bewertet am 18.06.2018 um 13:47
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Nach dem Oscargewinn für "Die durch die Hölle gehen" erhielt Regisseur Michael Cimino grünes Licht für ein Westernepos, das alle bekannten Maßstäbe für Ästhetik und und Detailverliebtheit sprengte. Das ursprüngliche Etat von 7,5 Millionen wurde durch den immens betriebenen Aufwand an Kulissen und Ausstattung binnen kürzester Zeit auf 40 Millionen Dollar geschraubt. Nachdem die Studiobosse aber die ersten Testvorführungen gesichtet hatten, wußte man, daß mit dem Geld kein Schindluder getrieben, sondern einem imposanten Spätwestern von außerordentlicher Schönheit der Weg ins Leben geebnet wurde - und lehnte sich entspannt zurück.... Eine Geste allerdings, die man schon bald bitter bereuen sollte...
In elegischen, weitschweifigen und bis ins letzte Detail durchkomponierten Bildern wird ein dunkles Kapitel aus den verborgenen Winkeln des amerikanischen Gedächtnisses ans Licht der Leinwände gezerrt: Der Johnston County War. Europäische Siedler, die den beschwerlichen Weg aus ihrer alten Heimat in die neue Welt auf sich genommen haben, machten sich auf den mühsamen Weg in den gelobten Westen der noch jungen USA. Ausgemergelt und mittellos blieb ihnen auf dem Weg ins vermeintliche Glück oftmals nichts anderes übrig, als sich gelegentlich ein Stück Vieh aus dem unzähligen Bestand der Rinderbarone zu schlachten. Es ging dabei ja schließlich um nichts weniger als das nackte Überleben.
Die Herdenbesitzer haben sich indes zu einem Interessenverbund zusammengeschmiedet und beschloßen, skrupellos gegen die Viehdiebe vorzugehen: Eine verwegene Meute von 50 Kopfgeldjäger wird rekrutiert und jedem eine Abschußprämie garantiert, der einen Einwanderer aus einer "Todesliste" von 125 Namen eliminiert. Das sie bei dieser Menschenhatz die Rückendeckung des Gouverneurs von Montana und des amerikanischen Präsidenten hatten, wirft einen blutroten Schatten auf die verklärte Ethik der Gründungsväter der vereinigten Staaten.
Die Ammenmär des von edler Moral durchtränkten Westernhelden ala John Wayne, James Stewart oder Gregory Peck wird hier mittels historischer Fakten der Geschichtsverklitterung überführt.
Das Fundament der amerikanischen Gesellschafft beruht eben nicht auf Altruismus und nobler Gottesgefälligkeit, wie es die Gründungsmythen künden, sondern stand schon von Beginn an im Zeichen von Profitgier und dem Sozialdarwinismus im Geiste des Überleben des Stärkeren.
In der Tatsache, daß der selbstgefälligen amerikanischen Volkseele der Spiegel vorgehalten und am Lack der auf Lügen basierenden Legendenbildung durch die Hollywoodproduktionen gekratzt wurde, ist auch das finanzielle Fiasko zu erklären, welches Heavens Gate zu seiner Zeit, der beginnenden Reagen Ära mit seinem Neopatriotismus, beschieden war. Die Zeit des amerikanischen Selbsthasses der Postvietnamära war endgültig abgelaufen und man sehnte sich nach Neuem. Die Kritiker der ersten Vorstellungen zerrissen demnach den Film in der Luft. Ein antipatriotischer Film entsprach über Nacht nicht mehr dem Zeitgeist Amerikas. Selbst der Reporter der renomierten New York Times vermochte nicht die emotionale Schmach der Realität zu ertragen und die über Jahrzehnte eingebleute Grossmannsillusion, ein direkter Nachkomme hochheiliger Pilgerväter zu sein, angewiedert abzuschütteln. So äußerste er sich dementsprechend auch grob abfällig über das Werk. Ob folgende Kritiker danach nicht mehr Willens oder in der Lage waren, ihrer Koriphäre zu widersprechen und sich damit womöglich fachlich zu disqualifizieren, sei dahingestellt und bleibt Spekulation. Tasache aber ist, daß sie ins gleiche Horn bliesen. Die vernichtenden Kritiken entwickelten so eine sich selbstverstärkende Eigendynamik, die den Film schlußendlich in den Abgrund stürzte.
Aus heutiger Sicht unfaßbar, wurde Heavens Gate für 5 goldene Himbeeren nominiert. U.a. für den schlechtesten Schauspieler, den schlechtesten Film und die schlechteste Regie. In letztgenannter Kategorie wurde er beschämender Weise sogar prämiert. Man jaulte lieber mit den Wölfen, als dem eigenen Empfinden für wahre Größe zu folgen.
