Gleich mit seiner ersten Regiearbeit, der Spielfilmadaption der beliebten und erfolgreichen TV-Serie „Türkisch für Anfänger“, startete der mehrfach mit dem deutschen Fernsehpreis, dem bayerischen Filmpreis, dem Bambi uns dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnete Drehbuchautor Bora Dagtekin seine Erfolgsgeschichte als Regisseur. Der Film platzierte sich gleich an der Spitze der deutschen Kinocharts, und auch die von ihm geschriebenen und inszenierten drei „Fack ju Göhte“-Filme feierten beachtliche Erfolge. 2019 folgte mit „Das perfekte Geheimnis“ ein weiterer Kinohit, und nun präsentiert uns Dagtekin sein neuestes Werk, bei dem es sich um ein Spin-Of der Erfolgs-Trilogie „Fack ju Göhte“ handelt, und die Figur der „Vorzeigeschülerin“ Chantal Ackermann in den Fokus der Handlung rückt. Ob „Chantal im Märchenland“ an die Qualität der Mutterfilme anschließen kann, und wie sich die Blu-ray Disc, die nun von Constantin/Highlight Communications im Vertrieb von Universal Pictures Home Entertainment in der Standard-Keep-Case auf den Markt gebracht wird, in technischer Hinsicht schlägt, klärt die nun folgende Rezension.
Story
-
Ein altmodischer Zauberspiegel befördert Chantal (J. Haase) und ihre beste Freundin Zeynep (G. Emre) in eine phantastische Märchenwelt – in der man jede Menge Content für die Social-Media-Kanäle generieren kann! Leider stellt sich schnell heraus, dass die Märchenwelt eine erschreckend altmodische und frauenfeindliche Umgebung darstellt, in der sich die beiden Girlies alles andere als wohlfühlen. Während die beiden verzweifelt nach dem Rückweg in ihre Welt suchen, treffen sie auf den sensiblen Prinzen Bosco (M. von der Groeben), die heiratsunwillige Prinzessin Amalia (M. Ehrich), die böse Hexe (N. Tschirner) und viele andere skurrile Gestalten, die dringend eine moderne Denkweise benötigen …
Die extrem unterbelichtete und völlig von sich überzeugte „Assi-Proll“-Schülerin Chantal Ackermann war einer der Stars der „Fack ju Göhte“-Filme, allerdings stellt man sich zurecht die Frage, ob der von Jella Hase sehr überzeugend gespielte Charakter das Zeug dazu hat, einen Film ganz alleine zu tragen – und die Antwort lautet: Ja! Auf jeden Fall! Allerdings ist sie hier nicht ganz allein, denn Chantals beste Freundin Zeynep, gespielt von Gizem Emre, steht dem frechen Dummchen ebenso zur Seite wie Max von der Groeben, der hier allerdings nicht als „Danger“, sondern in der Rolle des Prinzen Bosco auftritt. Auch Elias M. Barek gibt sich kurz in seiner bekannten Rolle als Herr Müller die Ehre, und aus der ARD-Erfolgsserie „Almania“, die zahlreiche Parallelen zu den „Fack ju Göhte“-Filmen aufweist, gesellt sich noch Darsteller Mido Kotaini als Aladin zum Cast dazu. In weiteren Rollen bekommen wir mit Nora Tschirner als böse Hexe, Frederick Lau als toxisch-männlicher Ritter Artolf, Alexandra Maria Lara als in einem Gemälde gefangene Königin, sowie Jasmin Tabatabai, Elena Uhlig und Maria Ehrich zu sehen, welche die ohnehin hochwertig wirkende Produktion zusätzlich aufwerten. Benno Fürmann und Florian David Fitz sind indessen nur als Zauberspiegel und Steinmonster zu hören. