Das hierzulande oftmals einfach nur als „Bollywood“ betitelte indische Kino besteht längst schon nicht mehr aus den bunten Tanzfilmen mit Gesangseinlagen – nein, auch knallharte Actionfilme gehören inzwischen dazu. Genau in diese Kategorie schlägt auch der hiervorliegende – passend betitelte „Kill“, der sich in bester Tradition mit Filmen wie „Snowpiercer“ oder „Bullet Train“ sieht, spielt doch auch er in einem der stark genutzten – hierzulande jedoch oftmals recht unpünktlichen und daher unzuverlässigen – Nah- und Fernreiseverkehrsmitteln. Die Fahrt, welche für die Reisenden schon bald zu einer äußerst brutalen „Tortour“ werden soll, fiel gleich zwei Mal durch die FSK-Freigabe, erhielt dann aber immerhin noch das SPIO/JK-Siegel. Der Streifen, welcher von Publisher CAPELIGHT PICTURES über deren Partner AL!VE AG in den Handel gebracht wird, erscheint dabei zum einen auf Blu-ray in einer normalen Keep Case-Verpackung, zum anderen aber auch als Set bestehend aus 4K Ultra HD und Blu-ray, welches in seiner Erstauflage in einer Sonderedition im Mediabook-Format angeboten wird. Ob das indische Action-Kino inhaltlich wie technische überzeugen kann, soll mit dem nachstehenden Review herausgefunden werden.
Story
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Um die arrangierte Hochzeit seiner großen Liebe Tulika (T. Maniktala) noch rechtzeitig zu verhindern, nimmt Elitesoldat Amrit (Lakshya) den Nachtzug nach Neu-Delhi. Unter den Passagieren befinden sich jedoch auch 40 mit allerlei Hieb- und Stichwaffen ausgestattete Kriminelle. Als sie ihren Raubüberfall in die Tat umsetzen, bleibt Amrit keine andere Wahl, als sich ihnen entgegenzustellen. Furios improvisierend nutzt er dabei alles als Waffe, was ihm an Bord eines Zuges in die Finger kommt ...
Wenn ein Film aus dem fernen Orient noch vor seinem westlichen Kinostart bzw. seiner Heimkino-Veröffentlichung ein westliches Remake ausgesprochen bekommt, kann man davon ausgehen, dass hier ein mehr als solides Original vorliegt. Im Falle des indischen Action-Spektakels „Kill“ hat sich nämlich niemand geringeres als „John Wick“-Regisseur Chad Stahelski relativ schnell dazu bereit erklärt, die action-reiche Zugfahrt einem Remake zu unterziehen. Wer bis zu dessen Release allerdings schon mal neugierig geworden ist, der sollte unbedingt dem Original eine Chance geben, das trotz seiner orientalischen Wurzeln eine mehr als beachtliche Leistung und Qualität vorzuweisen hat. Die eingangs bereits erwähnte Verweigerung einer normalen FSK-Freigabe, welche glücklicherweise jedoch in einem SPIO/JK-Siegel mündete, sollte bei Fans von Filmen wie „The Raid“ durchaus auf offene Arme stoßen. „Kill“ beginnt dabei eigentlich recht „Bollywood“-mäßig – damit ist jedoch lediglich eine romantische Liebesgeschichte gemeint – Bedenken wegen Tanz- oder Gesangeinlagen muss man hier nämlich nicht haben. Der gerade aus einem Einsatz zurückgekehrte Elitesoldat “Amrit“, welcher von dem indischen Darsteller Lakshya verkörpert wird, muss mit Schrecken feststellen, dass seine Geliebte „Tulika“, in deren traditionellen Gewändern, die mit großen Rehbraunen Augen ausgestattete Tanya Manuktala steckt, auf Geheiß ihres Vaters mit einem anderen Mann verlobt wurde. Auf einer Zugreise nach Neu-Delhi wollen „Tulika und Amrit“ aber ihre Chance nutzen und Reißaus nehmen, um sich ein gemeinsames Leben aufzubauen. „Tulikas“ komplette Familie samt ihrem Vater, einem wohlhabenden Industriellen, ist allerdings mit an Bord des vollbesetzten Zuges, was die beiden Verliebten zu einer getrennten Reise zwingt.
