Am 16. Oktober 1906 nahm der arbeitslose Schuhmacher Friedrich Wilhelm Voigt als Hauptmann verkleidet das Rathaus von Köpenick bei Berlin ein, raubte die Stadtkasse, und wurde dadurch zu einer lokalen Berühmtheit. Ein Vierteljahrhundert später verarbeitete Carl Zuckermayer den Stoff zu einem Theaterstück, welches bereits im gleichen Jahr als Spielfilm adaptiert wurde. Weitere Verfilmungen des Stoffes sollten folgen, wovon die bekannteste wohl die hier vorliegende 1956er Version mit Heinz Rühmann in der Titelrolle sein dürfte. Was der Film und die dazugehörige Blu-ray Disc, die von Al!ve im Rahmen der „Filmjuwelen“ Reihe veröffentlicht wurde, zu bieten hat, klärt die nun folgende Rezension.
Story
Nach der Entlassung aus dem Gefängnis sucht der Schustergeselle Wilhelm Voigt (H. Rühmann) eine Anstellung, allerdings bräuchte er dafür Papiere, die er wiederum erst dann bekommt, wenn er eine Arbeit hat. Nicht einmal das Land verlassen kann der arme Mann, denn dafür bräuchte er einen Reisepass, den man ihm ebenfalls nicht ausstellen möchte. Nach einigem Hin und Her kauft er sich bei einem Trödler eine Hauptmannsuniform, übernimmt den Befehl über einen vorbeiziehenden Trupp Gardesoldaten und belagert kurzerhand das Rathaus von Köpenick. Immerhin würde kein echter Preuße den Befehl eines Hauptmanns in Frage stellen…
Das war schon ein starkes Stück, dass sich der Schuster Voigt da erlaubte, obschon er durch die widrigen Umstände dazu gezwungen wurde. Und auch wenn der Film, beziehungsweise das dem Film zugrundeliegende Theaterstück, auf einer wahren Begebenheit beruht, wurden große Teile dazu erfunden, um der eigentlichen Handlung etwas mehr Dramatik und Tragik zu verleihen.
Trotzdem bleibt die Geschichte phantastisch und unglaublich, was wohl vor allem daran liegt, dass man sich ein solches Szenario heutzutage kaum vorstellen kann. Obrigkeitshörigkeit und blinder Gehorsam vor der Uniform, vor allem dann, wenn ein Mensch darin steckt, der weiß, wie man auftreten muss, sind allerdings auch heute noch denkbar. Immerhin heißt es nicht umsonst: Kleider machen Leute, und Zuckermeyer hat dieses Sprichwort auf den Punkt gebracht.
Trotz aller Dramatik darf natürlich auch herzlich gelacht werden, denn obwohl die Ausgangsituation eher Dramatisch ist, wirkt das gesamte Schelmenstück doch alles in allem sehr locker und leicht. Das liegt vor allem an Hauptdarsteller Heinz Rühmann, der sich zwar – wie meistens – mehr oder weniger selbst spielt, dies aber mit Perfektion.
Natürlich passt Rühmann auch perfekt in die Rolle des gutmütigen Verlierers, der immer die Nerven behält, und letztendlich verschmitzt lächelnd als Gewinner aus der Situation herausgeht. In Punkto „Berliner Schnauze“ wirkt es zwar, als würde er seinen gelernten Text aufsagen, aber gerade gemessen an der Entstehungszeit ist dies ein nur kleines und verschmerzbares Manko, wobei manch einer vielleicht sogar gerade diesen Aspekt als besonders Charmant empfinden mag. Den typischen Dialekt hat man entweder im Blut, oder man hat ihn nicht. Besser wäre es wohl gewesen, er hätte hochdeutsch gesprochen, aber das wäre andererseits auch wieder unpassend gewesen. Trotzdem ist und bleibt seine Darstellung grandios, eigentlich wie immer, wenn Rühmann vor die Kamera trat. Sein Charme und seine Leinwandpräsens sind einfach unbeschreiblich gut, und auch wenn Harald Juhnke in der Fernsehversion von 1997 die Rolle glaubwürdiger verkörperte, ist diese Version von Regisseur Helmut Käutner schlichtweg der bessere Film.
