Der Gangsterfilm ist beinahe so alt wie das Medium Film selbst. Bereits in den frühen 1930er Jahren entdeckten Filmpioniere die vielen dramatischen Möglichkeiten, die die facettenreiche Portraitierung kleiner und großer Krimineller in sich birgt. Im expressionistischen Film Noir der 40er und 50er Jahre sind es meist gescheiterte Figuren, die sich in stilisierten Inszenierungen in einem Netz aus Intrigen verfangen und Gut und Böse nicht zweifelsfrei zu identifizieren ist. Mit Francis Ford Coppolas elegischem Epos Der Pate sprengte der Gangsterfilm dann endgültig jeden Rahmen und nahm die Dimensionen eines Monumentaldramas an. Im Vergleich zu diesem Hochglanzprodukt verhält sich Brian De Palmas Scarface eher wie das schwarze Schaf der Gangsterfamilie. (ml)
Anlässlich zur neuen Abtastung des Bildes in 4K und der Veröffentlichung auf UHD Blu-ray, bringt Universal “Scarface (1983)“ nun auch als erneuerte Standard Blu-ray auf den deutschen Markt. Da uns davon eine Test Disc zur Verfügung gestellt wurde, lassen wir es uns natürlich nicht nehmen, das Bild, aber auch den Ton und die Extras genauestens auf Unterschiede zu überprüfen. (bg)
Story
Zusammen mit über einhunderttausend anderen Flüchtlingen, denen der Diktator Fidel Castro die Ausreise in die USA erlaubt, landet der Kubaner Tony Montana (A. Pacino) im Jahr 1980 in Miami. Tony verschwendet nicht viel Zeit und begeht bereits im Auffanglager seinen ersten Auftragsmord. Auf diese Weise erlangt er die Aufmerksamkeit des Drogenbarons Frank Lopez (R. Loggia), der ihn schon bald in seiner Organisation aufnimmt. Da Tony ebenso ehrgeizig wie skrupellos ist, steigt er in der Hierarchie des Kartells schnell auf und wird bald Franks rechte Hand. Damit gibt sich der ambitionierte Gangster allerdings noch lange nicht zufrieden. Tony will mehr und rafft in der Folgezeit eine immer größere Fülle an Reichtum und Macht zusammen. Doch auch für Tony wachsen die goldenen Türme nicht endlos in den Himmel.
Auch wenn Scarface nicht unmittelbar auf wahren Begebenheiten oder real existierenden Personen basiert, so spiegelt er dennoch die Zustände in Miami zu Beginn der 1980er Jahre wider. In dieser Zeit diente die Stadt in Florida als Hauptumschlagplatz für südamerikanisches Kokain. Polizei und Kartelle lieferten sich einen blutigen Krieg, der in aller Öffentlichkeit ausgetragen wurde und unzählige Opfer forderte. Für Männer wie Tony Montana das reinste El Dorado. Und tatsächlich hatte es einen Gangster wie ihn bis dahin auf der Kinoleinwand noch nicht gegeben. Egoistisch, skrupellos und ehrgeizig bis hin zum Größenwahn verfolgt er unbeirrt seine Ziele. Ein Protagonist, dem das Attribut „Antiheld“ bei Weitem nicht gerecht wird. Al Pacino verkörpert hier einen echten Kotzbrocken, der kaum ein Attribut mitbringt, das ihn als Sympathieträger qualifizieren würde. Dabei ist es einzig und allein Pacinos brillanter Darstellung zu verdanken, dass der Film auch ohne Identifikationsfigur funktioniert. Denn eine gewisse Faszination übt dieser bis ins Mark unsympathische Charakter ohne Zweifel aus. Oliver Stones Drehbuch legt Tony unzählige Oneliner in den Mund, die immer noch Kultstatus genießen.
Scarface ist heute ein fester Bestandteil der Popkultur, der in den verschiedensten Bereichen immer wieder zitiert wird. Insbesondere der Gangsta-Rap übernahm Tony Montanas Weltanschauung in einigen Teilen, allerdings in völliger Verkennung der satirischen Überhöhung des Films. Dank jahrelanger Indizierung, bekam die breite Öffentlichkeit in Deutschland allerdings von dieser Legendenbildung nur wenig mit. Grund dafür war nicht zuletzt die schonungslose Gewaltdarstellung, durch die sich Brian De Palmas Inszenierung auszeichnet, auf die man den Film allerdings nicht reduzieren sollte. Viele Szenen entwerfen vielmehr einen intensiven Spannungsbogen, der den Zuschauer lange im Unklaren darüber lässt, ob sich eine Situation friedlich auflöst oder in einer Gewalteruption eskaliert.
