eingeschneiten Hütte statt, wo sich die titelgebenden acht Personen einfinden und quasi auf engstem Raum miteinander auskommen müssen. Allein die Konstellation der einzelnen Charaktere hätten dabei für genügend Zündstoff gesorgt, denn der „Nigger“ Major Warren und der Konföderierten-General Smithers sind sich schon per se Spinne-Feind, und auch der Kopfgeldjäger John Ruth, der seine Gefangene unbedingt lebend abliefern möchte, derweil aber sowohl auf seine Gefangene, als auch auf seine schießwütige Konkurrenz achten muss, sind nur zwei der denkbaren Reibungspunkte. Die „Action“ entsteht hierbei allerdings fast ausschließlich in Form von Dialogen, denn bis auf ein paar Ausnahmen wird hier überwiegend sehr viel geredet. Erwartungsgemäß endet das Ganze in einem Tarantino-typischen Blutbad, wobei die Spannungsspitzen hier zwar bei Weitem nicht so hoch angesetzt sind wie bei früheren Filmen, angesichts der zwar gespannten aber alles in allem ruhige Grundstimmung aber dennoch einen krassen Kontrast darstellen und zuschlagen wie die Faust ins Auge.
Natürlich wäre Tarantino nicht Tarantino wenn alles in geradlinigen Bahnen verlaufen würde, und schon bald wird klar, dass hier nicht jeder das ist was er vorgibt zu sein. Als dann die ersten Verdachtsmomente aufkeimen, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht, knallen bald die Schüsse. Es bleibt natürlich nicht bei einem oder zwei Toten, denn in der zweiten Hälfte präsentiert uns Tarantino, der die zweite Hälfte als Erzähler einleitet und kurz nochmal zu Protokoll gibt was gerade passiert ist, eine waschechte Kriminalstory rund um vergifteten Kaffee und hinterhältige Drahtzieher, die vorher nicht auf der Rechnung standen.
Im Gegensatz zu früheren Tarantino-Filmen ist The Hateful 8 allerdings deutlich ruhiger, weniger cool und vor allem nicht so locker-witzig, wie man es sonst von Tarantino gewohnt ist. Zwar gibt es auch hier ein paar augenscheinlich banale Unterhaltungen, aber richtige Klassiker wie die Diskussion, wie man einen Quarter-Pounder mit Käse in Europa nennt oder über den Sinn und Unsinn von Trinkgeld, fehlen hier völlig. Das mag auch der Grund sein, warum der Ein oder Andere Tarantino-Jünger den Film mit schlechten Kritiken abstrafte, aber diese Kritiken sind völlig aus der Luft gegriffen. Immerhin bekommt man hier Tarantino in Reinkultur, denn auch wenn das Set an Django Unchained erinnert hat die Handlung mehr was von Reservoir Dogs.
Ja, das Erzähltempo ist hier recht schleppend, und die Dialoge nehmen den größten Teil der Handlung ein, aber fast jeder Satz und jede Bewegung haben einen tieferen Grund und lassen schon das Ein oder Andere erahnen. Vielleicht hat Tarantino es mit der Laufzeit ein wenig übertrieben, aber der Meister nimmt sich nun einmal gerne Zeit für ausschweifende Aufnahmen und lange Kamerafahrten ohne sichtbare Schnitte. Auch das kann und darf als Hommage an Sergio Leone gedeutet werden – man denke alleine an die Anfangsszene aus dem vielgelobten Spiel mir das Lied vom Tod.
Durch den Inszenierungsstil wirkt The Hateful 8 auch wie ein Kammerspiel, das durchaus auch auf der Bühne hätte stattfinden können. Dass das Ganze funktioniert liegt zu einem großen Teil an den grandiosen Darstellern, die hier allesamt hervorragende Arbeit leisten. Allerdings geht Tarantino bei seiner Besetzung auch keinerlei Risiko ein. Da hätten wir den obligatorischen Samuel L. Jackson, der ebenso zu Tarantinos Stammbesetzung gehört wie Michael Madsen, (der nur aufgrund der Fehlentscheidung lieber „Species“ zu drehen nicht in Pulp Fiction dabei war), der fast ausschließlich unter Tarantino zu Höchstleistungen getrieben werden kann. Die Rolle des „Kleinen Mannes“ ging an Tim Roth, der zwar schon bei Reservoir Dogs und Pulp Fiction dabei war und seine Rolle hier auch fabelhaft meistert, allerdings erweckt der Charakter eher den Eindruck, als wäre die Rolle für Christoph Walz geschrieben worden.
