Knusper, Knusper, Knäuschen, wer knabbert an meinem Häuschen? Wer kennt sie nicht, die Geschichte von Hänsel und Gretel!? Das gruselige Kindermärchen der Gebrüder Grimm, in dem es um zwei Geschwister geht, die von ihrem Vater alleine im Wald ausgesetzt werden, dürfte vermutlich bei zahlreichen Kindern seit dem 18. Jahrhundert für den ein oder anderen schlechten Schlaf gesorgt haben. Und da der Stoff auch irgendwie unheimlich und zum gruseln bestens geeignet ist, hat das Märchen bereits mehrere Verfilmungen erhalten. Die zuletzt erschienene und recht erfolgreiche Adaption mit dem Titel „Hänsel und Gretel: Hexenjäger“, liegt jedoch schon ein Weilchen zurück und stammt aus dem Jahr 2013 - höchste Zeit also für eine Frischzellenkur.
Story
Die kürzlich erschienene Verfilmung von Regisseur Oz Perkins („Die Tochter des Teufels“) mit dem Titel „Gretel und Hänsel“ basiert allerdings nur lose auf dem Grimm-Märchen und interpretiert den Stoff etwas anders: Da sie aus ärmlichen Verhältnissen stammen und das Essen knapp wird, wird die junge Gretel (Sophia Lillis) und ihr kleiner Bruder Hänsel (Sammy Leakey) des Hauses verwiesen, da ihre verwitwete Mutter (Fiona O’Shaughnessy) die Familie nicht mehr ernähren kann. Völlig orientierungslos irren die Zwei umher und verlaufen sich in einem tiefen, dunklen Wald. Dort entdecken sie eine Hütte, in der eine alte, freundlich wirkende Frau (Alice Krige) lebt, welche beiden Obhut gewährt. Als dank, das sie dort essen, schlafen und leben dürfen, verrichten beide Kinder dort ihren Dienst - doch die von der Alten in Zeiten von Hungersnot aufgetischten Festmahle sind schon etwas seltsam. Als dann auch noch Gretel des Nachts immer wieder von mysteriösen Albträumen geplagt wird, sie Kinderstimmen und unheimliche Erscheinungen im Haus wahrnimmt, wird ihr klar, das an ihrem neuen Zuhause etwas stimmt und dort etwas Böses zu lauern scheint. Kann sie ihren kleinen Bruder beschützen oder wird sie selbst den Versuchungen erliegen, welche sich ihr noch offenbaren?
Zugegeben, die Inhaltsangabe liest sich großartig und auch die Empfehlungen auf der Verpackung , das dies „Einer der besten Horrorfilme des Jahres“ sein soll, klingt sehr vielversprechend - allerdings ist dem leider nicht so. Zu Beginn ist die Neuinterpretation zwar sehr interessant und baut mit der Geschichte um ein schönes, allerdings krankes Mädchen, das von einer Hexe namens Enchantress (Melody Carrillo) einige ihrer Kräfte übertragen bekam, auch ordentlich Spannung auf. Der Kern dieser Geschichte, ohne hier groß Spoilern zu wollen, ist sehr interessant gestrickt und die sich daraus entwickelnde Menschenfresserin und wie das alles von Statten geht, gehören ganz klar mit zu den großen Stärken des Films - jedoch bietet „Gretel und Hänsel“ darüber hinaus kaum sehenswertes. Das Setdesign, die Kostüme sowie die Aufmachung, ja selbst die Effekte - beispielsweise wenn das Essen gezaubert wird - können sich wahrlich sehen lassen, allerdings kommt man nicht umher festzustellen, dass irgendwie trotz des gelungenen atmosphärischen Ansatzes kein richtiges Horror- beziehungsweise Grusel-Feeling aufkommen will. Man denkt immer, dass es jetzt richtig losgeht, aber dann wird es doch wieder ruhig oder unspektakulär - eindeutig eine Schwäche des Drehbuchs, denn rein inhaltlich hätte man viel mehr aus dem Stoff machen können. Ansonsten überzeugt die Neuinterpretation ebenfalls nur bedingt, denn die Charaktere, mit Ausnahme von Gretel selbst, wirken austauschbar, viele Ideen nicht zu Ende gedacht und zum Finale hin, bei dem man eigentlich Großes erwarten würde, wird es so gähnend langweilig, das man irgendwie froh ist, dass die ohnehin schon kurzen 87 Minuten Spielzeit endlich rum sind.