In Einklang mit dem zeitgenössischen Soundtrack von Giorgio Moroder entfaltet Scarface ein grotesk überzeichnetes Sittenbild der 1980er Jahre, das gleichzeitig fasziniert und abstößt. (ml)
Bildqualität
Universal liefert hier einen erstaunlich guten Transfer ab, aufgrund dessen man dem Film seine knapp 30 Jahre zu keiner Zeit ansieht. Schon in der ersten Szene, in der Tony kurz nach seiner Ankunft in den USA verhört wird, zeigt sich eine überaus präzise Auflösung in Nahaufnahmen. Dank einer ausgezeichneten Schärfe werden auch kleinste Details sichtbar. Der erste Eindruck bestätigt sich im weiteren Verlauf des Films durchgängig. Insbesondere Aufnahmen bei hellem Tageslicht bestechen durch eine beeindruckende Durchzeichnung und Tiefenschärfe, die bis in den entfernten Bildhintergrund hinein erhalten bleiben. Etwas schwächer zeigt sich der Transfer bei dunklen Lichtverhältnissen. Das Schwarz ist zwar immer satt und deckend, verschluckt allerdings in Nachtszenen auch viele Details. Gleichzeitig erreicht die Durchzeichnung bei schummrigem Licht nicht das gewohnte Niveau. Die Farben, besonders das Rot, sind kräftig, bleiben aber immer natürlich. Die Kontrastwerte sind ausgewogen und offenbaren in einzelnen Szenen sogar einen plastischen Eindruck. Filmkorn ist über die gesamte Laufzeit präsent, drängt sich aber nie dominant in den Vordergrund. Ein gutes Anzeichen dafür, dass auf Rauschfilter verzichtet wurde. Verschmutzungen oder altersbedingte Beschädigungen des Masters sind nicht vorhanden. (ml)
Der “Scarface (Gold Edition)“ Blu-ray wurde ein überarbeitetes Bild spendiert, welches im MPEG-4/AVC Codec vorliegt, während die bisherigen Auflagen noch das VC-1 Format verwendeten. Am originalen Seitenverhältnis von 2,35:1 ändert sich dabei natürlich nichts. Leider fällt selbst bei direktem Umschalten (zwischen der bereits seit 2011 erhältlichen deutschen Blu-ray und der neuen „Gold Edition“) kein nennenswerter Unterschied auf, sodass die bisherige Bewertung übernommen werden kann. Bei ganz genauem Hinsehen, meint man schon mal eine etwas andere Farbgebung, oder auch minimal mehr Details in dunklen Bereichen erkennen zu können. Diese Unterschiede sind jedoch mit der Lupe zu suchen. An der insgesamt überzeugenden Schärfe, sowie dem guten Gesamteindruck des Bildes (entsprechend seinem Alter) ändert sich dadurch allerdings ebenso wenig. (bg)
Tonqualität
- Deutsch DTS 2.0
- Englisch DTS-HD MA 7.1
- Englisch DTS 2.0
- Französisch DTS 2.0
- Italienisch DTS 2.0
- Spanisch DTS 2.0
Der deutsche Ton ist die Achillesferse dieser Veröffentlichung. Die Codierung verspricht zwar immerhin diffusen Raumklang, doch selbst diese minimale Hoffnung entpuppt sich schnell als vergeblich. Aus den Frontlautsprechern erklingt nichts anderes als schnöder Monoton. Immerhin ist dieser kräftig und einigermaßen voluminös. Dynamik oder Druck sind hier aber natürlich nicht zu erwarten. Dialoge bleiben zu jeder Zeit gut verständlich. Es ist kein Hintergrundrauschen zu vernehmen. Unter diesen Voraussetzungen bleiben die Surroundkanäle und der Subwoofer natürlich ohne Beschäftigung. Eine sorgfältigere Aufbereitung wäre hier sicher möglich gewesen. So bleibt als Alternative der englische Originalton, der nicht nur technisch der deutschen Spur meilenweit überlegen ist. Tony Montanas verbale Tiraden muss man sich einfach im Original anhören. (ml)
Während man bei der (bereits veröffentlichten) 4K UHD Blu-ray in den Genuss zweier DTS:X Tonabmischungen kommt (deutsch und englisch), wird man auf der Standard “Gold Edition“ Blu-ray mit denselben Tonformaten der bisherigen Versionen abgespeist. Das bedeutet, deutsche Sprache gibt es nach wie vor nur in Standard- DTS Stereo, während die englische Tonspur immerhin in DTS-HD Master Audio 7.1 vorliegt. Dass man hier beiden Sprachen das vorhandene 3D Soundformat vorenthält ist gleichermaßen unverständlich, wie ärgerlich, zumal noch weitere Tonspuren auf der Disc Platz fanden, die hierzulande eher weniger von Interesse sein dürften. (bg)