Ein wenig vermisst man hier den starken Frauencharakter, der bisher in jedem Tarantino in der einen oder anderen Weise vorkam, denn Jennifer Jason Leigh kann als Gefangene in dieser Hinsicht nicht wirklich zufriedenstellen. Auch wenn sie als Darstellerin hier beachtliches (und zum Teil sehr unappetitliches) leistet und allgemein recht tough rüber kommt, erreicht sie nie die Klasse einer Uma Thurman oder Pam Grier heran.
Letztendlich lässt sich sagen, dass Tarantino mit
zwar nicht das beste, aber mit Sicherheit das ruhigstes und erwachsenstes Werk seiner bisherigen Karriere abgeliefert hat. Ein Stück Genrekino, das sein Publikum – sofern es sich darauf einlässt – zweifellos zufriedenstellen wird. Man könnte sagen, The Hateful 8 ist eine Mixtur aus Django, Reservoir Dogs und Agatha Christie, eingebettet in die Kulisse von „Leichen pflastern seinen Weg“. Einzig die Tatsache, dass man uns die längere Roadshow-Version des Filmes vorenthält, die neben einer klassischen Ouvertüre und einem Intermezzo, welches dann auch die Wieder-Einleitung von Regisseur Tarantino in der zweiten Filmhälfte rechtfertigt, auch allgemein ruhiger geschnitten sein soll, damit einige Einstellungen durch eine längere Standzeit besser zur Geltung kommen, ist eine kleine Beleidigung der Fans. Immerhin war kaum ein Kino in der Lage, den Film in dieser Version überhaupt zu zeigen, und die Kinos, welche überhaupt über die nötigen Projektoren verfügten, ließen eine entsprechend breite Leinwand vermissen. So bleibt diese Filmversion also nach wie vor ein ganz exklusives Stück, dass nur wenigen Fans zugänglich gemacht wurde.
Bildqualität
- Bildformat 2.76:1
Tonqualität
- Deutsch & Englisch DTS-HD Master Audio 5.1
Ausstattung
- Beyond the 8: Ein Blick hinter die Kulissen (4:58 Minuten)
- Der Zauber von 70mm (7:32 Minuten)
- 2 Kinotrailer
- Wendecover
Fazit
Qualitativ ist der neue Tarantino eine sichere Bank, wie es aber auch nicht anders zu erwarten war. Das überbreite Bildformat passt herrlich zur Szenerie, die jedes Detail messerscharf und sehr natürlich abbildet. Lediglich der Schwarzwert kann in einigen Szenen nicht ganz überzeugen. Akustisch ist der Film ebenfalls ein Highligt, welches den Zuschauer mitten in den Schneesturm hineinwirft und mit überlauten Revolverschüssen erschreckt. Großartig! Nur das Bonusmaterial hätte etwas ausführlicher sein dürfen.
Der Film selbst ist ein gelungener Genremix aus Western und Kriminalstück, wobei der Zuschauer, wenn er sich darauf einlässt, mit nervenzerfetzender Spannung belohnt wird, die sich allerdings fast ausschließlich durch die Dialoge entwickelt. Action erwartet man hier – bis auf ein paar kurze Ausnahmen – vergebens. Wichtig ist: man sollte am Ball bleiben, denn beinahe jedes Wort hat seine Bedeutung. Dazu verzichtet der Meister diesmal auf banale Dialoge und schwarzen Humor, weshalb The Hateful 8 etwas trockener und erwachsener wirkt als seine vorherigen Werke. Anders, aber keineswegs schlechter. Für die einen eine langweilige „Laberorgie“ für die anderen ein cineastisches Meisterwerk. Ich schließe mich der letzteren Meinung an.
(Michael Speier)
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Kaufempfehlung
Testgeräte
TV: Panasonic TX-L47ETW60
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