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Gleich am ersten Wochenende lockte der Film 700.000 Besucher in die Kinos, was nicht nur die beste Startleistung des Jahres 2024 war, sondern die beste Startleistung eines deutschen Films, seit die Kinos nach der Corona-Pandemie wieder ihre Tore geöffnet hatten. Aber ein großer Cast oder hohe Besucherzahlen allein machen ja noch lange keinen guten Film aus, und so stellt sich die Frage, ob der Film denn auch inhaltlich gelungen ist, und auch diese Frage kann man mit einem lauten und deutlichen JA beantworten. Denn der Film ist nicht nur extrem lustig, sondern obendrein auch – man höre und staune – sozialkritisch und tiefgründig, ohne dass dabei der Humor auf der Strecke bleiben würde. Märchen dienten ja seit jeher als moralischer Wegweiser für die Gesellschaft, und wie im „Making Of“ zu hören ist, war es auch die Intention des Filmteams, die Fesseln zu sprengen und den klassischen Märchen ein moderne Upgrade zu verpassen, ohne dass man dabei den Blick für das Wesentliche verliert. So darf der Prinz hier am Ende durchaus auch einen Mann aus dem Volk lieben – auch wenn es der herrschsüchtigen Mutter nicht gefällt – die Frauen beginnen sich zu emanzipieren und toxisch-männliche Klischeehelden werden von ihren hohen Rössern oder gar Thronen gestoßen. Alles geschieht dabei mit dem typischen Augenzwinkern und teilweise derben Humor, der auch bereits die „Fack ju Göhte“-Filme auszeichnete. Zugegeben, das wird manchen Alteingesessenen Macho vor den Kopf stoßen, und manch einer wird in dieser Art eine „Gehirnwäsche“ erkennen wollen (wobei es bei Personen, die solcherlei Behauptungen aufstellen vermutlich nicht viel zu waschen gibt) oder den Film als stumpfsinnigen Blödsinn abtun, aber genau das ist „Chantal im Märchenland“ eben nicht. Der Film geht den Weg des Till Eulenspiegel und hält dem Publikum voller Ironie und Sarkasmus den Spiegel vors Gesicht. Mancher wird lachen, nachdenken und den Film für seine erfrischende und entlarvende Art lieben, und manch einer wird Angst oder gar Wut empfinden, weil er sich nicht mit dem gesehenen auseinandersetzen will oder kann, aber früher oder später muss sich jeder eingestehen, dass die Welt sich weiterbewegt. Neben den inhaltlichen und humoristischen Qualitäten ist der Film auch handwerklich nahezu perfekt gemacht. Neben der hervorragenden darstellerischen Leistung von Jella Haase, welche ihre Kunstfigur Chantal, wie bereits erwähnt, perfekt und glaubwürdig auf die Leinwand bringt, sind auch die wundervolle Ausstattung und die überwiegend gelungenen Visuellen Effekte ein wahres Vergnügen, die den Film auf ein sehr hohes filmisches Niveau hieven. Klar, der Drache kann nicht mit einem Smaug aus den „Der Hobbit“-Filmen mithalten, und der Flug auf demselben ist nicht mit den Effekten eines Drachenflugs in der „Game of Throne“ oder „House of Dragon“-Serie zu vergleichen, aber für einen deutschen Film sind die Effekte mehr als überzeugend. Der Humor, der teilweise Holzhammer-Niveau besitzt und – je nach Fasson – entweder als genial-komisch oder nervig-penetrant wahrgenommen wird, trifft stets genau ins Schwarze und schaut der Jugend perfekt aufs Maul, und selbst die „Schleichwerbung“ für einen bekannten Burgerladen und einen Handyhersteller passt so gut ins Gesamtbild, dass man sich fragt, ob entsprechende Firmen tatsächlich für die Werbung bezahlt haben, oder ob man seitens der Produktion um die Erlaubnis gefragt hat, die jeweiligen Marken entsprechend zu platzieren. So oder so ist „Chantal im Märchenland“ nicht nur ein wahnsinnig erfolgreicher Film, sondern auch ein wahnsinnig Guter, der sicherlich zu den lustigsten und besten deutschen Komödien des Jahres gezählt werden muss, und unter der Oberfläche auch noch einige mehr zu bieten hat als billige Lacher.
