Die Erzählstruktur des Episodenfilms kann mitunter sehr anstrengend sein, da es unheimlich schwer ist, facettenreiche Figuren in vielen kleinen Kurzfilmen zu portraitieren. Oftmals ist auch das Ensemble einfach zu groß, um genügend Tiefe zu kreieren. Stellt sich also die Frage, ob und wie es Darstellerin und Regisseurin Karoline Herfurth mit ihrem neuen Film „Wunderschön“ schafft, dieses Problem zu umschiffen.
Story
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Frauke, die sich mit fast 60 nicht mehr begehrenswert findet, während ihr pensionierter Mann Wolfi ohne Arbeit nicht weiß, wohin mit sich. Ihre Tochter Julie will als Model endlich durchstarten und versucht verbissen, ihren Körper in das Schönheitsideal der Branche zu pressen. Das verfolgt wiederum Schülerin Leyla, die überzeugt ist, mit Julies Aussehen ein besseres Leben führen zu können, und selbst keinen Bezug zu sich findet. Julies Schwägerin Sonja hat mit ihrem Körper zu kämpfen, der nach zwei Schwangerschaften zum Ausdruck einer Lebenskrise wird. Ihr Mann Milan hat dabei nicht im Blick, welchen Druck sie sich als junge Mutter auferlegt. Für Sonjas beste Freundin Vicky ist das keine große Überraschung, ist sie doch überzeugt davon, dass Frauen und Männer niemals gleichberechtigt auf Augenhöhe zusammenfinden werden, zumindest nicht in der Liebe. Ihr neuer Kollege Franz würde sie allerdings gern vom Gegenteil überzeugen. (Pressetext: Warner Home Video)
Schon anhand der Beschreibung der Story wird klar, hier werden Einzelschicksale rund um die Themen „Akzeptanz“, „Liebe“, „Das Älter werden“ und auch die Überwindung der eigenen Grenzen verhandelt. Dabei sollte klar sein, dass alle Figuren über die ein oder andere Weise miteinander verbunden sind, es dabei aber keine großen Überraschungen gibt, wie beispielsweise beim Ende von „Crazy. Stupid. Love“, der allgemein betrachtet ebenfalls als gelungener Episodenfilm in Erinnerung geblieben ist. Karoline Herfurth hat sich mit „Wunderschön“ vielen Themen gewidmet, die sie selbst und auch ihre für den Film ausgewählten Kolleg*innen beschäftigen. Damit erfüllt er bereits ein wichtiges Kriterium, nämlich den berühmten Spruch: „Write, what you know.“.
Interessanterweise muss nicht nur ihre Figur, sondern auch Herfurth selbst mit einer Doppelrolle und Mehrfachbelastung klarkommen. Selber Regie führen, Drehbuch schreiben und zudem eine Hauptrolle spielen, beweist nicht nur, dass sie sich einiges zutraut, sondern auch, dass sie mit dem richtigen Fingerspitzengefühl an „Wunderschön“ herangegangen ist. Im Gegensatz zu den üblichen Til Schweiger, Matthias Schweighöfer-Komödien werden die Figuren und ihre Probleme erst genommen, (man möchte sich besser nicht ausmalen, wie eine „Vaginal-Furz-Szene“ von Schweiger und Schweighöfer inszeniert worden wäre) dennoch schafft es der Film aber, auch mit cleverem Witz zu überzeugen und bietet facettenreiches Schauspiel, dass den Zuschauer doch in die einzelnen Welten der Figuren einfühlen ließ. Zudem empfindet man die Gemeinsamkeiten der Charaktere untereinander für angenehm zurückhaltend.
Sie bekommen Raum für ihre eigene Geschichte, werden aber auch logisch mit den Geschichten der Anderen verknüpft, um daraus wieder etwas zu lernen. Die Dramaturgie kann dabei ebenfalls überzeugen, unterliegt aber auch den typischen Schwächen eines Episodenfilms. Konsequenterweise werden die einzelnen Geschichten nacheinander, überlappend und fortführend abgehandelt, was dazu führt, dass sich sowohl Einführung, Aufbau und Höhepunkt ebenfalls überlagern. Dadurch bekommen wir zum Ende des Filmes logischerweise auch mehrfache Enden zu sehen, wodurch es sich hinten raus etwas ziehen kann, beziehungsweise zu sehr in die Länge gezogen anfühlt. Mit über 130 Minuten Laufzeit bietet „Wunderschön“ dennoch genug Raum für die Einzelschicksale. Die kommen mal mehr und mal weniger spannend daher.