Genau diesen Zug hat sich nun eine Bande von Kriminellen für einen Überfall ausgesucht. In Indien durchaus an der Tagesordnung, sollen Geld und erbeutete technische Geräte eine lohnende Beute erbringen. Tragisch dabei, dass Regisseur Nikhil Nagesh Bhat genau einen solchen Überfall Mitte der 1990er Jahre miterleben musste, was ihn schlussendlich Jahre später zu dem hier vorliegenden Actionstreifen inspirieren sollte. Angeführt von dem schlaksigen Ganoven „Fani“, welcher so richtig schön unsympathisch – im positiven Sinne – von Raghav Juyal gespielt wird, enttarnen sich 40 der Passagiere als Räuberbande und plündern den Zug. Als sie dabei auf „Tulikas“ reichen Vater stoßen, schmeißen sie ihr eigentliches Vorhaben über Bord und nehmen die Familie als Geiseln, um ein großes Lösegeld zu erpressen. Doch dabei haben sie die Rechnung ohne „Amrid“ und dessen besten Kumpel „Viresh“ – ebenfalls kampferprobtes Mitglied der „National Security Guard“ – welcher von Abhishek Chauhan in Szene gesetzt wird, gemacht, welche sich den Gaunern fortan in den Weg stellen. Anfangs geht es dabei noch mit leichten Handgemengen und Kloppereien vonstatten, doch nachdem „Fani“ über die Stränge schlägt und es zu einer tödlichen Auseinandersetzung kommt, zieht der Film unerbittlich den Gewaltgrad an. Die Einblendung des Filmtitels nach gut 45 Minuten ist ab dann durchweg Programm und ein „Kill“ folgt dem anderen.
Fortan schnetzelt sich „Amrid“ durch schier nie enden wollende Wellen von Ganoven, die teils zwischendrin noch auf den Zug aufspringen. Dass er – und auch seine Kontrahenten – dabei immer wieder Angriffe und Verletzungen überstehen und anschließend wieder zu neuen Kräften finden, gleicht dabei zwar einem Wunder, dennoch tut es dem Unterhaltungswert an dieser Stelle keinen Abbruch. Mit allerlei Zweckentfremdeten Gepäckstücken, Zuginventaren oder den zahlreich mitgeführten Hieb- und Stichwaffen sorgt man dann zwar für eine breitgefächertes Repertoire an Tötungsszenen, bei einer Laufzeit von knapp 105 Minuten kann man dann aber im letzten Drittel leider nicht ganz vermeiden, dass sich bei den Zuschauenden ein wenig Eintönigkeit und Überdrüssigkeit des Ganzen einstellt. Der Film läuft deshalb nicht gleich langweilig ab, bietet in diesen Momente aber einfach nur immer mehr vom schon zuvor erlebten. Hier hätten dem Film vielleicht gut 15-20 Minuten weniger gutgetan und zu einer noch strafferen und intensiveren Handlung beigetragen. Kritisieren kann man auch die größtenteils komplett fehlenden Character-Entwicklungen – denn außer bei den beiden Hauptdarstellern „Amrid“ und „Fani“ ist davon nicht viel zu merken. Vielmehr dient die große Anzahl an Cast-Mitglieder lediglich dazu, den Bodycount massiv in die Höhe schnellen zu lassen. Das Ende an sich ist dann ein wenig arg gestreckt, auch hier wäre vermutlich weniger mehr gewesen. Sei es drum – da man Richtung Finale noch ein paar eklige Szenen im Gepäck hat, kommen Gorehounds hier schnell wieder auf ihre Kosten: Ist die Altersfreigabe anfänglich nicht ganz nachzuvollziehen, kommen im Laufe der Zugfahrt dann immer mehr Kills hinzu, die zum einen äußerst brutal und auch mal vor einem Jugendlichen nicht halt machen. Ob es nun sein muss, dass man zum Beispiel mit einem Feuerlöscher so lange auf den Schädel eindrischt, bis nur noch Brei übrigbleibt, sei einmal dahingestellt. Knallharte Action ist hier also definitiv gegeben, da aber auch die restliche Geschichte zu großen Teilen nachvollziehbar gestaltet wurde, passt dann alles durchaus zueinander. Dem Titel sollten Genrefans daher absolut eine Chance geben.
