Es ist noch gar nicht lange her, da überraschte der britische Musiker Steven Wilson die internationale Musiklandschaft mit überaus bemerkenswerten Chart-Platzierungen. In Deutschland sorgte sein noch immer aktueller Output „The Raven that refused to sing“ ebenfalls für reichlich Aufsehen. Gemeinsam mit einer ausgesuchten Schar von Elite-Musikern ging es für den Prog-Rocker gar auf Platz 3 der Album-Charts. Dies ist umso erstaunlicher, wenn man sich einmal bewusst macht, auf welche Art und Weise Wilson und Co. musizieren. Zwischen oftmals aalglatter Easy Listening-Fließbandware nimmt die überaus sperrige, hochkomplexe Musik Wilsons mittlerweile eine bemerkenswerte Sonderstellung ein. Seiner kompromisslosen Linie ist der Klangkünstler stets treu geblieben und endlich, scheint sich auch der ganz große Erfolg einzustellen. Auch seinem Faible für das Medium Blu-ray huldigt der Brite nach wie vor.
Story
„Drive Home“ ist nach dem Titelsong bereits die zweite Auskoppelung aus dem Erfolgsalbum „The Raven that refused to sing“. Doch eine schnöde Maxi-CD reicht dem Workaholic erwartungsgemäß nicht. Wie gewohnt, sieht sich der unruhige Geist als Künstler, dessen Output nicht nur gut klingen, sondern auch in besonderer Form präsentiert werden soll. In der Vergangenheit führte das bereits zu ultra-aufwändigen Deluxe-Editionen seiner Werke; heuer gibt sich Wilson mit einer weniger bombastischen Variante zufrieden. Inhaltlich schöpft er dennoch weiterhin aus dem Vollen und lässt sein Label ein preisgünstiges Einsteiger-Package auf den Markt werfen. Für relativ kleines Geld bekommt der umworbene Musik-Liebhaber also ein überaus attraktives Angebot.
Los geht es heuer mit den beiden sensationell gut animierten Video-Clips von „Drive Home“ und „The Raven that refused to sing“. Unweigerlich fühlt man sich beim Betrachten der Bilder an einen Regisseur vom Schlage Tim Burtons erinnert. In skurrilen, Stop Motion-lastigen Bildern erzählen die beiden Kurzfilme ihre jeweilige herzzerreißende Geschichte. Dort, wo andere Bands mit Ideenlosigkeit auffallen, hat der Brite zwei absolut ansprechende audio-visuelle Highlights erschaffen. Denn gerade im Zusammenspiel mit der ungemein berührenden Musik stellen die eigentlich sehr schlicht gehaltenen Bildfolgen dem Zuschauer/-hörer unweigerlich die Nackenhaare auf. In nur 15 Minuten wird hier das ganz große Kino aufgefahren und eine Flut an Gefühlen freigesetzt. Dass man diese höchst intensiven Clips emotionslos aufnimmt, erscheint da schon als ein Ding der Unmöglichkeit.
Doch es geht gleich gut weiter im Programm. Gleich vier Konzert-Aufnahmen folgen. Allesamt 2013 in Frankfurt aufgenommen, wird man Zeuge von der Intensität einer Wilsonschen Live-Performance. Es darf munter gestaunt werden, wie souverän und tight die sechsköpfige Mannschaft Epen wie „The Holy Drinker“ oder „The Watchmaker“ intoniert. Wie schon auf der letzten regulären Konzert-Blu-ray erinnert die Kameraführung dabei stark an stilbildende Meister-Regisseure wie David Lynch oder Stanley Kubrick. Die erzeugten Bilder erscheinen mitunter fast surreal und machen die Intimität des Gigs beinahe körperlich erfahrbar. Abgerundet wird die hochklassige Scheibe von zwei weiteren Songs. Dieser als „Audio Content“ bezeichnete Bonus kommt lediglich mit Standbild unterlegt daher und verhindert die Höchstnote.
