Im Jahr 2017 schrieb Mariana Leky ihr Buch „Was man von hier aus sehen kann“, das die versponnenen Bewohner in einem fiktiven Dorf im deutschen Westerwald und ihr Leben zum Thema hat.
Das überaus erfolgreiche Werk wurde dann im Jahr 2022 vom Regisseur Aron Lehmann fürs Kino adaptiert und erscheint jetzt im Vertreib von Studiocanal unter dessen „Arthaus“-Label als Blu ray. In dieser Rezension soll nun geklärt werden, inwiefern der Film ein Ansehen lohnt und wie sich die Scheibe in technischer Hinsicht schlägt.
Story
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Die 22-jährige Luise (Luna Wedler) lebt mit ihrer Oma Selma (Corinna Harfouch) in einem Dorf im Westerwald. Ihre Großmutter verfügt über die Gabe, den Tod vorauszusehen, denn immer wenn sie von einem Okapi träumt, stirbt bald darauf jemand aus dem Ort. Unklar ist jedoch, um wen es sich handelt, sodass sich alle nach der Ankündigung fürchten und Handlungen wagen, die sie sonst nicht gemacht hätten, oder Geheimnisse gestehen...
Schon nach den ersten Minuten, in denen uns die kindliche Luise (in einer der vielen Rückblenden des Films) die durch und durch skurrile Dorfgemeinschaft des namenlos bleibenden Örtchens vorstellt, wird überaus klar, was über weite Strecken das Hauptanliegen von Lehmanns Adaption zu sein scheint: Die Inszenierung seltsamer Charakter und Szenarien, die tonal von brutal-bizarr bis hin zu komisch-pittoresk changieren.
So hat man in den ersten zwei Dritteln von „Was man von hier aus sehen kann“ oft das Gefühl, dass der Film Schwierigkeiten hat, seine emotionale Mitte zu finden. Die Tatsache, dass innerhalb der Handlung immer wieder unvermittelt die Zeitebene gewechselt wird, wenn die junge Luise (Ava Petsch) agiert, verursacht ein Gefühl der Desorientierung. Generell wirkt das Drehbuch hier oftmals zerfasert und ergeht sich primär darin, einzelne skurrile Episoden aus dem Dorfleben abzubilden. Allen filmerfahrenen Zuschauern, die schon einmal in ihrem Leben einen Film von Wes Anderson gesehen haben, dürfte zudem der Regiestil sehr bekannt vorkommen; hier hat Lehmann sich offensichtlich ordentlich beim großen Vorbild bedient.
Im letzten Drittel jedoch verändert sich die Geschichte: Großes Augenmerk wird nun auf Luises aufkeimende Liebe zum buddhistischen Mönch Frederik (Benjamin Radjaipoor) gelegt, was einige dezent kitschige, aber auch teils charmante Szenen nach sich zieht.
Ebenfalls eine Rolle spielt dabei auch Luises längst überfällige mentale Emanzipation von der sie umgebenden Dorfgemeinschaft und das Schicksal ihrer Großmutter, so dass es gegen Ende einige wirklich anrührende Szenen gibt, die die Substanz und Emotionalität bieten, die dieser Rezensent in der bisherigen Filmhandlung vermisst hatte.
„Was man von hier aus sehen kann“ hat zweifellos Tempo -, sowie Strukturprobleme. Dennoch kann er insgesamt unterhalten, besonders aufgrund seines letzten Drittels, sowie der Tatsache, dass die gesamte Darstellerriege, allen voran Wedler und Harfouch, gute bis sehr gute Leistungen abliefert.
Bildqualität
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In den Gegenwartsszenen jedoch wissen besonders die Nahaufnahmen zu gefallen, die zum Beispiel im Falle von Gesichtern viele schöne Details wie Poren, Härchen und Falten offenbaren. Trotzdem ist gerade die Tiefenschärfe nicht besonders beeindruckend, hier schleichen sich auch in den Gegenwartsszenen oftmals weichere Einstellungen ein, bei denen es sich zugegeben allerdings auch um ein gewolltes Stilmittel des Regisseurs handeln kann.