Bildqualität
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Indien ist auch ein technologisch aufstrebendes Land, was man dem Film dann auch an seinem fast schon Makellosen Bild ansieht. Schärfe, Kontrast und Detailgrad liegen hier auf einem ausgewogenen Niveau und zeugen somit von einer modernen Produktion. Auch in Sachen Gore-Effekte und Prosthesen hat die Film-Crew ihre Hausaufgaben gemacht und überwiegend sehr glaubhafte Wunden zum Vorschein gebracht. Wirklich nur sehr selten sieht man hier, dass mit Make-Up gearbeitet wurde. Bis auf eine Feuerszene kurz vor dem Finale, kommt man dabei auch ohne merkbare CGI-Effekte aus, was das ganze dann ebenfalls sehr realistisch aussehen lässt. Kleine Wunden, Blutspritzer, Kratzer und Schnittwunden sind ebenso auszumachen wie kleinere Schriften auf mobilen Endgeräten oder Hinweisschildern. Da man aufgrund des engen Zugabteils fast ausschließlich mit Close-Ups arbeitet bzw. die Kamera immer sehr nah an den Protagonisten ist, sieht man Hautporen, Bartstoppel oder Fältchen immer sehr gut. Farblich sind es vor allem die Kleidungsstücke der Passagiere, die hier für Akzente sorgen, ist der Zug, welcher zudem noch bei Nacht unterwegs ist, doch recht einfach und trist gehalten. Dabei handelt es sich aber keineswegs ausschließlich um indische Gewänder, sondern eben auch um ganz normale moderne Kleidungsstücke, die aber jede Menge Farben aufweisen. Zwischendurch sorgen vorbeisausende Bahnhofschilder, Lichtsignale oder Fahrzeugscheinwerfer für ein paar Lichteffekte, die vor allem in einem abgedunkelten Abteil sehr gut rüberkommen. Insgesamt gibt es so also keine nennenswerte Kritik bei der Bildgestaltung.
Tonqualität
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Auch in Sachen Akustik gibt es eine moderne Ausstattung zu vermelden, kommen doch sowohl die deutsche Synchronisation als auch die Originalabmischung auf Hindi mit 3D-Soundspuren im Dolby Atmos-Format daher. Auf eine englische Synchronisation wurde jedoch verzichtet, stattdessen wird noch Italienisch in einer verlustfreien DTS-HD Master Audio Spur angeboten. Die kann es aber in Sachen Pegel und Dynamik nicht mit den beiden Atmos-Spuren aufnehmen, die wirklich jeweils sehr brachial ausgefallen sind. Hier muss man fast schon den Gesamtpegel reduzieren, um am späten Abend nicht noch eine Konfrontation mit den Nachbarn heraufzubeschwören. Da fast durchweg Action herrscht, kommen auch die Surroundkanäle immer wieder passend zum Einsatz, sodass sich das Geschrei der Passagiere, das Rattern der Wagons, der Fahrtwind oder vorbeisausende Signale quer im Heimkino verteilen. Der Subwoofer unterstützt die Zweikämpfe mit druckvollen Faustschlägen und Tritten sowie entzweibrechendes Zuginventar. Wird mal ausnahmsweise mit Schusswaffen hantiert, so erhalten auch diese ihrem Kaliber entsprechend den richtigen Wumms. Die heimische Vertonung entstand bei der RPR Media UG in Berlin, bei der sich Thomas Maria Lehman um das Dialogbuch kümmerte und Reiner Raschewski die Arbeiten am Dialogbuch übernahm. Sprecher wie Benjamin Stöwe (Lakshya), Bastian Sierich (R. Juyal), Samuel Zekarias (A. Chauhan) oder Christina Wöllner (T. Maniktala) machen hier wirklich einen gelungenen Job, der keinesfalls nach einfachem „Bollywood“ klingt. Ein Vergleich mit der Originalspur bringt keine nennenswerten Unterschiede in Sachen Pegel und Dynamik, beide Tonspuren liegen hier gleichauf.