Ausstattung
Die filmbezogenen Extras summieren sich auf eine Laufzeit von über zwei Stunden. Dabei wird auf viele Facetten der Entstehung und Auswirkung des Kultfilms eingegangen. Es kommen nahezu alle entscheidenden Akteure von vor und hinter der Kamera zu Wort. „Das Scarface Phänomen“ ist allerdings das einzige Feature, welches für diese Veröffentlichung neu produziert wurde. Alle anderen Beiträge sind bereits von früheren Veröffentlichungen bekannt. Darüber hinaus ist neben einigen entfernten Szenen auch das Making-Of des Videospiels für die Playstation 2 enthalten, was zwar interessant ist, für die heutige Spielergeneration aber nur nostalgischen Wert besitzen dürfte. Alle Extras liegen in Standard Definition vor. (ml)
Zusätzlich zu den bereits bekannten Extras wurde der “Gold Edition“ noch ein zusätzlicher Bonus spendiert:
- Scarface 35th Anniversary Reunion: Ein knapp halbstündiges Wiedersehen mit Al Pacino, Michelle Pfeiffer, Steven Bauer und Brian De Palma beim Tribeca Filmfestival 2018.
Es macht großen Spaß, die alternden Stars auf einer Bühne zu sehen, wo sie einem Moderator Rede und Antwort stehen und auch mal aus dem Nähkästchen plaudern. Einzig Steven Bauer (Manny Ribera) scheint sich nicht (mehr) ganz in die Runde einfügen zu können, worüber man aber hinwegsehen kann, da dieser insgesamt nicht so viel Redezeit bekommt wie etwa ein Tony Montana persönlich. Wenn die englischen Kenntnisse dafür nicht ausreichen, kann man hier optional auch deutsche und englische Untertitel einblenden. (bg)
Fazit
Der Bildtransfer ist insgesamt sehr gut gelungen. Bis auf einige Schwächen in dunklen Szenen, bleibt das Bild durchgängig HD-würdig. Der deutsche Ton hält dieses Niveau leider nicht. Effektiv wird hier nur solider Monoton geboten. Die Sonderausstattung ist sowohl umfangreich, als auch informativ und gibt einen guten Einblick in die Entstehung und Rezeption des Films. (ml)
Leider kann sich die “Gold Edition“ nur bedingt von den bisherigen Versionen absetzen. Das Bild bietet einen minimalen Vorteil, der aber kaum der Rede wert scheint und vermutlich den Wenigsten auffallen wird, während die Tonspuren leider unverändert übernommen wurden. Wer 3D Sound möchte (oder das derzeit beste Bild), muss zur 4K UHD Blu-ray greifen. Das heimliche Highlight dieser Veröffentlichung ist damit das neue Extra („Scarface 35th Anniversary Reunion“), das immerhin mit einer Lauflänge von gut 27 Minuten bestens unterhält. (bg)
Mit Scarface erschufen Regisseur Brian De Palma, Drehbuchautor Oliver Stone und nicht zuletzt Hauptdarsteller Al Pacino einen wegweisenden Gangsterfilm, der auf das Genre einen nachhaltigen Einfluss ausübte. Satirisch überzeichnet pervertiert der Film den amerikanischen Traum und karikiert gleichzeitig den oberflächlichen Materialismus der 1980er Jahre. Tony Montana geht dabei sicherlich als einer der unsympathischsten „Helden“ in die Kinogeschichte ein. Dank Pacinos grandioser schauspielerischer Leistung verfolgt man seinen Werdegang allerdings mit anhaltender Faszination. Die teils explizite Gewaltdarstellung verkommt nie zum Selbstzweck, dürfte empfindliche Gemüter aber dennoch abschrecken. Es ist in jedem Fall zu begrüßen, dass dieser Klassiker nach Jahren der Verbannung nun endlich wieder im freien Handel erhältlich ist. (ml)
(Bastian Guggenberger)
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Kaufempfehlung
Testgeräte
TV: Pioneer PDP-LX5090 (50“) (kalibriert)
BDP: Pioneer BDP-LX71
AVR: Pioneer SC-LX81
Lautsprecher: B&W 803S (Main), Teufel M-500 (Surround)
(ml)
Medion 4K, 65“ Dolby Vision TV (Scarface „Gold Edition“ Blu-ray Bildtest)
(bg)