Bildqualität
Beim Bild muss man nach wie vor Abstriche bei Mr. Wilson machen. Seine Video-Clips sehen sehr gut aus und begeistern mit hoher Detailauflösung und einer einwandfreien Bildschärfe. Bei den Konzertaufnahmen ist die Bildschärfe dagegen ganz bewusst wesentlich weniger brillant gehalten. Das Material sieht zwar immer noch wesentlich besser aus als die DVDs anderer Musikacts. Aber da wo Iron Maiden, AC/DC oder Metallica im HD-Zeitalter angekommen sind und die Fans jedes Detail ihrer Helden erhaschen lassen, sucht Wilson nach wie vor das geisterhafte Erscheinungsbild. Unschärfen und diffuse Kontraste sind hier eindeutige, oft genutzte Stilmittel. Objektiv betrachtet ist dies nur ein durchschnittliches Ergebnis, sei es auch so gewollt und in seiner Wirkung durchaus gewinnbringend.
Tonqualität
Stevens Steckenpferd ist nach wie vor die Qualität der Audiospur(en). Für diesen Musiker ist ein 5.1-Mix eben ein Mittel des Ausdrucks, den ein Stereo-Panorama nicht bieten kann. Seiner progressiven Ausrichtung folgend bietet sich hier die einmalige Gelegenheit seiner unfassbar versierten Band den Raum zu geben, der ihr gebührt. Die üblichen Kriterien bei der Bewertung von Konzert-Filmen ziehen hier ebenfalls nicht so recht. Üblicherweise werden bei Musikveröffentlichungen die Zuschauerreaktionen auf die hinteren Kanäle verteilt. Wilson, der auch schon auf seiner Tour im Konzertsaal für Surround-Sound sorgte, will mehr. So hört man eben mal hinten links ein virtuoses Flötensolo, hinten rechts die wahnwitzigen Ausflüge des Pianisten. Das erzielte Klangbild ist dabei stets exzellent, sehr dynamisch und voller Details.
Ausstattung
Warum kommt eigentlich beinahe jeder x-beliebige Film so lieblos in den Handel? Diese Frage darf man sich stellen, wenn man sieht, was mit Kleinigkeiten zu verbessern wäre. Drive Home bietet einen Innendruck sowie ein kleines, feines acht-Seiten-Booklet. Und da der geneigte Musikliebhaber nicht ständig Bildschirm und Player bei sich trägt, gibt es das gesamte Material noch auf einer zusätzlichen Audio-CD. Und wie bereits erwähnt, ist der angestrebte Verkaufspreis seitens des Labels überaus kundenfreundlich angesetzt. Vielleicht sollten diverse Majors mal einen Blick auf einen solchen Release werfen.
Fazit
Optisch will Steven Wilson nicht anders. Augenscheinlich steht der Mann nicht auf ein ultra-klares Konzertbild. Wie beim Vorgänger Get all you deserve begnügt sich auch Drive Home mit einer durchschnittlichen Klarheit im Bild. Lynch und Co. Lassen grüßen, die teils geisterhaften Bilder sind genau so gewollt. Beim Ton lässt der Brite erwartungsgemäß nichts anbrennen. Überaus druckvoll und erstaunlich differenziert, nutzt das Prog-Genie die tatsächlichen Möglichkeiten von sechs Lautsprechern anstelle der üblichen zwei. Wer ein Herz für handgemachte Rockmusik hat, sollte spätestens jetzt die Bekanntschaft mit Steven Wilsons Klangkosmos suchen. Für kleines Geld gibt es zwei an Herz und Nieren gehende Clips voller trostloser Eleganz; zusätzlich eine halbstündige Live-Performance. Das Ganze obendrein stimmig verpackt. Well done, Mr. Wilson! (dkr)
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Kaufempfehlung
Testgeräte
TV:PanasonicTX-P50VT20EA
BDP:PanasonicDMP-BDT310
AVR:YamahaRX-V565
BOXEN:Teufel Theater 4 Hybrid