Bildqualität
-
Das makellose und glasklare Bild befindet sich im Ansichtsverhältnis von 2,39:1 auf der Disc und wirkt alles in allem sehr hochwertig, lässt dabei aber noch ein wenig Luft nach oben. Sobald sich die Handlung in die Märchenwelt verlagert, wird das Bild deutlich weicher und lässt kleinere Details verschwinden, wobei dies kein Manko darstellt, sondern einerseits zum Geschehen passt und andererseits die zahlreichen – überwiegend solide gestalteten – Visuellen Effekte ein wenig verschleiert, wodurch das Bild wie „aus einem Guss“ wirkt. In Nahaufnahmen lassen sich dennoch kleinere Details erkennen, wovon vor allem die wunderbaren Kulissen und die herrlichen Kostüme profitieren. Die Farbgebung ist etwas greller und bunter als die Realität, aber auch das passt perfekt ins Geschehen, und trotz stellenweisem Pastell-Einschlag, bleibt das Bild farblich weitestgehend natürlich. Der Kontrast ist etwas zu flach und dunkle Flächen wirken zuweilen etwas milchig, aber auch das passt wunderbar ins Gesamtbild.
Tonqualität
-
Der Ton liegt sowohl in Dolby Atmos (mit einem Dolby TrueHD 7.1 Kern), sowie in Dolby Digital 2.0 auf der Disc vor. Optional lassen sich deutsche oder englische Untertitel hinzuschalten und obendrein befindet sich auch noch eine 2.0 Dolby Digital Tonspur für Blinde und Sehbehinderte auf der Disc. Akustisch nutzt man hier den 3D-Ton leider nicht wirklich aus. Während die jederzeit gut verständlichen Dialoge weitestgehend frontlastig abgemischt sind, bekommen die Surround- und Deckenlautsprecher überwiegend durch die musikalische Untermalung ein wenig zu tun. Surroundeffekte sind selten, dafür aber solide platziert und gut ortbar. Dennoch hätte man hier keine Atmos-Tonspur benötigt.
Ausstattung
- Deleted Scenes (5:20 Minuten)
- Making-of (18:21 Minuten)
- Teaser
- Trailer
- Trailershow
- Wendecover
Fazit
-
Qualitativ kann die Scheibe aus dem Haus Constantin/Highlight Communications überzeugen, lässt aber noch etwas Luft nach oben. Das Bild ist passend zum Film etwas weich und in angenehm-passenden Farben gehalten, was dem Streifen einen märchenhaften Look verleiht. Die Dolby Atmos Tonspur wird leider nicht wirklich genutzt und ist ein Stückweit verschwendet, klingt allerdings wirklich gut. Im Bonussektor hätte es gern noch ein bisschen mehr sein dürfen. Der Film selbst ist mit Sicherheit nicht nur einer der lustigsten Filme des Jahres, sondern er bietet auch noch viel Sozialkritik. Hervorragend besetzt, handwerklich perfekt gemacht und mit dem Blick für das Wesentliche ist „Chantal im Märchenland“ ein Leuchtfeuer für mehr Emanzipation und Weiterentwicklung, ohne dabei mit dem erhobenen Zeigefinger zu wedeln. Eine zeitgemäße Anpassung der altbackenen Märchen, durch die Augen der heutigen Jugend gesehen, und eine Eulenspiegelei allererster Güte. Eine absolute Empfehlung!
(Michael Speier)
(weitere Reviews anzeigen)
Kaufempfehlung
Testgeräte
LG 50PM670S
Sony UBPX700
Sony HT-S20R
Philips 55PUS8601/12
Denon dbt-3313ud
Sony BDV-N9200WB
Teufel Theater 500 THX 7.1 mit 4 Dipol Speakern