Die britische Krimiautorin Agatha Christie gehört mit einer Gesamtauflage von über zwei Milliarden (!!) verkauften Werken zu den erfolgreichsten Autoren der Welt. Kein Wunder, dass auch zahlreiche ihrer Werke verfilmt oder als Theaterstück adaptiert wurden. Das Theaterstück zu ihrer 1925 verfassten Kurzgeschichte „Traitor’s Hands“ schrieb sie im Jahr 1953 gar selbst . Genau dieses Theaterstück bildete auch die Grundlage des gleichnamigen Films, der 1957 von Komödienspezialist Billy Wilder inszeniert wurde, und im Juni 2022 im Mediabook von Capelight Pictures erneut auf den deutschen Markt gebracht wurde und nun im Keep Case nachgereicht wird. Was die Disc zu bieten hat und wie sich der Film aus heutiger Sicht schlägt, klärt die nun folgende Rezension.
Story
Obwohl Sir Wilfrid Robarts (C. Laughton) gerade erst nach einem Herzinfarkt aus dem Krankenhaus entlassen worden ist, übernimmt der Anwalt den schwierigen Fall des unter Mordverdacht stehenden Leonard Stephen Vole (T. Power). Der gutmütige Handelsvertreter soll eine reiche Witwe ermordet haben, nachdem diese ihr Testament zu seinen Gunsten geändert hatte. Die einzige Entlastungszeugin ist Stephens Ehefrau Christine (M. Dietrich), doch dieser würde man im Zweifel keinen Glauben schenken. Als ausgerechnet sie, die Einzige, die ihren Mann entlasten könnte, als Zeugin der Anklage vor Gericht erscheint, beginnt ein nervenzerfetzendes Spiel, welches der angeschlagenen Gesundheit des erfahrenen Verteidigers alles andere als zuträglich ist …
In dem Moment in dem der Film zu Ende ist und die Namen der Darsteller auf dem Bildschirm erscheinen erklingt eine mahnende Stimme, man möge seinen Freunden nicht zu viel verraten, um ihnen nicht die Freunde und die Spannung des Films zu nehmen, und aus diesem Grund soll auf die großartige Handlung an dieser Stelle nach Möglichkeit nicht eingegangen werden. Es soll lediglich gesagt werden, dass die Story so viele interessante Wendungen besitzt, so viele Haken schlägt und in einem selten so spannend gesehenen Finale mündet, dass der Film auch nach all den Jahren noch sein Publikum finden und begeistern wird.
Regisseur Billy Wilder ist vor allem durch seine wortgewandten und zynischen Komödien bekannt geworden, und auch hier gibt es einiges zu lachen, wenn auch eher weniger aufgrund der Handlung. Der Sarkasmus und die barsche Art von Charles Laughtons Sir Wilfrid gibt allerdings bei nahezu jedem zweiten Satz, der seinen Mund verlässt, Anlass zum Schmunzeln. Gerade die Interaktionen mit seiner Krankenschwester (gespielt von Laughtons Ehefrau Elas Lanchester, die für ihre Darstellung mit dem Golden Globe ausgezeichnet wurde), die stets um Sir Wilfrids Gesundheit bemüht ist, ist ein Quell nahezu unerschöpflicher Heiterkeit. Dennoch ist „Zeugin der Anklage“ absolut keine Komödie, sondern ein starkes Kriminalstück mit minimalistischer Inszenierung. Es braucht nicht viele Handlungsorte, und man merkt dem Film an, dass er seinen Ursprung auf der Bühne hatte. Zwar bekommen wir außer dem Gerichtssaal auch noch andere Schauplätze zu sehen, doch sind diese eher nebensächlich.
Neben Laughton ist vor allem Marlene Dietrich als undurchsichtige Titelfigur ein echter Gewinn. Die Feme Fatale liefert hier eine eiskalte und berechnende Performance ab, so dass man sie zugleich lieben und hassen möchte. Ein weiterer heimlicher Star ist Una O`Connor als Haushälterin des Opfers, jene Rolle, die sie bereits bei der Broadway-Inszenierung des Stücks innehatte. Für sie war es leider ihr letzter Filmauftritt, ebenso wie für Tyrone Power, der als angeklagter Naivling die meiste Zeit über eher zurückhaltend agiert, aber dennoch mit ein paar wenigen Szenen einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Ebenso wie der Film, der, wenn man ihn das erste Mal sieht, den Zuschauer kalt erwischt und mit einer komplett schlüssigen Auflösung punktet, die kurz vor dem Finale noch nicht abzusehen war. Der Film erhielt sechs Oscar- und fünf Golden Globe-Nominierungen und wurde 2008 vom American Film Institute auf den sechsten Platz der „besten Gerichtsdramen aller Zeiten“ gewählt. Ein wunderbares Stück, dass man sich als Genrefan keineswegs entgehen lassen sollte, und auch alle anderen kommen voll auf ihre Kosten. Solche Filme sind nur sehr selten, und heutzutage nahezu komplett verschwunden. Umso erfreulicher, dass man die wenigen Glanzstücke in dieser Form für die Nachwelt erhält.



Bildqualität

Tonqualität

Ausstattung
- Billy Wilder im Gespräch mit Volker Schlöndorff (13:36 Minuten)
- Monokel und Zigarren: Simon Callow über Charles Laughton (16:07 Minuten)
- Billy Wilder – Ein Leben (71:09 Minuten)
- Kinotrailer (3:07 Minuten)
- Filmtipps

Fazit
Die Blu-ray Disc aus dem Hause Capelight Pictures zeigt sich in anständiger Bildqualität und auch der Ton lässt nicht viel zu wünschen übrig. Das Bonusmaterial bietet Interviews und einige Hintergrundinformationen, wodurch diese Veröffentlichung den vorherigen von FilmConfect vorzuziehen ist.
Der Film selbst hat auch 65 Jahre nach seiner Uraufführung nichts von seinem Reiz verloren und punktet mit einer dichten, spannenden und zuweilen amüsanten Inszenierung einer hervorragenden Geschichte. Die großartigen Darsteller, allen voran Marlene Dietrich und Charles Laughton, machen den Film zu einem Leckerbissen, nicht nur für Genrefans.
(Michael Speier)
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