Aber Qualität läßt sich eben doch nicht totkriegen. Und so eroberte sich Heavens Gate im Laufe der Zeit seinen verdienten Platz im Filmolymp und gilt Heute unwidersprochen als absolutes Meisterwerk. Jahrzehnte später erhielt Cimino für Heavens Gate die goldene Ehrenpalme der Filmfestspiele von Cannes und erfuhr so die ihm gebührende Reputation. Das es jahrzehntelang als größter Flop der Filmgeschichte galt, der den Ruin des u.a. von Charlie Chaplin und Douglas Fairbanks gegründeten United Artist Studios zur Folge hatte und das glorreiche Kapitel des amerikanischen Autorenkinos endgültig zu Grabe trug, sind Heute allerdings nur noch Randnotizen und allenfalls für Filmhistoriker interessant.
Was Cimino bei kommerziellem Erfolg von Heavens Gate noch für imposante Werke geschaffen haben mag, ist Spekulation. Sein Talent hätte dem werten Freund hochkalorischer Filmkost bei entsprechend pekunärer Unterstützung aber sicher noch den einen oder anderen unsterblichen Klassiker beschert...
Die Handlung in aller Kürze
1890 in Montana. Der Anwalt James Averill (Kris Kristofferson) unterstützt die armen Farmer in ihrem Kampf gegen die Viehzüchterlobby. Einer von ihnen ist sein alter Freund Billy aus Studienzeiten. Gemeinsam feierten sie 1870 ihren Abschluß an der Eliteuniversität Harvard. Obwohl beide ihre elitären Wurzeln nicht ablegen können, kämpft Averill auf der Seite der "kleinen Leute", während Billy die Fesseln seines Standes nicht abschütteln kann und sich den Viehbaronen verbunden fühlt. Er ist zwar von ihrem skrupellosen Verhalten angewidert, vermag es aber nicht, sich von seiner Kaste zu distanzieren. Seinen Frust darüber ertränkt er im Alkohol. Und hier überschneiden sich die beiden Charaktere wieder. Denn auch der Anwalt ist dem Feuerwasser seit der guten alten Jugendzeit mehr als nur zugeneigt und hat seinen Flachmann Hochprozentiges ebenfalls immer gutgefüllt und griffbereit am Mann.
Einer der größten Kritikpunkte war immer das schwache Spiel der Hauptdarsteller, vor allem von Kristofferson. Aber hier gehen meiner Meinung nach die Kritiker völlig fehl und verknüpfen das Westerngenre zu reflexartig mit glänzenden schablonenhaften Hollywoodhelden, die mit einer übermenschlichen Moral und männlichen Kraft ausstaffiert sind, welche Natur und Feind zu bändigen vermag, um schlußendlich im aufnahmebereiten Schoß der tagesaktuellen Hollywoodschönheit zu landen.
Aber genau dieses Klischee sollen die Protagonisten hier eben nicht erfüllen. Im Gegenteil: Averill ist ein gebrochener Mensch, vom Leben gezeichnet, und sucht im Alkohol Trost und Erleichterung von der Schwere des Daseins. Im gewißen Sinne ist er damit ein Antiheld, ein schlichter Mensch, aus Fleisch und Blut gestrickt und mit Makeln behaftet.
Als er 1890 in dem Westernkaff Casper ankommt, ist von der Euphorie seiner zurückliegenden Harvardzeit nichts mehr zu spüren. Was in den 20 Jahren passiert ist, darüber erfährt der Zuschauer nichts. Gestik und Mimik sprechen aber eine eindeutige Sprache: Averill ist vom Leben desillusioniert und sein jugendlicher Elan hat die Kollision mit der Wirklichkeit nicht überlebt. Man darf also nicht den Fehler begehen, hier einen strahlenden Helden aus der klassischen Westernepoche zu erwarten. Denn auch hier trifft wieder eher das Gegenteil zu: Averill schleppt sich mühsam und zäh durch sein Leben, welches ihn zu einem wortkargen und introvertierten Menschen geschliffen hat.
Trost findet er nur in der Armen der Hure Ella, die ihr Bordell weit außerhalb der Siedlung, auf einem wunderschönen Fleckchen Erde errichtet hat. Da aber einige Einwanderer ihre Dienste im Tausch gegen gestohlenes Fleisch in Anspruch nehmen, steht auch ihr Name ganz oben auf der Todesliste.
Averills Nebenbuhler um die schöne Bordellbesitzerin ist der im Auftrag der Rinderbarone tötende Scharfschütze Nate Champion (Christopher Walken). Als dieser Ella einen Heiratsantrag macht, muß Averill den nächsten Schicksalschlag überstehen.
Am Boden zerstört und zu kraftlos um um Ella zu kämpfen, liefert sich Averill dem Alkohol aus. Während er verkatert im Bett liegt, beschließen die Einwanderer, die Sache selbst in die Hand zu nehmen und gehen zum Angriff auf die Rinderbarone und ihre Kopfgeldjäger über...Weiters soll aus Spoilergründen im Verborgenen bleiben
Nur noch soviel: Das Ende des Filmes, also die Scene in 1903, zählt für mich zu den stärksten Momenten des Filmes. Ohne das Kristofferson ein Wort spricht, offenbart sich das Drama Averills gesamten Lebens und man gewinnt den Eindruck, ihm bis auf den Grund seiner Seele schauen zu können. Das ist Filmkunst in Vollendung.