Positiv fällt aber die Intensität der kräftigen und lebhaften Farben, sowie der gute Kontrast auf. Der Schwarzwert changiert in den dunkleren Szenen ein wenig ins Graue und ein paar Details können mitunter auch verloren gehen.
Da es ansonsten aber keinerlei Bildfehler gibt, ein unter dem Strich durchaus solides Seherlebnis.
Tonqualität
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Folgende Tonspuren sind auf der Blu ray vorhanden:
– Deutsch DTS-HD MA 7.1
– Deutsch (Hörfilmfassung) DTS-HD MA 2.0
(Untertitel: Deutsch für Hörgeschädigte)
Die Musik in „Was man von hier aus sehen kann“ verteilt sich schön auf die Satellitenlautsprecher und klingt voll und kräftig. Leise sind in manchen Szenen ebenso Umgebungsgeräusche wie Vogelgezwitscher, Wind oder Stimmengewirr räumlich wahrnehmbar, was zu keinem besonders immersiven, aber angenehmen Hörerlebnis führt - der Subwoofer verbringt übrigens (vermutlich auch genrebedingt) die gesamte Filmlänge im Dornröschenschlaf.
Das einzige echte Problem mit dieser Abmischung sind jedoch tatsächlich die Dialoge: Sie sind leider viel zu leise abgemischt und daher schwer verständlich. Zwar kann man dem per Lautstärkeregelung abhelfen, doch sind dann die Geräusche und besonders die Musik viel zu laut – hier ist also ständiges Nachjustieren angesagt, was aber natürlich auch seine Vorteile haben kann: Dann ist nämlich in den etwas zähen ersten zwei Dritten des Films die Einschlafgefahr nicht so hoch...
Ausstattung
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– Hörfilmfassung
– Making of (04:08)
– Trailer (01:44)
– Featurette: Mariana Leky liest (00:45)
Sieht man einmal von der löblichen, aber für nicht sehbehinderte Personen halt wenig relevanten Hörfilmfassung ab, finden sich hier nur ein Trailer und ein reichlich kurzes Promo-Making-of. Die Featurette, in der die Autorin der Buchvorlage zu Bildern aus dem Film aus ihren Werk liest, ist eine großartige Idee, stellt aber aufgrund der nicht gerade epischen Länge von 45 Sekunden (!) lediglich eine vertane Chance dar.
Fazit
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„Was man von hier aus sehen kann“ ist eine insgesamt gelungene Adaption des gleichnamigen Buches, die allerdings ihren ersten zwei Dritteln Tempo – und Strukturprobleme hat, sowie es nicht schafft, den Zuschauer emotional an die dargestellten skurrilen Charaktere und Ereignisse zu binden. Zudem wurde der wieder erkennbare Stil des Vorbildes Wes Anderson etwas zu freimütig kopiert.
Dass der Film insgesamt aber doch funktioniert, verdankt er seinem stärkeren letzten Drittel, in dem die Hauptcharaktere emotional fassbarer werden und das in Kombination mit den guten bis sehr guten Schauspielleistungen die Emotionalität und Tiefe bietet, die bisher gefehlt haben.
Die Blu-ray von Studiocanal präsentiert sich indes ohne besondere Höhepunkte: Das Bild ist gefällig, entbehrt aber einer durchgängig guten Schärfe und der unspektakuläre, jedoch eigentlich solide Ton nervt durch seine zu leise abgemischten Dialoge.
Auch die Bonusinhalte sind nur recht spärlich vorhanden – und so kann dieser Film Freunden des Buches und/ oder der gekonnt aufspielenden Darstellerriege zwar empfohlen werden – der technophile Filmsammler jedoch wird mit diesem Titel wohl nicht richtig glücklich werden...
(Carsten Hein)
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Kaufempfehlung
Testgeräte
TV: PanasonicTX-65JZW984 OLED
Soundbar: Canton Smart Soundbar 9
Back Speaker: 2x Canton Smart Soundbox 3
Subwoofer: Canton Smart Sub 8
Player: Panasonic DP-UB424