Ausstattung
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- Behind the Action (2:29 Min.)
- Behind the Blood (1:44 Min.)
- Behind the Lens (2:29 Min.)
- Introducing Lakshya (1:26 Min.)
- Making of: The Train (3:12 Min.)
- Trailer (2:21 Min.)
- Filmtipps
Zum Bonusmaterial gehören insgesamt fünf Featurettes, ein Trailer zum Hauptfilm sowie einige Programmhinweise des Publishers. Die einzelnen Featurettes sind recht kurzgehalten und bieten grobe Einblicke in die Filmentstehung, zudem immer wieder Interviews mit Cast & Crew. Der Focus liegt hier bei zumeist auf den recht fordernden Action-Szenen und den damit verbundenen Zweikämpfen, auf die sich Hauptdarsteller Lakshya – dem man als einzigen noch einen separaten Beitrag widmet – mehrere Monate vorbereitete. Auch erfährt man hier, dass man extra einen modularen Zugwagen für die Dreharbeiten gebaut hat, bei dem man sämtliche Wände bewegen oder wegklappen konnte, um so Platz für die Kameraleute zu schaffen. Ebenfalls wir hier gezeigt, wie man die Beleuchtung arrangierte, damit ein fahrender Zug simuliert wurde. Alles in allem recht kurz und bündig, dennoch aber durchaus informativ.
Fazit
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Das indische Action-Spektakel „Kill“ bietet eine äußerst brutale „Tortour“ von Zugfahrt, die es wirklich in sich hat. Fans von Filmen wie „The Raid“ oder „The Night comes for us” sollten hier unbedingt einen Blick wagen und in Sachen spektakulärer wie abwechslungsreicher Kills voll und ganz zufrieden gestellt werden. Dass es dabei ziemlich explizit zugeht, rechtfertigt dann auch ziemlich schnell das SPIO/JK-Siegel – das hier schon als eine Art „Gütesiegel“ angesehen werden darf. Abseits der Action überzeugen aber auch die Darsteller recht gut, zumindest sympathisiert man schnell mit ihnen oder – im Falle der Ganoven – befindet sie eben für richtig schön fies und unsympathisch. Auch in technischer Hinsicht überzeugt die Veröffentlichung sehr gut und bietet ein hervorragendes Bild und einen richtig brachialen Ton im modernen Dolby Atmos-Gewand. Wer dann noch wissen möchte, wie man das alles in einem beengten Zugabteil umsetzen konnte, der schaut gern noch bei den kurzen Featurettes im Bonusbereich vorbei, in denen Cast & Crew einige interessante Hintergrundinformationen zur Filmentstehung liefern. Zu Guter Letzt darf man nun gespannt sein, was Actionspezialist Chad Stahelski – bekannt für das „John Wick“-Franchise - für sein Remake von „Kill“ zu bieten haben wird - die Vorlage legt in Sachen brachial-brutaler Zweikampfaction die Messlatte schon mal ziemlich hoch. Der hiervorliegende „Kill“ ist somit ein wirklicher Geheimtipp für Genrefans.
(Jörn Pomplitz)
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Kaufempfehlung
Testgeräte
TV: LG OLED 65C17LB
Player: Oppo UDP-203
AVR: Yamaha RX-A1080
Front-Lautsprecher: Canton Vento 890.2
Center-Lautsprecher: Canton Vento 866
Surround-Lautsprecher: Canton Chrono 507
Subwoofer: SVS SB-2000 Pro