Bildqualität
„Gretel und Hänsel" liegt auf beiden Formaten jeweils im Ansichtsverhältnis von 1,55:1 (16:9) vor, präsentiert sich auf einem hohen Niveau und liefert einen tollen Schärfewert sowie eine sehr natürlich Farbgebung. Die 4K-Fassung war mir für meinen Geschmack jedoch einen Tick zu dunkel, lieferte in dunkleren Bereichen allerdings eine bessere Durchzeichnung als die ebenfalls enthaltene Full-HD-Fassung. Bei Tageslicht profitiert die UHD-Variante zudem vom HDR10+, welche bei der Darstellung des Waldes ebenfalls brillantere Farben als das BD-Pendant zeigt. Insgesamt können sich aber beide Fassungen sehen lassen.
Tonqualität
Beim Ton kann „Gretel und Hänsel“ in vielen Szenen glänzen und Schwächen im Drehbuch mit einer guten Abmischung glattbügeln, auch wenn der Film soundtechnisch ansonsten keine wirklichen Highlights bietet. Die Atmosphäre ist hier dennoch stets beklemmend, die Musik von Robin Coudert stimmig und der DTS-HD Master Audio 5.1-Mix, der wahlweise auf Deutsch oder im englischen Originalton zur Verfügung steht, gibt die Umgebungsgeräusche des bedrohlichen Waldes sowie jedes Knarren der alten Hexenhütte eindrucksvoll wieder.
Ausstattung
Das Bonusmaterial ist leider sehr übersichtlich ausgefallen und bietet lediglich Teaser sowie Trailer und einige kurze Featurettes, welche allerdings wenig interessant sind und auch kaum hinter die Kulissen der Produktion blicken lassen. Das Herzstück des Bonusmaterials stellt somit zweifelsfrei das Mediabook selbst dar, welches in seiner Aufmachung - wie man es von Capelight inzwischen erwarten darf, erneut sehr gelungen ist. Vor allem das toll gestaltete Frontmotiv weiß zu begeistern, denn wer genau hinsieht, wird in den Bäumen im Hintergrund ein verstecktes Wort entdecken. Inhaltlich gibt es diesmal zwar weniger Fotos auf den insgesamt 28 Seiten zu sehen, dafür aber sehr viel Text von Autor Marco Heiter, der in seinem „Ein schönes Sammelsurium - Eine Einladung in den Zauberwald von Oz (Perkins)“ viel wissenswertes zur Produktion beizutragen hat.
Fazit
Im Kino konnte „Gretel und Hänsel“ mit gerade einmal 50.000 Besuchern nicht wirklich glänzen und ging - nicht zuletzt wohl auch wegen der Corona-Pandemie - an den Kassen baden. Ob sich das Dilemma mit der Veröffentlichung für das Heimkino wiederholt, wird die Zeit zeigen, jedenfalls wurden mit dem tollen Mediabook-Release, das sicherlich aus optischer Sicht ein Leckerbissen für Sammler darstellen dürfte, alle Weichen dafür gestellt. Aber auch wenn die Aufmachung der Veröffentlichung sehr gelungen ist, so bleiben dennoch die inhaltlichen Defizite, welche der Film vorzuweisen hat. Inszenatorisch und visuell ist die Neuinterpretation des Grimm Märchens zwar von Regisseur Oz Perkins gut umgesetzt worden, das Drehbuch von Autor Rob Hayes weist aber zu viele Schwächen auf, weshalb man sich in den 87 Minuten auch nur bedingt gruselt. Unterm Strich ein Horrorfilm über einen sehr interessanten Stoff, den man allerdings nicht gesehen haben muss, was ich persönlich sehr bedauerlich finde - hier wäre so viel mehr möglich gewesen.
(Roland Nicolai)
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Kaufempfehlung
Testgeräte
TV: Sony KD-65A1
UHD-Player: Sony UPB-X700
Blu-ray-Player: Denon DBT-3313UD
AV-Receiver: Denon AVR-X4200W
Lautsprecher: Canton GLE-Serie
Subwoofer: Yamaha YST-SW320