Das liegt zum anderen auch daran, dass das Weltbild und das Gefühl der Handlungszeit schlicht perfekt auf Zelluloid gebannt wurde, und die Geschichte sehr ironisch und augenzwinkernd vermittelt wird. Kein Wunder dass der Film nicht nur das Publikum, sondern auch die Kritiker für sich einnehmen konnte. Die Filmbewertungsstelle Wiesbaden stellte dem Film das Prädikat „Besonders Wertvoll“ aus, der Streifen wurde in 53 Länder exportiert, und konnte sogar als erster Nachkriegsfilm in den USA eine Nominierung für den Oscar als „Bester Fremdsprachiger Film“ einheimsen, verlor allerdings gegen Federico Fellinis „La Strada – Das Lied der Straße“.
Alle, die den Film noch nicht kennen, werden jetzt sicherlich fragen: Funktioniert der Film auch heute noch. Und da kann ich klipp und klar sagen: Jawoll, det tuta, Denn Heinz Rühmanns Charme ist nach wie vor ungebrochen, die Geschichte ist kurzweilig erzählt, macht Spaß, berührt und regt – wenn auch nur in Geringem Umfang – zum Nachdenken an. Also: Ankicken! Det is n Befehl!
Bildqualität
Das körnige Bild liegt im Format 1.33:1 vor und wurde – wie man es schon von den Vorgängertiteln der Reihe her gewohnt ist – sehr gut restauriert. Die Farben (von Eastmancolor) sind sehr kräftig und intensiv, allerdings nicht immer ganz natürlich. Hautpartien wirken mitunter etwas rotstichtig, dafür strahlen die blauen Uniformen in einer nie gesehenen Brillanz. Der Schwarzwert ist sauber und tief, allerdings „flackern“ dunkle Bereiche stellenweise ein wenig. Der Kontrast ebenfalls sehr ausgewogen, und altersbedingte Fehler wie Kratzer, Verunreinigungen oder ähnliches wurden beinahe vollständig entfernt, und somit schaut der Film, trotz seines Alters, sehr hochwertig und frisch aus. Für einen 60 Jahre alten Film eine erstaunliche Leistung, an der es, objektiv betrachtet, nicht viel auszusetzten gibt.
Tonqualität
Der Ton liegt im Format dts-HD Master 2.0 und Dolby Digital 2.0 vor, und ist alles in allem als zweckmäßig gut einzustufen. Die Dialoge sind größtenteils gut verständlich und klingen relativ sauber, stellenweise aber etwas dumpf. Wenn viele Darsteller durcheinanderreden, bleibt die Dialogverständlichkeit allerdings etwas auf der Strecke und Szenenweise klingt der Ton leicht blechern, aber hierbei handelt es sich um Ausnahmen. Die Musik, insbesondere die Militärmärsche, drücken ordentlich auf den Bass, auch wenn der Subwoofer selbst nicht angesteuert wird. Altersbedingte Störungen wie Rauschen oder Knarzen gibt es erfreulicherweise nicht.
Ausstattung
- Kleiner Mann ganz Groß (88:45 Minuten)
- Kinotrailer
- Trailershow
- 32 seitiges Booklet
- Wendecover
Fazit
Bild und Ton des 60 Jahre alten Klassikers befinden sich auf bestmöglichem Niveau. Zwar kann der Titel technisch nicht mit neueren Filmen mithalten, aber das war auch nicht zu erwarten. Kritiker könnten anmerken, dass der Ton nicht immer ganz verständlich, und die Farben etwas zu unnatürlich ausfallen, aber das wäre „Jammern auf hohem Niveau“. Auch der Bonusbereich hätte etwas üppiger gefüllt sein können, doch abgesehen davon gibt es nicht viel an dieser Veröffentlichung auszusetzen.
Der Film selbst ist ein zeitloser Klassiker, der auch heute noch funktioniert. Das liegt zum einen an der tollen Geschichte, und zum anderen an dem perfekt aufgelegten Hauptdarsteller, der zwar wieder einmal im Prinzip sich selbst spielt, aber wer würde daran schon ernsthaft Anstoß nehmen. Endlich wurde der Titel so veröffentlicht, wie es sich für einen solchen Titel gehört.
(Michael Speier)
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