Beispielsweise wirkt die Geschichte um Julie, die in der Modebranche Fuß fassen will und sich deshalb aushungert und körperlich bis an ihre Grenzen geht hier und da ziemlich klischeebehaftet, wobei Klischees logischerweise auch dazugehören. Sonjas Probleme mit ihrem eigenem „Mutterschafts-After-Body“ und der Probleme in ihrer eigentlich liebevollen Beziehung mit ihrem verständnisvollem Ehemann Milan wirken schon deutlich näher an der Realität. Die Geschichte um Leyla, die ebenfalls mit ihrem Körper unzufrieden ist, wirkt wiederum tonal auch ein wenig lockerer und wie die typische Coming-of-Age Geschichte, in welcher der heiße Typ aus dem Baseball-Team in Zeitlupe mit tosender Musik inszeniert wird.
Dagegen ist die Geschichte um Frauke und Wolfgang wieder deutlich geerdeter und ruhiger erzählt; Ein lang verheiratetes Ehepaar, dass sich selbst, den anderen und ihre gemeinsame Zeit nicht mehr richtig wertschätzt. Durch diese Brüche kommt natürlich auch Abwechslung hinein und selbst, wenn eine Story weniger fesselnd ist, so kann man doch aus einer anderen etwas für sich herausziehen. Er trifft am Ende also trotzdem die richtigen Töne, wobei „Töne“ ebenfalls ein Stichwort ist. Vielleicht wäre ein bisschen weniger Musik besser gewesen. Beinahe jede dramatische oder jede emotionale Szene wird untermalt, was der Zuschauer mitunter als „Zuviel des Guten“ wahrnimmt.
Sei’s drum, das ist immer noch Meckern auf hohem Niveau, dafür entschädigt das Drehbuch mit ein paar großartigen Dialogen, die mal wirklich wie aus dem Leben gegriffen wirken und mal so überhöht sind, dass man sich danach nur sagt: „Ja, da ist definitiv was Wahres dran.“ Auch das Karoline Herfurth ein gutes Gespür für Comedy hat, kann sie hier beweisen. Vor allem anhand der spielfreudigen Nora Tschirner, als Vicky – Die sich einfach nicht eingesehen will, dass sie schockverliebt in ihren Kollegen Franz ist, der als Sportlehrer an derselben Schule unterrichtet, an der für Kunstgeschichte zuständig ist. Für mich hat „Wunderschön“ als Episodenfilm funktioniert und auf erzählerischer Ebene funktioniert, weil das Drehbuch tatsächlich auch etwas zu erzählen hat und nicht in Plattitüden versinkt.
Bildqualität
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Das Bild ist technisch gut, durch die Farbgebung hat es einen sehr geerdeten Look. Die Schärfe, die Kontraste, die Lichtsetzung, hier wurde auf einem sehr hohen Niveau gearbeitet und das sieht man auch. Die Kameraarbeit ist ordentlich, statische Bilder, schöne Lichtsetzung und interessante Perspektiven, sowie einige handwerkliche Kniffe. Allerdings ist die Umsetzung relativ geerdet. Es wurde mehr Wert auf die Darsteller und ihre Inszenierung, als auf die rein visuelle Ebene gelegt. Trotzdem kann sich das Bild sehen lassen und die Heimkinoauswertung auf Blu-ray Disc ist definitiv gelungen.
Tonqualität
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Die deutsche Tonspur liegt in DTS-HD HR 5.1 vor und ist ebenfalls fehlerlos, außerdem wird, wie bei den meisten deutschen Filmen, auch eine Hörfilmfassung angeboten. Insgesamt spielt sich vieles auf der Dialogebene ab, wobei die hinteren Boxen und auch der Subwoofer nicht so viel zu tun haben. Dennoch wird ein angenehmes räumliches Klanggefühl erzeugt. Die Mischung selbst ist in Ordnung, die Stimmen sind jederzeit klar verständlich. Allein der Soundtrack rückt hie und da zu sehr in den Vordergrund.
Ausstattung
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Als Extras sind auf der Disc selbst ein kleines Werbe-Making-Of (ca. 2 Min) und eine Mini-Featurette über die einzelnen Rollen (ca. 3 Min). Das ist ziemlich enttäuschend, denn gerade zu einem Thema, zu dem Karoline Herfurth so viel zu erzählen hat, hätten zumindest ausführliche Interviews oder sogar ein Audiokommentar dazugehört.
Fazit
- „Wunderschön“ ist ein gelungener Episodenfilm, der sich nicht nur um die Akzeptanz unseres eigenen Körpers, sondern auch um uns selbst dreht. Die einzelnen Geschichten sind angenehm ineinander verwoben und bieten trotz ähnlicher Thematik genügend Alleinstellungsmerkmale. Der Cast selbst ist nur nicht passend ausgewählt, sondern auch schauspielerisch überzeugend. Ein Film für Jung und Alt, der an den richtigen Stellen Feingefühl und emotionale Tiefe bietet, als auch auflockernde Elemente hat, wodurch er ziemlich oft, die richtigen Töne trifft.
(Tom Sielemann)
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