
Die junge Hunter führt ein vermeintlich idyllisches Leben an der Seite ihres erfolgreichen Mannes Richie. Doch nicht einmal die langersehnte erste Schwangerschaft reißt sie heraus aus ihrem tristen Hausfrauen-Alltag in einem spektakulären Anwesen am Hudson River. Urplötzlich fängt Hunter damit an, ungenießbare Gegenstände zu essen. Als ihr Mann und seine Familie daraufhin die Kontrolle über ihr Leben verschärfen, ist sie gezwungen, sich dem dunklen Geheimnis hinter ihrer unkontrollierbaren und gefährlichen Besessenheit zu stellen.
(Quelle: Koch Media)
Habt ihr schon mal vom sogenannten „Pica-Syndrom“ gehört? Nein? Ich auch nicht, obwohl der Begriff häufig in Verbindung mit ungewöhnlichen Essgelüsten Schwangerer verwendet wird. Die ebenfalls übliche Bezeichnung ist Pikazismus. Genau diesem verfällt Hunter, eine junge Frau, die augenscheinlich alles hat, was sie sich wünscht. Ein prachtvolles Haus, einen liebenden, erfolgreichen Ehemann und die baldige Erwartung eines Kindes. Erst mit zunehmender Laufzeit finden wir heraus, dass sich hinter dieser Fassade mehr verbirgt und merken, dass wieder einmal der Schein trügt. So ist der plötzliche Drang eine Murmel herunterzuschlucken natürlich nur der Ausdruck für etwas Anderes, das „Pica-Syndrom“ wird zur Metapher über die Kontrolle des eigenen Körpers.

Regisseur und Autor Carlo Mirabella-Davis erzählt diese Geschichte auf Grundlage der Erfahrungen seiner Großmutter, die jahrelang in einer unerfüllenden Ehe gefangen war. Diese hatte damals den Drang sich die Hände zu waschen entwickelt, brauchte Unmengen an Seife und Alkohol auf, um diesem nachzugehen und war regelrecht obsessiv. Doch warum die Änderung auf den Pikazismus? Die Antwort ist recht einfach, weil es „cinematisch“ genug ist, außerdem macht es natürlich neugierig, etwas zu entdecken, dass man vorher nicht kannte. „Swallow“ schafft es also mit diesem „Trick“ Neugier zu wecken und füllt ihn unterdessen auch noch mit genug Inhalt, um ihn relevant zu machen.
Nichtsdestotrotz liegt der Fokus der Geschichte nicht allzu sehr auf dem titelgebendem „swallowen“, sondern viel mehr auf dem Innenleben der Figur, dass langsam aber sicher nach Außen dringt. Erzählt wird die Geschichte einer Frau, die auf der Suche nach Liebe ist und vielleicht sogar bisher nie welche erfahren hat. Das alles wird aber nicht in schwurbeligen „Möchtegern-Philosophischen“ Dialogen erzählt, sondern knackig auf den Punkt gebracht, sodass man der Geschichte gut folgen kann und die Motivation der einzelnen Figuren versteht, auch wenn Haley Bennett (die auch mitproduziert hat) hier ein echter Showstealer ist. Ihr Performance, ihre Blicke, sie schafft es den Film mühelos zu tragen. Das „Schlucken“ an sich, wird sowohl auf visueller, als auch tonaler Ebene so dargestellt, dass man diese „Erlösung“ es zutun förmlich spüren kann.

Ja, Mirabelle-Davis weiß genau, wie er seinen Zuschauer mit der Hauptfigur synchronisiert und mitfühlend lässt. Einen zentralen Punkt seines Werks beinhaltet nämlich auch, dass Hunter sich mit ihrer Rolle als Mutter und Hausfrau nicht identifizieren kann, bei der auch klassische Muster bzw. die Gefangenheit in einer festgefahrenen Ehe eine Rolle spielen. Das Bild einer toxischen Beziehung hat sich in „Swallow“ manifestiert und ist durchgehend der Kern der Geschichte. Dadurch reduziert sich das Werk nicht auf seine „Schockeffekte“, wie das schlucken einer Nadel und dem darauffolgenden Stuhlgang, oder einer Operation, bei der ihr die verschluckten Gegenstände nach und nach wieder aus ihrem Körper entfernt werden, sondern ist viel mehr als das.
Dennoch ist die Story absolut geradlinig und stringent erzählt, was mir äußert gut gefallen hat. Vor allem da er auch von den Bildern her einfach nur großartig aussieht, vom Anfang bis zum Ende. Obwohl er sich locationtechnisch fast nur in der Villa, beziehungsweise dem „Glaskäfig“ abspielt. „Swallow“ ist ein Kammerspiel und viel weniger „mystisch“ als man es zunächst beim Trailer vermutet, es ist kein Horrorfilm oder ein spannungsgeladener Thriller, der einem dem Atem raubt. Stattdessen ein menschliches Familiendrama, mit einer vielschichten Charakterisierung und einem wie ich finde auch konsequentem Pay-Off, obwohl die Geschichte sicher noch Potenzial gehabt hatte, über das Ende hinauszugehen.