Für mich steht Heavens Gate deshalb auf einer Stufe mit den besten Filmen überhaupt. Er spielt damit in derselben Liga wie Leones Klassiker "Es war einmal in Amerika", "Spiel mir das Lied vom Tod", etc.
Die Bilder, die hier von dem Kameragenie Vilmos Zsigmond eingefangen wurden und maßgeblich den Status des Filmes begründen, sind von erhabener Schönheit und zeitloser Ästethik. In monumentalen Landschaftspanoramen schwelgend entführt Zsigmond den Zuschauer in eine dampfende, zischende und staubende märchenhafte Westernwelt, die mit überbordener Ausstattung gespickt und bevölkert von charismatischen Individualisten ist. Der Authentizitismus der Ausstattungsschlacht, gepart mit dem Dreck in den Straßen und den schmutzig schwieligen Gesichtern der Pioniere, geht mit der visuellen Ästhetik Zsigmonds eine in sich stimmige Symbiose ein, so daß sich der Stil Ciminos vielleicht am treffensten als poetischer Realismus bezeichnen läßt.
Ohne CGI, nur geprägt von handwerklicher Kunst und geschultem Auge, reihen sich Bilder an Bilder, die an Perfektion kaum zu überbieten sind und in denen sich der Zuschauer verlieren möchte.
So ist Heavens Gate denn auch ein Film für Genießer. Wer keine Muße mitbringt und sich nicht in den episch elegischen Bidern verlieren kann, hat in dem Film nichts verloren. Die Bilder sind sich oft selbst genug und die Handlung schleppt sich nur ähnlich zäh voran, wie das Leben Averills. Sie weicht sogar oft hinter den visuellen Schauwerten zurück. Wo Bilder aber zu Kunstwerken werden, gleicht dies einem Museumsbesuch alter Meister, den man bis zum letzten Atemzug auskosten möchte. So überkommt einen auch nach 217min ein Gefühl von Wehmut, die Welt überbordener Pracht wieder verlassen zu müßen.
Mit dem entsprechenden Gemüt und einer bestimmten seelischen Prädisposition ausgestattet, die notwendig ist, um den Film ganz in sich hineinsinken zu lassen, ist der vermeintliche Handlungsmangel für den Geniesser also eher ein Lustgewinn als eine Zumutung.
Und ich bedauere jeden, der auf Grund seiner emotionalen Strukturierung zu diesem gehobenen Genuss nicht in der Lage ist...
Das Bild ist der Größe des Werkes angemeßen restauriert. Cimino persönlich überwachte das Mastering und gab glückseelig frohjauchzend grünes Licht, ob des gelungenen Prozesses. Die Farben erstrahlen in ihrer matten Pracht und das Originalfilmkorn wurde bei der digitalen Überarbeitung nicht herausgeglättet. So kommt die Bluray dem Original wohl so nah wie nur möglich.
Der Ton ist sauber und gut verständlich, jedoch naturgemäß unspektakulär. Die Musik ist unauffällig minimalistisch, unterstreicht in den geeigneten Momenten aber punktgenau die Erhabenheit der Bilder.
Der Recut
Als abzusehen war, daß der Film kolossal an den Kinokassen floppte, entschied sich das Produzententeam hektisch, Heavens Gate um eine Std. verkürzt in die Kinos zu bringen.
Angeblich kostete der Recut (inkl. Kopien) nochmal 10 Mio Dollar und brach dem Studio somit endgültig das Genick.
Der Recut ist stringenter erzählt und man hoffte so, dem Actionverwöhnten Zuschauer weniger stille Momente zuzumuten. Aber vergebens. Die Reputation des Filmes war endgültig hinüber und der gewünschte Erfolg blieb aus.
Aber interessant ist die Version allemal. Zum einen, weil das Finale des Filmes eine neue Akzentuierung erfährt und zweitens, weil er Scenen beinhaltet, die im Director's Cut fehlen.
Es mag sein, daß die Scenen in der Originalkinoversion auch enthalten waren, erinnern kann ich mich aber nicht mehr (ich sah den Film Ende der 80'er erstmals im Fernsehen).
Zu erwähnen ist aber, das der Directors Cut um 2 min. gegenüber der ursprünglichen Kinoversion gekürzt war.
Wer einmal die Langversion gesehen hat, wird sich aber niemals mehr mit der gekürzten Fassung zufrieden geben. Die Erzählung ist zwar kompakter, das epigonenhafte, episch-weitschweifige flackert jedoch nur in kurzen Augenblicken durch. Das aber ist ja genau die Seele des Filmes, der diese Faszination ausübt und um die er letztendlich betrogen wurde.
Bleibt noch nachzutragen, daß auf der Berlinale eine nochmals um 20min längere Version aufgeführt wurde. Gebenedeit seien die Genießer dieser filmhistorischen Sternstunde...